Die NASCAR startet am Sonntag wieder mal ihre bekannte, recht beliebte und äußerst spektakuläre vierteljährliche Lotterie mit der Gewinnchance von 1 zu 43. Im April geht es dazu traditionell nach Talladega auf den 2,66 Meilen langen gleichnamigen Superspeedway.
Irgendwie kommt es mir vor, als wäre das Daytona 500 gerade erst vor ein oder zwei Wochen gewesen. Doch viel ist seitdem passiert, die Karten wurden neu gemischt und die Würfel sind nach sieben Saisonrennen das erste Mal so richtig gefallen. Schaut man in die Meisterschaftstabelle, so erscheint sie einem mittlerweile relativ sortiert. In den Top12 tauchen nur noch wenige Überraschungen auf und auch weiter hinten findet man nur noch wenige Fahrer, die 2011 bisher mal so gar nichts gerissen haben. Höchste Zeit also, den Laden mal wieder gehörig durcheinander zu schütteln und zum Talladega Superspeedway zu fahren. Wie Daytona und auch weitere Saisonrennen schon gezeigt haben, ist der Sprint Cup dabei in diesem Jahr besonders konkurrenzfähig, was eine geordnete Vorhersage natürlich noch viel schwieriger macht.
Diese gesteigerte Konkurrenzfähigkeit äußerte sich vor allem in den 2011 reihenweise gebrochenen Rekorden für allerlei Renngeschehen. Ob es nun die fast überall niedergerungenen Bestmarken für Führungswechsel oder die meisten unterschiedlichen Sieger seit ein paar Jahren waren, bleibt einem da fast unbenommen. Hier habe ich mal eine kleine Übersicht diesbezüglich vorbereitet:
Es gab in den ersten sieben Saisonrennen:
– durchschnittlich 13 unterschiedliche Führende pro Rennen, was der beste Schnitt der gesamten NASCAR-Geschichte ist,
– durchschnittlich 31,4 Führungswechsel pro Rennen, was ebenfalls der beste Schnitt der gesamten NASCAR-Geschichte ist,
– 6 unterschiedliche Sieger und das sind die meisten seit 2003,
– durchschnittlich 3,581 Überholmanöver unter grüner Flagge über die gesamte Strecke verteilt pro Rennen, was der beste Schnitt seit Einführung der Loop-Data-Messungen im Jahr 2005 ist (Eat this Formula 1!) und
– durchschnittlich 39 Führungswechsel unter grüner Flagge über die gesamte Strecke verteilt pro Rennen, was ebenfalls der beste Schnitt seit Einführung der Loop-Data-Messungen im Jahr 2005 ist.
Die letzte Zahl ist größer als die Nummer beim zweiten Spiegelstrich, weil bei der Loop-Data auch Überholmanöver zählen, die nicht beim Überqueren der Start/Ziel-Linie abgeschlossen waren. Es natürlich möglich, dass sich ein Fahrer in Turn 1 und 2 die Führung holt, nur um in Turn 3 und 4 wieder überrumpelt zu werden. Somit lag er zwar in Front, bekommt aber keinen Führungswechsel und keine Bonuspunkte gutgeschrieben.
Mit Sicherheit hat auch die Einführung der neuen Frontschürze eine nicht unerhebliche Rolle bei dieser Veränderung gespielt, indem sie die Abtriebswerte der Autos veränderte, ähnlich wie dies 2010 der Wechsel vom Heckflügel zum Spoiler tat. Allerdings ist diese Entwicklung ja nicht neu, denn der Rekord für die meisten Führungswechsel mit insgesamt 88 Stück stammt aus dem Talladega-Rennen des vergangenen Frühjahres. Abschließend kann man da also nur abwarten und bestimmt auch schon erwarten, dass die bisherigen Bestmarken in Talladega erneut purzeln werden, wenn die Two-Car-Drafts wieder Fahrt aufnehmen. Falls sie denn möglich sind…
Diese Frage wird sich am Wochenende ganz sicher klären und es gab da durchaus ganz unterschiedliche Prognosen. Im Gegensatz zu Daytona ist der Streckenbelag von Talladega einige Jahre älter, wenn auch nur knapp. Es kommt dann ganz einfach auf den seitlichen Bewegungsdrang und die Stabilität der Wagen an, ob das Ganze noch dort machbar ist, wo es ja ca. 2009 begonnen hatte. Insgeheim geht aber die gefühlte Mehrheit von der grundsätzlichen Machbarkeit der Two-Car-Trains aus und damit könnte Talladega natürlich eine extremere Lotterie werden als sonst üblich, bestätigt durch die oben genannten Gründe.
In Daytona haben wir schon gesehen, dass auf Restrictor-Plates mit dieser Methode jetzt so ziemlich jeder erfolgreich sein kann, solange er denn sein Lenkrad vernünftig gerade hält. Der beste Beweis war wohl das Keselowski-Duo, bei welchem der starke Dodge-Motor von Brad ausreichte, um seinen Bruder Brian im Gatorade Duel ins Daytona 500 zu fahren.
Zu dem Thema der Two-Car-Trains gehört momentan auch die – noch nicht endgültig geklärte – Gretchenfrage des Boxenfunks. In Daytona gingen die Teams dazu über, ihre Funkgeräte für die Kanäle weiterer Fahrer zu öffnen. Optimalerweise fand man in den zahlreichen Session zuvor einen Tango-Partner, mit dem man gut zusammenarbeiten konnte. Die Technik machte es dann möglich, dass zum einen die Fahrer gemeinsam kommunizieren konnten und zum anderen nur noch ein Spotter pro Draft gebraucht wurde. Einige Piloten sind mit dieser Regelung durchaus einverstanden und zufrieden, weil ihrer Meinung nach die Sicherheit beim sehr engen Draften erhöht würde. Andere Fahrer fühlen sich dagegen von der neuen Situation wohl noch überfordert und bleiben lieber bei der gewohnten Herangehensweise. Die NASCAR hat diesbezüglich übrigens noch keine offizielle Regelung vorgeschrieben, der gemischte Funk ist zurzeit also noch erlaubt.
