Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse GP von Saudi-Arabien – Piastri dominant, Hamilton hilflos

Formel Eins: Analyse GP von Saudi-Arabien – Piastri dominant, Hamilton hilflos

von DonDahlmann
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Das Wochenende könnte eine erste entscheidende Wende in der WM gebracht haben. Die Krise von Lewis Hamilton verstärkt sich.

Eine der meistunterschätzten Talente eines erfolgreichen F1-Fahrers ist die mentale Stärke. Speed ist wichtig, aber die mentale Stärke entscheidet am Ende darüber, ob jemand Weltmeister werden kann, oder nicht. Aus der näheren Vergangenheit gibt es einige Beispiele. Häkkinen vs. Schumacher, Vettel vs. Webber, Rosberg vs. Hamilton und Verstappen vs. Hamilton. Dieses Jahr scheinen wir eine Neuauflage eines solchen Duells zu sehen, aber nun gibt es einen Dreikampf: Piastri vs. Norris vs. Verstappen. Und wenn ich Geld wetten würde – mein Einsatz würde auf Piastri landen.

Das Rennen in Saudi-Arabien war ein Paradebeispiel für das, was uns in diesem Jahr erwartet. Ein sehr schneller Norris, der Fehler macht, ein Verstappen, der trotz seiner üblich harten Fahrweise sich nicht durchsetzen kann und Piastri, der im Cockpit selbst unter Druck so ruhig bleibt, als würde er einen geruhsamen Sonntagnachmittagsausflug ins Grüne machen. Der Australier dürfte die nächsten drei Wochen mit der Erkenntnis verbringen können, dass seine beiden Konkurrenten in der WM am Wochenende Nerven gezeigt haben.

Der wichtigste Konkurrenz ist immer der eigene Teamkollege. Lando Norris kann auf eine Runde schneller sein als Piastri. Er hat das immer wieder unter Beweis gestellt. Doch leider macht Norris dabei auch mehr Fehler. Der Unfall in Q3 in Jeddah war ein typisches Beispiel dafür. Eine kleine Unachtsamkeit beim Einlenken, ein wenig zu früh am Gas und der McLaren landete in der Wand. Der mental eh schon angeschlagene Norris dürfte nach diesem Wochenende einiges zu überdenken haben. Denn der Unfall war eine Sache, die Tatsache, dass er in einer engen WM nun 10 Punkte hinter Piastri liegt, eine andere.

Denn McLaren wird sich in diesem Jahr sehr früh überlegen müssen, auf wen sich das Team konzentrieren wird. Verstappen liegt 12 Punkte hinter Piastri, Russell, den man nicht unterschätzen sollte, fehlen 26 Punkte. Man wird sich nicht viele Rennen erlauben können, in dem sich Norris und Piastri gegenseitig die Punkte klauen, und schon gar nicht will man ein Jahr, in dem die Rivalität zweier Teamkollegen am Ende die WM kostet und sich ein dritter Pilot freut. Das alles wird Norris bewusst sein und es wird sein Leben nicht leichter machen.

Was Norris dringend benötigen würde, wäre ein erfahrener Ratgeber, ein ehemaliger Spitzenpilot, der sich mit den mentalen Problemen auskennt. Piastri hat diesen in Form seines Managers, Mark Webber. Der kennt alle Tricks und aus eigener Erfahrung auch die Probleme, die sich ergeben, wenn man mental zu sehr mit sich hadert. Seine Auseinandersetzung mit Sebastian Vettel hat ihm einiges gelehrt. Norris fehlt an Rennwochenenden diese Beratung. Angeblich soll ausgerechnet Vettel den angeschlagenen Briten hier und da Rat geben. Aber vermutlich wäre Lando besser dran, wenn er jemanden hätte, der über ein Rennwochenende dabei wäre.

Aber interessant war auch, wie angefressen Max Verstappen am Wochenende war. Seine grandiose Pole-Runde (9 Zehntel schneller als Tsunoda), 0,001 Sekunden vor Piastri, war, mal wieder, ein Beweis dafür, wie gut der Niederländer ist. Zwar war der Red Bull in Jeddah besser, als man es erwartet hatte, aber ganz auf dem Niveau von McLaren ist der Red Bull weiterhin nicht. Die Frage, ob Red Bull im Rennen das bessere Auto haben würde, stellte sich schnell. Denn die Gefahr bestand, dass McLaren mittels eines Undercut Piastri an die Spitze bringen würde.

Doch die Frage war nach der ersten Kurve des Rennens schon beendet. Piastri hatte den besseren Start, dominierte die Innenlinie und im Gegensatz zu vielen anderen Fahrern, ließ er sich nicht von Verstappen irritieren, der versuchte außen vorbeizukommen. Beide lagen gleichauf, aber Verstappen versuchte es wie üblich mit der Brechstange. Piastri nutzte die volle Breite der Strecke, Verstappen kürzte die Schikane ab und setzte sich an die Spitze. Ein Manöver, das die Rennleitung mit einer 5-Sekunden-Strafe belegte.

