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IndyCar: Sport und Show in Texas

von Vorsicht
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Licht und Schatten in der IndyCar Series: Die Twin-Läufe in Fort Worth lieferten spannenden Motorsport ohne schwere Crashes. Teils heftige Kritik am neuen Rennformat gab es trotzdem.

Im Grunde müsste man an IndyCar Veranstaltungen in Texas gar nichts ändern: Sobald die grüne Flagge fällt sind die Autos mit massiven Geschwindigkeiten im Zentimeterabstand nebeneinander unterwegs – und das geht oft das ganze Rennen lang so. Freilich: Das ist ziemlich gefährlich – so mancher Fan schaltet das TV-Gerät nur mit Magengrimmen ein. Wer aber das Risiko akzeptiert, der bekommt auf dem Oval in Fort Worth spannenden Motorsport geboten. Die INDYCAR wollte trotzdem experimentieren: Für 2011 wurde ausgerechnet dieses Rennen ausgewählt, um den wiederbelebten Double-Header Rennmodus testen. Statt einem einzigen Rennen mit 228 Runden gab es also deren zwei über je 114 Umläufe. So weit, so gut. Problematisch: Die Startreihenfolge wurde in der Pause verlost. Dabei wirkte nicht nur die Show ziemlich ungelenk. Auch die Idee an sich hat sich nicht nur Freunde gemacht. Und selbst Serienchef Randy Bernard übte Kritik.

Ein Rennsieg und eine tolle Fahrt von Ende das Feldes auf Platz sieben. Dario Franchittis Bilanz des Laufes in Fort Worth könnte eigentlich sehr positiv ausfallen. Und trotzdem war der Schotte bei der Pressekonferenz nach dem Rennen uncharakteristisch gereizt. Grund: Der amtierende Meister kam sich ungerecht behandelt vor. Denn während er selbst in der Halbzeit nur einen Startplatz am Ende des Feldes gezogen hatte, startete Meisterschaftskonkurrent Will Power von Rang drei. Zu allem Überfluss gewann der Australier das Rennen dann auch noch – und konnte völlig unerwartet seinen Meisterschaftsvorteil gegenüber Franchitti auf dem zweiten Oval der Saison weiter ausbauen.

Franchittis Argumente sind dabei nicht völlig von der Hand zu weisen: Immerhin geht es um wertvolle Punkte in der Meisterschaft – ein vollständiger Reverse Grid hätte zumindest dafür gesorgt, dass beide Favoriten, Franchitti und Power, das Feld von hinten aufrollen müssten. Durch die Verlosung stand Power plötzlich ganz vorne. Und Franchitti hatte wegen eines Faktors, der völlig außerhalb seiner Kontrolle lag, wertvolle Positionen verloren. Der Schotte hätte in Texas ganz klar den Speed gehabt, den Meisterschaftsabstand auf den sonst etwas Oval-schwachen Power zu verkürzen – stattdessen hat sich die Differenz nun aber auf 21 Punkte vergrößert.

Die ganze Kritik soll aber nicht über ein einfaches Faktum hinwegtäuschen: Die Rennen selbst waren wieder mal ziemlich eng – wenn auch vielleicht nicht ganz so spannend wie gewohnt. Und die beiden großen Teams sind auf den Ovalen immer noch schwer zu schlagen. Auch, wenn einige der Verfolger diesmal etwas näher dran waren. Auch die Rennlänge war gut gewählt – jeder Fahrer brauchte zwei Boxenstopps, um durchfahren zu können, Sprit-Spielchen waren diesmal nicht möglich.

Lauf eins ging noch an die Truppe von Chip Ganassi. Dario Franchitti hole sich gleich am Start die Führung von Pole-Mann Alex Tagliani, dahinter fuhr Teamkollege Scott Dixon den zweiten Platz ein. Auf den Rängen drei und vier konnten Will Power und der diesmal auch im Rennen starke Tagliani recht gut mithalten, ein Griff nach der Führung war für die beiden aber nicht drin. Immerhin hatten sie aber ausreichend Pace, um sich für einen Großteil des Rennens vor der Kampfgruppe um Rang fünf bis zehn zu halten, die kaum eine Runde ohne Positionswechsel verbrachte. Am Ende brachte Takuma Sato, der in der Anfangsphase sogar noch etwas weiter vorne mithalten konnte, seinen KV-Wagen auf Rang fünf ins Ziel. Es folgten Ryan Briscoe, der diesmal unfallfreie EJ Viso, Vitor Meira, Graham Rahal und Helio Castroneves. Die einzige Caution des gesamten Abends verursachten 21 Runden vor Schluss Rookie Wade Cunningham (im Indy 500 Siegerwagen von Dan Wheldon) und Charlie Kimball, die miteinander kollidierten und gemeinsam in der Mauer landeten.