Nun kommen wir zur allseits beliebten Rubrik „Sag den Sieger voraus!“, was sich gerade in diesem Rennen als äußerst schwierig herausstellen könnte. Natürlich muss man immer die üblichen Verdächtigen für einen Sieg auf einem Restrictor-Plate-Oval auf der Rechnung haben (namentlich z.B. Tony Stewart und Dale Earnhardt Jr.), doch die Statistik zeigt, dass auch andere eher unscheinbare Kandidaten auf Superspeedways ganz erfolgreich unterwegs sind. Und meistens sind es ja die scheinbaren Überraschungen, hinter denen vielleicht doch mathematische Gründe stecken. Vielleicht kriegen wir hier mal ein paar dieser Dark-Horses aussortiert, in der letzten Woche hatte ich mit Matt Kenseth ja schon ordentlich Erfolg.
Der erste Fahrer in der Meisterschaftswertung, der in dieses Raster fällt, ist Kurt Busch. Die Restrictor-Plate-Rennen sind laut gemittelter Endresultate seine Spezialität. Auf keinem anderen Streckentyp konnte Busch eine bessere durchschnittliche Leistung bringen. Platz 15,9 sieht hier deutlich besser aus, als Position 17,1 und 17,3 auf Shorttracks und Intermediate-Ovalen. Paul Menard schlägt ebenfalls in diese Kerbe, wenn auch nur knapp mit 23,2 (Superspeedways) zu 23,5 (Shorttracks), 24,4 (Rundkurse) und 24,5 (Intermediate-Ovale). In Daytona wurde er zu Saisonbeginn Neunter. Bei David Ragan fällt dieser Trend wirklich extrem deutlich auf, denn mit Platz 16,1 sind seine Superspeedway-Ergebnisse genau fünf Ränge besser als die Shorttrack-Resultate (Rang 21,1). Bei den Intermediate-Ovalen sind es sogar deren sechs (22,1)!
Brian Vickers liegen die Restrictor-Plate-Rennen gleichauf mit den 1,5-Meilern und das auch in vorderster Front (20,1) über alle Streckentypen gesehen. Dazu gesellt sich noch David Gilliland, der mit Platz 23,2 seine besten Platzierungen durchschnittlich auf Superspeedways eingefahren hat. An zweiter Stelle rangieren die Road-Courses mit Rang 26,3. Der letzte Fahrer dieser Kategorie ist Regan Smith dessen Verteilung 26,1 (SSWs) zu 26,5 (Inter) und 27,5 (Short) beträgt. Dazu kommt noch der ebenfalls beste Startplatz-Durchschnitt der Saison (6,5), welcher in Talladega aber unwichtig ist. Vielleicht kann er ja Rang 7 aus dem Daytona 500 wiederholen, auf den anderen Strecken konnte er leider nicht an die guten Leistungen aus dem Qualifying anknüpfen.
In Talladega gut aufgelegt waren 2010 auch Kevin Harvick (1/2), Clint Bowyer (7/1) und Juan Pablo Montoya (3/3), die mit den starken Motoren von Earnhardt-Childress Racing Technologies bei beiden Saisonrennen in die Top10 vorstoßen konnten. Bei Denny Hamlin (4/9), Joey Logano (9/3/36/5) und Brad Keselowski (1/8/34/10) bleibt durch die letztjährigen Resultate nur zu hoffen, dass der Knoten 2011 dann endlich mal platzt. Wenn also einer dieser Piloten am Sonntag weit vorne auftauchen sollte, nicht überrascht sein, die Zahlen geben ihnen Recht!
Ich sage damit natürlich nicht, dass Kaliber wie Carl Edwards, Kyle Busch oder Jimmie Johnson keine Chance auf einen Sieg am Sonntag besäßen. Diese unerwähnt gebliebenen Piloten waren auf den Superspeedways einfach nur nicht so konstant vorne mit dabei und bevorzugen eindeutig andere Streckentypen. Das heißt natürlich nicht, dass am Wochenende kein Erfolg möglich ist, denn immerhin gilt bei der Talladega-Lotterie die Quote 1 aus 43!
Zum Abschluss wie gewohnt noch die Links zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie ein Zeitplan für das Wochenende. Die Trucks legen eine Pause ein und treffen sich erst an Ostern gemeinsam mit der Nationwide Series in Nashville, während der Sprint Cup schon früh das zweite von insgesamt drei Off-Weekends einlöst und pausiert!
Ausstrahlungsdaten
Die Nationwide Series hat am gestrigen Donnerstag schon ihre beiden Practice-Sessions abgehalten, welche aber ohnehin nicht im TV übertragen wurden.
Freitag, 15.04.
18:00 Uhr, Nationwide Series Qualifying, ESPN2
20:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
21:30 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, SPEED
Samstag, 16.04.
17:30 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED
21:00 Uhr, Nationwide Series Rennen (Aaron’s 312), ESPN2
Sonntag, 17.04.
19:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Aaron’s 499), FOX
2 Kommentare
Herrliche und sehr amüsant zu lesende Vorschau. Klasse.
Muss mich Flo anschließen, toller Artikel.
Ich würde es ja Junior auch mal wünschen, aber auch Denny Hamlin. Naja wir werden es sehen. :)
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