Nach dem Rennen war die Stimmung bei Red Bull schlecht. Man fühlte sich betrogen und Christian Horner entblödete sich nicht nach dem Rennen mittels eines Maßbands und ein paar Fotos zu zeigen, dass Verstappen am Scheitelpunkt ein paar Zentimeter vor Piastri gelegen habe. Logischerweise war das der Fall, denn Verstappen war von der Bremse gegangen und hätte die Kurve mit seinem Eingangsspeed nicht geschafft. Im Grunde machte Piastri nichts anderes, was Verstappen sonst in dieser Position macht: Er ließ seinen Gegner außen verhungern. Was weder Verstappen noch Red Bull einsehen wollen.

Die Verärgerung von Red Bull war interessant. Die WM hat noch ein paar Rennen in petto und die 12 Punkte sind jetzt nicht Welt. Man hätte auch sagen können „Blöde Rennleitung, aber wir wissen jetzt, wie die Lage ist.“ Stattdessen eskalierte man vor der Presse und versuchte sich in die Rolle des ungerechtfertigt bestraften Underdogs zu begeben. Eine Rolle, die nun wirklich niemand Red Bull abnimmt.

Die Nervosität scheint auch darauf zu beruhen, dass Verstappen und Red Bull mit ihren üblichen Tricks Oscar Piastri nicht aus der Ruhe bringen können. Gleichzeitig zeigt Piastri die gleiche Härte im Rennen, die Verstappen sonst auszeichnet. Während man weiß, wie man Lando Norris verunsichern kann, steht man bei Piastri scheinbar vor der Frage, wie man den offenbar in sich ruhenden Australier außer Fassung bringen kann. Und der hat ja, wie erwähnt, in Mark Webber einen Manager und Berater, der Red Bull und alle handelnden Personen sehr gut kennt.

McLaren wollte sich aber nicht allein auf die Strafe gegen Verstappen verlassen und holte Piastri schon in Runde 20 die Box. Der anvisierte Undercut brachte Piastri zusätzlich noch einmal rund anderthalb Sekunden. Verstappen kam in Runde 22 und lag nach seinem Stopp etwas mehr als fünf Sekunden hinter dem McLaren. Ohne die Strafe wäre es sicher sehr eng geworden. Das Rennen konnte Piastri dann von vorn bequem zu Ende fahren, auch wenn Verstappen selten mehr als fünf Sekunden hinter ihm lag.

P3 ging an Charles Leclerc, der mehr aus dem Ferrari herausholen konnte, als drinsteckte. Die Italiener hatten sich für eine leicht verschobene Strategie entschieden. Man nutzte die Medium bis Runde 24 (Hamilton) und Runde 30 (Leclerc). Der späte Stopp von Leclerc brachte diesen in eine sehr gute Position hinter George Russell, der bis zu diesem Zeitpunkt auf P3 lag. Gegen Ende des Rennens war der Offset zwischen Russell und Leclerc aber groß genug. Die Reifen des Ferrari waren neun Runden frischer und Mercedes zeigte in Jeddah eine leichte Schwäche, wenn es um den Reifenverschleiß ging. Der Ferrari war in der Quali zwar schwächer, aber im Rennen etwas besser als der Mercedes. Was auch zeigt, wie eng es zwischen beiden Teams hergeht.

Während sich Ferrari über das erste Podium in einem Hauptrennen dieses Jahres freuen konnte, zeigte sich Lewis Hamilton hilflos. Über das gesamte Wochenende fehlten ihm rund 0,5 Sekunden auf seinen Teamkollegen. Dabei verlor der Brite die meiste Zeit im ersten Sektor, also dort, wo eine Reihe von etwas engeren Hochgeschwindigkeitskurven viel Vertrauen ins Auto verlangen. Und das fehlt ihm weiter.

Die Probleme von Hamilton mit den Ground-Effect Autos sind nicht neu. Sie drehen sich immer um den Punkt, dass er nicht genug Vertrauen in das Heck des Autos hat. Seit 2022 beschwert sich über verschiedene Kleinigkeiten. Die Sitzposition, die Reifen, das Einlenkverhalten und die Unruhe des Autos vor allem vor dem Scheitelpunkt. Schien er in China die Probleme in den Griff bekommen zu haben, war das in allen Rennen danach nicht der Fall. Die 0,5 Sekunden Abstand in der Quali waren zu viel, dass Leclerc ihm im Rennen 30 Sekunden aufbrummte, war schon ein kleiner Schock. Denn normalerweise läuft es für Hamilton im Rennen immer etwas besser.

