Dieses Jahr ist alles anders! Erstmals geht beim 24H Rennen in Le Mans die GT3 Klasse an den Start, nachdem bis zum Schluss gute Rennen in der GTE gezeigt wurden. Die Klasse steht mit deutlich mehr Herstellern da und wird für einen anderen Charakter im Rennen sorgen.
Dieses Jahr ist in der WEC und den 24H von Le Mans ein Schritt erfolgt, der lange Zeit nach langwährenden Streitigkeiten zwischen dem ACO und der GT3 Behörde SRO unwahrscheinlich schien. Nachdem Stephané Ratel Anfangs der 2010er Jahre seine eigene Rennserie aufbaute, schien lange Funkstille zwischen den beiden egozentrischen Parteien gewesen zu sein. Ratel baute sich nach der gescheiterten GT1 WM Stück für Stück sein GT3-Imperium auf, während ab diesem Zeitpunkt der ACO für die WEC eine neugeschaffene GTE-Klasse aufbaute, die als Nachfolger des damaligen GT2 Reglements galt. GT Fahrzeuge, die ohne Fahrhilfen wie ABS oder Traktionskontrolle vorgesehen waren und wenig Abtrieb erzeugten.
Die GTE wurde ab Beginn der WEC 2012 in eine Pro- und Am-Kategorie unterteilt. Vor allem die GTE Pro war in den Jahren 2017 und 2018 das Filetstück der 24H von Le Mans mit phasenweise sechs beteiligten Herstellern, die teilweise vier Werksunterstützte Wagen am Start hatten mit dem Ford, BMW, Ferrari, Porsche, Aston Martin und Corvette. Doch nach den Rückzügen von Ford und BMW war recht schnell klar, dass sich das Reglement nicht lange halten wird. Nachdem Aston Martin nur noch in der AM-Klasse startete, fuhren ab Beginn der Pandemiejahre nur noch Porsche und Ferrari in der GTE Pro. Immer mal wieder gab es Gerüchte, ob McLaren oder Lamborghini einen GTE Wagen auf Basis ihrer bestehenden GT3-Modelle homologieren. Doch es wurde nichts und Schritt für Schritt zeichnete sich der Weg ab, den auch die DTM ab 2021 gehen musste: Die Einführung der weltweit dominierenden GT3. Die letzte Saison wurde mit lediglich einer zusammengeführten AM-Klasse bestritten, die nochmal ein starkes Feld aufwies. Doch nun ist seit diesem Jahr alles auf die GT3-Basis zugeschnitten, was die Anzahl der Hersteller dramatisch erhöht hat.
Die aktuellen Fahrzeuge verfügen über ABS und Traktionskontrolle mit mehr Abtrieb. Runtergebrochen darf man von weniger Abflügen ausgehen, da die Fahrzeuge auch für Bronze-Piloten deutlich fahrbarer geworden sind. Die Topspeed
Werte werden nicht ganz auf dem GTE-Niveau der letzten Jahre sein, was auch das Überründen der Hypercars und eingebremsten LMP2 erleichtern dürfte. Nun blicken wir mal auf die Teams und Hersteller, sortiert nach der aktuellen Meisterschaftsposition der Teamwertung. Insgesamt gehen 23 Wagen an den Start. 18 aus der gesamten WEC mit fünf Gaststartern, die sich ihre Startplätze hart erkämpfen mussten.
Porsche
Porsche dürfte nach zwei Saisonsiegen in Doha und Spa als Favorit ins Rennen gehen. Den Einsatz macht wie in der damaligen GTE Pro Manthey Racing, aufgeteilt auf die #91 mit der Nennung Manthey EMA und der #92 mit Manthey Purerxcing. Beim zweiten Wagen hat man sich mit dem litauischen Team von Aliaksandr Malykhin zusammengetan, der dort neben Joel Sturm und Klaus Bachler als Bronze-Fahrer agiert und in dieser Fahrerkategorie als die Entdeckung der Saison gilt. Auch Sturm ist zwar als Silber-Fahrer geführt, hat aber mittlerweile den Speed eines Gold-Fahrers. Die beiden führen zusammen mit Klaus Bachler die Meisterschaft vergleichsweise souverän an. Für die #91 lief vor dem Sieg in Spa noch nicht viel zusammen. Hier kehrte Richard Lietz zurück, der sich mit Morris Schuring und dem australischen Rennstrecken-Besitzer Yasser Shahin das Steuer teilt. Da oft der Bronze-Fahrer über das Ergebnis entscheidet, ist die #92 wohl auch für Le Mans besser einzuschätzen.
