Red Bull? Mercedes? McLaren? Der Kampf um die Spitze ist mittlerweile sehr eng geworden.
Die wundersame Auferstehung von Mercedes aus den letzten beiden Rennen ist weiterhin ein Thema in der Formel Eins. So richtig versteht man noch nicht, was genau das Team da gefunden hat, um aus dem eher lahmen Auto einen Siegkandidaten zu machen. Es wird etwas mit der Ausbuchtung zu tun haben, die man seit dem Rennen in Österreich im Frontbereich sehen kann. Die Spekulationen reichen von einem mechanischen Massedämpfer bis hin zu einer Art Gyroskop. Massedämpfer (früher auch mal J-Damper) genannt, sind in der F1 eigentlich verboten. Auch dann, wenn sie komplett mechanisch sind.
Aber es scheint so, als habe Mercedes einen Weg gefunden, die Oszillation des Autos und damit des Unterbodens zu verhindern. Dadurch liegt das Auto ruhiger und der Luftfluss wird nicht gestört. Was zu besseren Abtriebswerten und vor allem weniger Reifenverschleiß führt. Das war im letzten Stint von Hamilton in Silverstone gut sehen. Denn er schaffte die letzten 15 Runden sehr gute Rundenzeiten (um die 1.29.5 min) zu fahren, ohne dass eine Soft einbrachen oder es zu Graining kam.
Wie gut das neue System von Mercedes ist, wird man dann in Ungarn sehen. Die eher untypische Strecke hat viele Bodenwellen, enge Kurven und leicht erhöhte Curbs, die das Auto unruhig machen. Nun ist es aber auch so, dass ein System, dass einen Massedämpfer emuliert nicht unbedingt auf jeder Strecke funktionieren wird. In Österreich war Mercedes klar langsamer als die McLaren und Red Bull. In Silverstone waren alle drei Teams ungefähr gleich schnell. Welches Chassis-Konzept dann am Hungaroring sich durchsetzen kann, ist dann eine Frage, die wir am Wochenende klären.
Nicht aus den Augen verlieren darf man aber die Ferrari. Die sind mit dem letzten Update ganz klar irgendwo falsch abgebogen, was man aber schnell erkannt hat. In Silverstone nutzte man das Imola-Update und es lief (leidlich) besser. Aber da war ja der sehr dominante Sieg in Monaco und auf der Strecke in Ungarn nutzt man das gleiche High-Downforce Setup. Ferrari hat definitiv ein Problem mit den schnellen Strecken, aber auf den langsamen Kursen sieht es anders aus. Ich wäre nicht überrascht, wenn man die Ferrari wieder etwas weiter vorn sehen würde.
Und dann ist da natürlich die Frage, was bei Red Bull los ist. Die Dominanz, die man zu Beginn der Saison hatte, ist jedenfalls weg. Was gut für die Formel Eins ist, aber warum hat Red Bull so nachgelassen? Haben die anderen so stark aufgeholt, oder hat man bei Red Bull mit dem letzten großen Update aus Miami etwas falsch gemacht? Gerüchte besagen, dass das Update nicht so funktioniert hat, wie man sich das erhofft hat. Der Nachfolger von Adrian Newey, Pierre Waché, hat dem Auto eine etwas andere Richtung gegeben, angeblich gegen die Warnung von Newey. Der hat aber angeblich keinen Einfluss mehr auf die Entwicklung bei Red Bull. Vermutlich ist eine Mischung aus beiden Dingen. Red Bull hat ein Update gebracht, dass nicht ganz so funktionierte, wie man sich das erhofft hat und die anderen haben massiv aufgeholt.
McLaren scheint im Moment tatsächlich das beste Auto zu haben. Aber man hat einerseits Pech oder macht Fehler. Die letzten beiden Rennen hätte man unbedingt gewinnen müssen, scheiterte aber an Verstappen und an schlechten Entscheidungen. Man merkt dem Team und Norris an, dass man noch in einer Lernphase steckt. An der Spitze ist es so eng, dass man sich kleine Fehler nicht erlauben kann. Sowohl McLaren als auch Norris machen noch Fehler bei den Strategie-Calls, wenn man unter Druck ist. Es fehlt die Erfahrung, wie man in solchen Momenten die richtige Entscheidung trifft. Aber die Erfahrung bekommt man halt auch nur, wenn man vorher genug Fehler gemacht hat.
Hinter den Top 4 klafft immer noch eine große Lücke, vor allem zu Aston Martin. Die Briten sind in diesem Jahr nicht so nah an der Spitze, wie man das im letzten Jahr war. Aber ich bleibe auch bei meiner Theorie, dass Aston im ersten Halbjahr 2023 nur deswegen so gut war, weil die anderen so schlecht waren. Das Grundkonzept des Autos funktionierte besser, als die Wagen von Ferrari und Mercedes, die ein komplett anderes Konzept hatten. Das hat die Sicht auf die reine Leistungsfähigkeit etwas verzerrt. Mit den Updates stellte sich dann die richtige Reihenfolge wieder her und der Abstand, den Aston im zweiten Halbjahr 2023 hatte, entspricht ungefähr dem, was auch in diesem Jahr hatte.