Doch in Jeddah ging gar nichts zusammen. Er startete von P7, er beendete das Rennen auf P7. Vier Sekunden hinter Antonelli, nur 1,8 Sekunden vor Carlos Sainz im deutlich schlechteren Williams. Der Vergleich mit Sainz ist besonders interessant. Der Spanier hatte seine Probleme mit dem neuen Auto zu Beginn des Jahres, was zu erwarten war. Aber er konnte seine Umstellung nach fünf Rennen erfolgreich umsetzen. In Jeddah war Sainz zum ersten Mal über das gesamte Wochenende ein Stück besser unterwegs als der sicherlich nicht langsame Alex Albon.

Von einem so erfahrenen Piloten wie Lewis Hamilton, der seit 2007 mindestens vier verschiedene Varianten eines F1-Chassis gefahren ist, sollte man erwarten können, dass er auch um die Probleme, die man mit einer Fahrzeuggeneration haben kann, herumfahren kann. Dass so jemand die eigenen Limits ansprechen und ändern kann. Und dass er innerhalb einer gewissen Zeit zumindest knapp an seinem Teamkollegen dran ist. Und genau das ist bei Hamilton nicht der Fall. Zumindest noch nicht.

Dass man den Briten nach nur fünf Rennen schon mehr oder weniger abschreibt, finde ich allerdings dann auch etwas zu früh. Mein Zeitrahmen war immer der Sommer, also bis Ende Juni. Bis dahin würde ich erwarten, dass Hamilton ungefähr da ist, wo Sainz am Ende war. Im Schnitt weniger als ein Zehntel hinter Leclerc in der Quali. Ich denke weiterhin, dass der siebenfache Weltmeister im Rennen, auch dank seiner Erfahrung, nicht schlechter als Leclerc ist. Die Frage wird sein, ob es Ferrari gelingt, den Briten dahin zu bringen.

Auch bei Mercedes sind die Fortschritte von Antonelli bisher kleiner, als manch einer erwartet hatte. Der hat aber keinen schlechten Einstand in seiner ersten Saison, denn immerhin gelingt es ihm regelmäßig in die Punkte zu kommen. Aber der Abstand auf einer Runde zu Russell ist doch etwas größer, als ich dachte. Meist sind es ungefähr vier Zehntel, die sich auch im Rennen wiederfinden. Für einen Rookie ist das insgesamt natürlich nicht schlecht, und Antonelli zeigt im Rennen immer mal wieder brillante Momente. Aber so richtig gezündet hat er bis jetzt nicht und vor allem der Abstand in der Quali zu Russell ist überraschend. Kein Wunder, dass es schon die ersten Gerüchte gibt, dass der Italiener bei einem möglichen Wechsel von Verstappen zu Mercedes zu Alpine abgeschoben werden könnte. (Halte ich für Quatsch)

Williams konnte in Jeddah beide Autos in die Punkte bringen und sich auf P5 der WM schieben. Das dürfte dem internen Ziel der Briten entsprechen, und in Jeddah sah man auch gut aus. Das einzige Team, das Williams unter Druck setzte, waren die Racing Bulls, wo Isaac Hadjar erneut ein hervorragendes Rennen zeigte und auf P10 kam. Er hing das halbe Rennen Albon im Genick, der sich nur deswegen zur Wehr setzen konnte, weil Sainz ihm DRS gab. Es war ein wenig bedauerlich, dass man Sainz darum bitten musste, sein Tempo so weit zu reduzieren, dass Albon aufschließen konnte. Vielleicht hätte Sainz eine Chance gehabt, Lewis Hamilton den siebten Platz abzunehmen.

Der Rest des Feldes hatte mit den Punkten nichts zu tun. Weder Haas, noch Alpine, Aston und schon gar nicht Sauber hatten eine Chance auf vordere Plätze. Alonso war noch der auffälligste Fahrer im Mittelfeld, da er aus dem schlechten Aston noch das Beste herausholen konnte. P11 erreichte er aber nur, weil Liam Lawson eine 10-Sekunde-Strafe einsammelte. Bei Alpine war es wieder einmal Gasly, der überzeugte, aber im Rennen schon in der ersten Runde nach einer Kollision mit Tsunoda raus war.

Es folgen nun zwei Wochen Pause, bevor es am 04.05. in Miami weitergeht. In den letzten beiden Jahren zeigten die Teams in Miami die ersten großen Updates und Umbauten am Auto und das wird auch in diesem Jahr der Fall sein. Das könnte dann dass Bild an der Spitze wieder etwas verschieben. Red Bull und McLaren haben sich bisher in Sachen Updates zurückgehalten. Und da es in diesem Jahr sehr nach einem engen Zweikampf zwischen den beiden aussieht, sind vermutlich alle sehr gespannt. Nur Oscar Piastri nicht, der bleibt gelassen.

Bilder: Pirelli

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