BMW
Bei BMW wird WRT die Einsätze in beiden Klassen mit zwei LMDh-Wagen in der Hypercar-Klasse und zwei BMW M4 in der LMGT3-Klasse stemmen. Medial dürfte vor allem das Le Mans Debüt von Valentino Rossi im Vordergrund stehen, der letztes Jahr im gleichen Team das Rahmenrennen zum Michelin Le Mans Cup in der Klasse gewinnen konnte. Er teilt sich mit seinem Stammkollegen Maxime Martin aus der GT World Challenge das Steuer sowie mit Ahmad Al Harty als Bronze-Pilot. Die #31 konnte mit Augusto Farfus, der schon zu alten GT2-Zeiten in Le Mans fuhr sowie Sean Gelael und Darren Leung den Saisonsieg in Imola einfahren. Sofern Rossi nicht seine häufigen Leistungsschwankungen zeigt, sollte die #31 über die Distanz das leicht bessere Line Up haben.
Aston Martin
Noch ist Aston Martin neben Ford und McLaren einer von drei Herstellern, die neben der LMGT3 Beteiligung kein paralleles Hypercar-Programm haben. Das wird sich ab 2025 bekanntlich ändern. Auch hierbei könnte das Heart of Racing Team aus den USA ein Wort mitreden. Die zweiten und fünften Plätze aus Doha und Imola haben gezeigt, dass das Team viel Potenzial hat. Beim Evo-Modell des Vantage sind jedoch Kinderkrankheiten über die 24H-Distanz nicht ausgeschlossen. Das Trio ist vor allem in den vergangenen IMSA-Jahren zusammengewachsen mit Alex Riberas, Daniel Mancinelli und Ian James. James gehört sicherlich zu den besseren Bronze-Fahrern. Jedoch könnte ohne Platin-Fahrer der berühmte letzte Punch fehlen.
Nachdem die #27 das GT-Feld beginnt, wird die #777 von D´Station Racing das Feld zahlenmäßig beenden. Ein dritter Platz in Doha hat auch das Potenzial dieses Trios gezeigt, das mit Marco Sörensen einen Routinier am Steuer haben wird. Mit Erwan Bastard, für den es die zweite GT3-Saison ist und dem 63-jährigen Satoshi Hoshino, der gerne mal für Ausritte bekannt ist, wird das Team eher eine Außenseiter-Rolle spielen.
Ferrari
Eine GT-Klasse ohne AF Corse ist unvorstellbar, so auch nicht in diesem Jahr. Als Sponsor und Namensgeber dient die Privatfluglinie „Vista“ von Thomas Flohr, der sich zu einem respektablen Bronze-Fahrer entwickelt hat. Der fünfe Platz in Doha konnte mit Francesco Castelacci und Davide Rigon das Potenzial in der #54 zeigen. Als Geheimtipp muss man die Mannschaft auf der Rechnung haben. Gleiches gilt für die #55 mit Alessio Rovera, Simon Mann und Francois Heriau. Der Ferrari 296 GT3 befindet sich nun im zweiten Jahr und ist in den GT3-Serien, vor allem im Langstreckenbereich noch einiges schuldig geblieben. Natürlich abgesehen vom 24 Stunden am Nürburgring, was aber mit eigener BOP und der Strecke ohnehin eigene Gesetze hat. Die GTE-Modelle des 458 und 488, die nah an den früheren GT3-Modellen konstruiert waren, konnten in Le Mans oft überzeugen. Ob es für das von Oreca gebaute Modell auf gilt, muss sich noch zeigen.