Die Gerüchte verdichten sich, dass man aber bald etwas besser dastehen könnte. Denn Adrian Newey scheint bei Aston andocken zu wollen. TV-Moderator Jeremy Clarkson ließ beim Rennen in Silverstone den Hinweis fallen. Der ist mit Newey seit Schulzeiten eng befreundet und bemerkte, dass Newey im Moment auf der Suche nach einem Haus in Oxfordshire (da, wo fast alle F1 Teams sitzen) und nicht Maranello sei. Ob es dann jetzt Aston oder Williams wird, bleibt dann die zu klärende Frage. Aber die Taschen von Lawrence Stroll scheinen ja tief genug zu sein.
Ansonsten kommt langsam etwas Bewegung auf den Fahrermarkt. Magnussen ist raus bei Haas, was keine Überraschung ist. Mit Bearman hat Haas einen vielversprechenden Nachwuchsfahrer aus der Ferrari-Kader geholt. Als Magnussen-Ersatz wird wohl Esteban Ocon zu Haas wechseln.
Aber der Korken in der Flasche ist weiterhin Sainz. Aber dessen Entscheidung (Alpine, Audi oder Williams) wird durch die Tatsache verkompliziert, dass Red Bull wohl ernsthaft darüber nachdenkt, Sergio Perez zu ersetzen. Der Mexikaner ist völlig von der Rolle und Red Bull sieht die Gefahr, dass vor allem McLaren ihnen den Konstrukteurs-Titel wegschnappen könnte. Doch wen soll man als klare Nummer Zwei nehmen? Liam Lawson hat letzte Woche getestet, aber offenbar waren dessen Rundenzeiten schlecht. Tsunoda hätte meiner Meinung nach mal eine Chance verdient, scheint aber nicht weit oben auf der Liste von der Helmut Marko zu stehen. Ricciardo schon mal gar nicht.
Außerdem gräbt Mercedes weiter an Verstappen herum, den man gerne im Team hätte. Wenn Red Bull Pech hat, könnte man 2026 ohne Top-Fahrer dastehen, was wohl zu einem Umdenken geführt hat. Plötzlich scheint Carlos Sainz wieder im Gespräch zu sein, der ja bewiesen hat, dass er auf dem Niveau des extrem schnellen Charles Leclerc unterwegs sein kann. Zwar will man eigentlich ungern jemanden haben, der Verstappen unter Druck setzt, was mit Sicherheit zu Konflikten im Team führen würde. Sicher ist aber auch, dass man ohne ein starkes Lineup mit zwei absolut gleichwertigen Fahrern in einer so engen WM Schwierigkeiten haben wird, den WM-Titel zu holen.
Aber so lange Sainz nichts entscheidet, passiert auch nichts. Sollten Alpine, Audi und Williams leer ausgehen, wird der Markt schnell viel Bewegung zeigen. Alpine hat neulich Doohan und Schumacher getestet, wobei der Deutsche wohl klar schneller war. Williams arbeitet an Bottas, den Audi aber nicht gehen lassen will, wenn man Sainz nicht bekommt. Für Williams bliebe dann Magnussen, denn aus dem eigenen Nachwuchs hat man im Moment niemanden. Ein Nebengerücht besagt, dass man Ricciardo nehmen könnte, der dann durch Lawson bei RB ersetzt würde. Aber das sind alles wilde Spekulationen.
Strategie:
Es gibt wie immer C3, C4 und C5. Doch dieses Wochenende könnten diese weichen Mischungen in Ungarn massiv unter Stress geraten. Denn das Wochenende wird brütend heiß mit Temperaturen von bis zu 35 Grad. Das treibt die Asphalttemperaturen auf weit über 50 Grad und damit in einen kritischen Bereich. Selbst Autos mit guten Verschleißwerten dürften an ihre Grenzen kommen. Was dann auf den C3 als Rennreifen hindeutet.
Wie erwähnt müssen die Autos mit einem hohen aerodynamischen Abtrieb fahren. Es gibt zwei DRS-Zonen: eine auf der Start-Ziel-Geraden und die andere, viel kürzere auf der Abfahrt von Kurve 1 zu 2, mit nur einer Erkennungszone vor dem Eingang zur letzten Kurve. Was die auf die Reifen wirkenden Kräfte angeht, ist der Hungaroring nicht besonders hart. Die Traktion ist einer der wichtigsten Faktoren, vor allem über die Hinterachse. Der Verschleiß kann hoch sein, besonders bei großer Hitze, Überhitzung ist daher ein Faktor, den es nicht nur im Rennen, sondern auch im Qualifying unter Kontrolle zu halten gilt: Auf der weichsten Mischung muss es dem Fahrer gelingen, die letzten beiden 180°-Kurven einer fliegenden Runde mit ausreichend Grip zu erreichen, was keine leichte Aufgabe ist, da die Reifen auf den kurzen Geraden der Strecke nicht viel Zeit zum Atmen haben.
Bilder: Pirelli