Die letzten Startpositionen für das Daytona 500 2025 sind vergeben – JR Motorsport startet auf anhieb beim Great American Race
Text von: Erik Resch & André Wiegold / Leadlap.de
Liebe NASCAR-Fans,
was für eine lange NASCAR-Nacht! Gegen 4:10 Uhr verabschiedeten sich Pete Fink und André Wiegold, der neben mir, Erik Resch, an diesen Zeilen arbeitete, nach dem Spektakel von den Mikrofonen. Was zunächst chaotisch aussah, endete in einem spannenden Finale voller Emotionen. Die Rede ist von den Duels, den Qualifikationsrennen der NASCAR Cup Series für das Daytona 500 2025.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurden die finalen Startpositionen für das “Great America Race” ausgefahren. Wer vorher nicht mindestens einen Liter Energy-Drink oder Kaffee getrunken oder ein kleines Nickerchen eingelegt hatte, musste zum Ende des zweiten Rennens sicher gegen den Schlaf kämpfen.
Doch in einem Moment waren sicher alle hellwach: die letzten Runden des ersten Duels. Was war das für ein Rennen! Doch worum ging es eigentlich? Zwei Startplätze im Great American Race, die unter sieben Autos ausgefahren werden mussten. Im ersten Duel machten es die 40 von Justin Allgaier, Martin Truex Jr., Helio Castroneves – den wir an dieser Stelle wegen seiner sicheren Teilnahme am Rennen ausklammern müssen – und JJ Yeley unter sich aus.
Das Aus des ersten Open-Teams
Nach einem heftigen Gewitter über Daytona, das für Unruhe sorgte, ob der Zeitplan eingehalten werden konnte, begann das erste Duel, jedoch etwas holprig: Hier technische Probleme bei Ross Chastain, Chris Buescher und Chase Elliott noch vor der grünen Flagge, dort ein Reifenplatzer bei Zane Smith in der Anfangsphase des Rennens.
Brenzlig wurde es erstmals in Runde 14, als Chandler Smith mit der 66 auf Platz drei liegend einen Little-Big-One auslöste und Helio Castroneves in einer Folgekollision mit ins Verderben riss. Ab diesem Moment war klar: Castroneves kommt über Ausnahmeregel ins Daytona 500, und wir haben 41 Autos im Feld.
Alle Augen auf JR Motorsports
Nun richtete sich der Blick auf die letzten drei verbleibenden Open-Teams: Yeley, Truex Jr. und Allgaier für JR Motorsports. Yeley schien angeschlagen, da er ebenfalls in die Kollision verwickelt war. Es sah so aus, als würde der 48 Jahre alte Fahrer der 44 keine Rolle mehr spielen, da er kaum am Pack dranbleiben konnte. Der Startplatz schien sicher für JR Motorsports.
Doch ab der Rennmitte kam ein richtiger Rennfluss auf. Wir sahen Two-Wide-Racing, und Yeley blieb wie durch ein Wunder konkurrenzfähig. Zwischenzeitlich lag er sogar vor Truex Jr. und Allgaier – das hätte ihm das Ticket für das Daytona 500 gesichert.
Traumeinzug von JR Motorsports in Gefahr
Mit noch zwölf zu fahrenden Runden, um 2:30 Uhr deutscher Zeit, wurde es nochmal richtig spannend. Jetzt schlief garantiert kein NASCAR-Fan mehr auf der Couch ein. Allgaier und Yeley lagen gleichauf. War der Traumstart von JR Motorsports doch noch in Gefahr?
Allgaier musste reagieren, denn ihm gingen die Runden aus. Zu diesem Zeitpunkt war Yeley qualifiziert. Sieben Runden vor Schluss lag er noch immer vor Allgaier und Truex. Doch dann gab es noch einmal einen unglaubliches Schlusssprint zur Checkered-Flag.
Die Entscheidung mit großen Emotionen
Drei Runden vor dem Ende machte Allgaier die dritte Linie auf. Es war ein nervenaufreibendes Hin und Her. In der letzten Runde kam es zur Schrecksekunde: Ty Dillon mit der Zehn wurde auf der Backstretch beinahe in der Mauer geschubst. Allgaier musste lupfen, die Außenbahn verlor Schwung, und Yeley kam auf der Innenbahn näher. Nur noch eine Wagenlänge trennte die beiden.