Dazu konnten sich direkt drei Ferrari-Teams die begehrten Gastplätze für Le Mans sichern, die im WEC-Kosmos sonst nicht dabei sind. Die Teams sind mit JMW Motorsport, GR Racing und Spirit of Race jedoch keinesfalls Neulinge in Le Mans. JMW Motorsport konnte mal die GTE Am Klasse mit dem 488 gewinnen. Mit Salih Yoluc, Larry ten Voorde und Giacomo Petrobelli wird das Team womöglich sogar den AF Corse Trios einheizen können. GR Racing wurde in den letzten Jahren mit Porsche und der dazugehörigen Gulf-Lackierung bekannt. Nun setzen sie erstmals den Ferrari ein. Mit Daniel Serra ist hier einer der ehemaligen Ferrari-Piloten aus der GTE Pro am Start, der zusammen mit den erfahrenen Michael Wainwright und Riccardo Pera fahren wird. Die schweizer Mannschaft Spirit of Race wird mit Jordan Taylor sogar einen aktuellen GTP-Piloten aus der IMSA am Start haben, der wegen der IMSA-Exklusivität für Le Mans „nur“ einen GT3-Einsatz bekommt. Mit Conrad und Johnny Laursen hat er zwei eher unbeschriebene Blätter als Teamkollegen.
Lamborghini
Im Mittelpunkt steht einmal mehr das begeisternde Iron Dames Team, die letztes Jahr nur knapp hinter dem Podium Vierte in Le Mans wurden. Spätestens der Sieg bei den 8 Stunden von Bahrain im letzten Jahr hat das immense Potenzial der drei Fahrerinnen gezeigt. Dieses Jahr ist das Team mal wieder von „Rennpech“ geprägt, ob mit einem unverschuldeten Startunfall in Imola oder einem „Splash&Dash“, der in Spa kurz vor Schluss noch notwendig wurde. Vor dem Wochenende musste Dorian Pin ihren Start jedoch absagen, da sie bei einem Rennen zur Formula Regional in Spa mehrere Rippenfrakturen aufgrund der immensen Fliehkräfte erlitt. Somit geht das Trio unverändert mit Sarah Bovy, Michelle Gatting und ersatzweise Rahel Frey an den Start, die 2024 für die ELMS vorgesehen ist.
Iron Lynx ist in der Meisterschaft knapp hinter Iron Dames, was allen voran am Teambesitzer Claudio Schiavoni liegt, der innerhalb des Bronze-Feldes zu den langsamstem zählt. Allein werden es Franck Perera und Matteo Cressoni trotz gutem Speed und Erfahrung wohl nicht rausholen können, weshalb die drei Frauen etwas stärker eingeschätzt werden. Der Huracan Evo II. ist jedoch bei Langstreckenrennen noch einiges schuldig geblieben und gilt nicht als das zuverlässigste Modell. Helfen könnten die erwartbar kühlen Temperaturen, damit der Wagen nicht unter seinem bekannten Leistungsverlust leidet.
McLaren
Immer wieder gab es Gerüchte, dass McLaren nach Le Mans zurückkehrt, wo sie Ende der 90er zu GT1-Zeiten gewannen. Doch weder aus einem LMP1-Projekt, noch aus einem LMDh- oder GTE-Projekt wurde etwas. Nicht wenige bezeichnen die immer wiederkehrenden Gerüchte über McLaren schon als einen Treppenwitz. Man musste nur die Einführung der LMGT3-Klasse abwarten, was auch mit der WEC-Streichung der LMP2 zu tun haben dürfte. United Autosports, jene Mannschaft rund um Zak Brown, setzt zwei McLaren 720 Evo ein. Das Team wird zusätzlich zwei Oreca in der gewohnten LMP2 betreuen. Fahrerisch ist das Lineup in der LMP2 um einiges stärker einzuschätzen. Kein einziger Platin-Fahrer wird in Le Mans am Start sein, was die McLaren nur in einer Außenseiter-Rolle lässt. Außer ein sechster Platz unter Wettereinflüssen im Imola mit dem Trio der #95 ging noch nicht viel voran. Die #95 fahren die beiden Japaner Marino Sato, Hiroshi Hamaguchi mit dem Chilenen Nicolas Pino. Die #59 fährt mit Gregoire Saucy, James Cottingham und Nicolas Costa. In der GT World Challenge ist der ein oder andere gute Fahrer für McLaren am Start, auf die jedoch nicht zurückgegriffen wird.
Dazu kommt der Gaststart von Inception Racing, die mit Brendon Iribe, Ollie Milroy und Frederik Schandorff am Start sind. Das Team ist in anderen Rennserien auch schon unter der Bezeichnung von Optimum Motorsport an den Start gegangen.