Doch Yeley kam nicht mehr vorbei – JR Motorsports ist im Daytona 500! Emotionale Szenen: Dale Earnhardt Jr. umarmte seine Schwester Kelly auf dem Kommandostand. Als langjähriger Most-Popular-Driver in der NASCAR freuten sich hier sicher viele Fans mit ihm.
Earnhardt Jr. wischte sich Tränen aus dem Gesicht, als er beim Post-Race-Interview mit Allgaier ins Bild sprang und ihn umarmte. Er hatte es geschafft, ein Auto der Earnhardt-Familie ins Great American Race zu bringen.
In der Pressekonferenz versuchte Jr., seine Gedanken zu ordnen: „Es ist schwer, hier zu sitzen und alles in Worte zu fassen, das ist wahrscheinlich die schwierigste Frage, die ich je beantworten musste. Aber wir wollten so sehr in der Cup-Series fahren. Ich habe mein Bestes gegeben, aber es ist eine dieser Sachen, bei denen man sagt: ‚Wenn es so sein soll, dann soll es so sein, und wenn nicht, dann nicht.‘
“Ich war gestern so enttäuscht, und mir wurde zum ersten Mal klar, wie sehr ich diesen Startplatz wollte. Es war so schwierig für mich zu akzeptieren, dass acht Tausendstel fehlten”, so der Daytona-500-Sieger von 2004 und 2014 den Tränen nahe. “Es war emotional hart, aber verdammt, es macht Spaß, wenn am Ende alles klappt.”
Auch Allgaier zeigt sich bewegt: „Die vergangene Nacht war wahrscheinlich emotional eine der anstrengendsten Qualifikationsversuche überhaupt, weil ich wusste, wie wichtig das Qualifying war und wie viel einfacher das Rennen heute Abend wird. Ich weiß nicht, ob es Worte gibt, um es zu beschreiben.”
“Dale hat es schon gesagt, aber ich weiß nicht, warum es sich anders anfühlt, warum es emotionaler ist, warum es mehr Druck und Stress bedeutet. Ich denke, ich will Dale, Kelly und die Fans nicht enttäuschen oder im Stich lassen.“
Duel 2: Ruhiger Rennverlauf mit verwirrendem Ende
Das zweite Duel verlief deutlich ruhiger und jeder konnte erstmal seinen Puls etwas runterfahren. Die ersten Boxenstopps fanden in Runde 44 statt, als Chevrolet und Toyota gleichzeitig die Boxengasse ansteuerten. Eine Runde später folgten die Ford-Teams.
Kurz nach den Stopps kam es zu einem Unfall, in den die Autos mit den Startnummern 6, 99 und 48 verwickelt waren. Corey LaJoie hingegen sicherte sich problemlos seinen Startplatz für das Daytona 500.
Doch das Chaos kam am Ende: Ein später Crash sorgte für Verwirrung. Die TV-Bilder zeigten Erik Jones als Sieger, er stand bereits an der Ziellinie, um seinen Sieg zu feiern. Doch eine nachträgliche Auswertung ergab: Zum Zeitpunkt der Gelbphase lag Austin Cindric vorne. Der Penske-Pilot bekam den Sieg per Videobeweis zugesprochen.
Cindric nahm es gelassen: „Cool, ich fühle mich schlecht für Erik, dass er den ganzen Weg zur Start-Ziellinie fahren musste.“ Neben ihm lachte Joey Logano, der seinem Teamkollegen gratulierte. Zuvor waren die beiden Penske-Piloten in einer Diskussion zu sehen, Logano schien Cindric zu erklären, was er in der Zusammenarbeit auf dem Superspeedway besser machen könnte, so sah es zumindest aus.
Damit endete eine lange NASCAR-Nacht. Kurz nach vier Uhr deutscher Zeit wurde der Satellit abgeschaltet – Daytona hat mit diesen beiden Rennen wieder genau das geliefert, wofür es bekannt ist: Drama, Emotionen, Spannung, aber auch ein bisschen Chaos und Verwirrung – es war der perfekte Vorgeschmack und nun ist alles bereit für das große Highlight am Sonntag: das Daytona 500.
Wir freuen uns auf Sonntag!
Erik Resch und André Wiegold
Foto: NASCAR Media / Jared C. Tilton/Getty Images