Corvette
Jahrelang waren die Auftritte der gelben werkseingesetzten Corvettes ziemlich kultig in Le Mans. Manchmal waren sie so schlecht eingestuft, dass sie gnadenlos hinterherfuhren, manchmal waren sie pfeilschnell und konnten Klassensiege einfahren. Letztes Jahr konnte Corvette zusammen mit dem privateingesetzten Werksfahrzeug die letzte Saison der GTE gewinnen, sogar schon zwei Rennen vor Schluss in Monza. Nun setzt TF Sport erstmals die Corvettes in der GT3 Basis ein, die sonst der Marke Aston Martin treu waren. Viel läuft bisher nicht zusammen, außer einem siebten Platz und der Pole beim Saisonstart in Katar. Die Pole fuhr der Belgier Tom Van Rompuy ein, der sich die #81 mit Rui Andrade und Charlie Eastwood teilt. Eastwood fuhr letztes Jahr für das Team mit Aston Martin, während Andrade aus Angola von der LMP2-Klasse gewechselt ist. Die #82 fährt Daniel Juncadella, der von Mercedes die Freigabe erhalten hat. Er fährt zusammen mit Hiroshi Koizumi und Sebastien Baud. Wie auch bei McLaren wäre eine Podestchance von Corvette eher eine Überraschung. Mit Werksfahrern wie Tommy Milner oder Antonio Garcia würde das anders aussehen.
Ford
Mit Spannung wurde das Comeback von Ford in der WEC erwartet, nachdem letztes Jahr völlig überraschend Proton Competition als Einsatzteam vorgestellt wurde. Doch das Fahrverhalten des wuchtigen Mustangs war bislang noch ein Problem. Wenn jedoch eine Strecke dem Wagen liegen könnte, dann ganz klar Le Mans mit den langen Geraden! In der #77 findet sich mit Ben Barker, Ollie Millroy und Frederik Schandorff viel Erfahrung aus Le Mans wieder. Die #88 dürfte mit Giorgio Roda, Mikkel Pedersen und Dennis Olsen noch etwas stärker einzuschätzen sein. Ein 24er wurde mit dem neuen Mustang bereits in Daytona bestritten. Je nach Wetterlage sollte man die beiden Ford nicht komplett abschreiben.
Dazu kommt ein dritter Mustang mit der Startnummer #44, was aus deutscher Sicht das prominenteste Line Up haben wird. Ursprünglich befand sich Christian Ried auf der Starterliste und schien den berühmtem Rücktritt vom Rücktritt zu wagen. Hier wurde mittlerweile jedoch der Brite John Hartshorne in die Liste aufgenommen, wohl als eher kurzfristiger Call (Textänderung vom 13.06). Dazu kommen Ben Tuck, der mal in der DTM Trophy unterwegs war und Christopher Mies, der nach seiner langen Audi-Zeit nun sein Debüt in Le Mans gibt.
Lexus
Neues Team, neue Rennserie, neues Auto: So könnte man bislang die Saison von Akkodis ASP mit dem Lexus zusammenfassen. Das erfolgsverwöhnte Team von Jérôme Policand, die letztes Jahr mit dem Mercedes AMG die GT World Challenge gewannen, dürften gewusst haben, auf welches Abenteuer so sich mit Lexus einlassen. Bislang sprang lediglich ein mickriger Punkt aus den ersten drei Saisonrennen heraus. Eine Zielankunft mit einem der beiden Wagen wäre schon ein Erfolg. Die Platzierungen dürften eher zweitrangig sein. Nun musste das Team auch noch in der #87 den Abgang von José Maria Lopez verkraften, der Mike Conway in der Hypercar-Klasse bei Toyota ersetzt. Dieser wurde jedoch mit Jack Hawksworth stark kompensiert, der sich mit Takeshi Kimura und Esteban Masson das Steuer teilt. Hawksworth fährt sonst im weitaus erfolgreicheren Vasser Sullivan Team in der IMSA. Mit diesem Einsatzteam wäre sicherlich mehr als nur ein Punkt aus der bisherigen Saison herausgesprungen. Die #78 fährt mit Kelvin van der Linde die bekannteste Personalie des Lexus-Aufgebots, zusammen mit dem Akkodis-Piloten Timur Boguslavskiy und Arnold Robin.
Bildquellen:
fiawec.com (https://www.fiawec.com/en/photos-videos/13)
press.fiawec.com (https://press.fiawec.com/)
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