In der Pause folgte dann die Ziehung der Startplätze für den zweiten Lauf: Fast eine Stunde lang betrat ein Fahrer nach dem anderen eine im Stil von „Der Preis ist heiß“ gehaltene Bühne. Dort stellte ein etwas überforderter Moderator (Kevin Lee) ihnen eher uninspirierte Fragen, und forderte sie dann dazu auf, einen von 30 Plastikreifen auszuwählen, auf deren Rückseite dann die Startpositionen für Lauf zwei zu lesen waren.

Den Zuschauern vor Ort scheint die Show gefallen zu haben, vor dem Fernseher wirkte das ganze etwas ungelenk und künstlich in die Länge gezogen.

Und ob es nun an der späten Stunde oder am ungewöhlichen Format gelegen haben mag: Rennen Nummer zwei war dann trotz spannender Positionskämpfe nicht mehr ganz so mitreißend wie der erste Lauf. Vielleicht auch deswegen, weil an der Sitze doch wieder nur die Favoriten herumfuhren: Will Power, hinter Tony Kanaan und Wade Cunningham von der dritten Position gestartet, holte sich schon vor Mittes des Rennens die Führung von Kanaan, und gab sie auch bis zum Ende des Rennens nicht mehr ab. Dahinter holte sich der von 18 gestartete Scott Dixon den zweiten Rang, vor Briscoe und Castroneves, die das gute Gesamtergebnis für Penske komplettierten. Tony Kanaan landete am Ende auf Rang fünf. Sechster wurde Marco Andretti als bester Pilot von Andretti Autosport. Dario Franchitti landete, wie oben erwähnt, auf Rang sieben. Danica Patrick, Ryan Hunter-Reay und der abermals erstaunliche EJ Viso rundeten die Top 10 ab.

In der Meisterschaft führt nun weiter Will Power (239 Punkte), etwa einen halben Rennsieg von Dario Franchitti (218). Mit bereits deutlichem Abstand folgen Scott Dixon (169), Oriol Servia (163) und Tony Kanaan (159). An der Spitze der Oval-Trophy steht nach zwei Rennen Scott Dixon (85) vor Power (71), Franchitti (64), Kanaan (60) und Dan Wheldon, dessen Indy 500-Ergebnis mit 59 Punkten zu Buche schlägt.

Bleibt die Frage, ob das Twin-Race Konzept nun am Ende erfolgreich war. Und die ist wohl – zumindest was die Ausführung in Texas betrifft – negativ zu beantworten. Keines der beiden Rennen war letztlich spannender, als es ein langer Lauf in Texas gewesen wäre. Der „doppelte“ Thrill von zwei Zieleinläufen wurde durch das Gefühl aufgehoben, dass es dabei letztlich um weniger ging. Auch die gewünschte Durchmischung des Feldes für den zweiten Lauf brachte nur wenig mehr an Spannung. Und die mehr als einstündige Pause in der Halbzeit verlockte eher zum Aus- oder zumindest Umschalten des TV-Gerätes, als zu zusätzlichem Nagelkauen. Ganz zu schweigen vom oben angesprochenen Fairness-Problem.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass wir ein Twin-Rennen in dieser Form so schnell wieder sehen. Denn nicht nur Dario Franchitti übte nach dem Rennen heftige Kritik. Auch IndyCar CEO Randy Bernard, der „Erfinder“ des Rennformats zeigte sich wenig beeindruckt. Er befürchtet nun, dass die Glaubwürdigkeit der Serie darunter leiden könnte. Immerhin: Die Einschaltquoten auf Versus sind gegenüber den vergangenen Jahr um 12 Prozent angestiegen. Ein Overnight-Rating von 0.38 kann trotzdem nicht das sein, was man sich bei der IndyCar erhofft.

Fazit: Den Versuch war es wert – die IndyCar hat in ihrer aktuellen Position nur wenig zu verlieren. Und grade in der laufenden „Übergangssaison“ darf man durchaus mal ein wenig experimentieren. Das Format hat sich aber nicht bewährt. Da sich die Führungsetage der IndyCar Series dieser ehrlichen Einschätzung aber nicht verschließt, und durchaus bereit ist, das eigene Produkt selbstkritisch zu analysieren, ist zumindest Hoffnung angebracht.

Vorschau: Milwaukee 225

Schon am kommenden Sonntag steht dann Kontrastprogramm zum Rennen in Texas auf dem Plan. Präzies Fahren statt High Speed; Statt enger Postionskämpfe eher ein taktisches Rennen; Und statt dem relativ neu erbauten und etwas retortenhaften Oval in Texas hat die 1903 eröffnete Milwaukee Mile jede Menge Tradition zu bieten – handelt es sich doch um den ältesten noch aktiven Speedway der Welt. Seit 1956 war die USAC hier unterwegs, ab 1980 dann die CART und ChampCar (die hier 2006 übrigens das allerletzte Ovalrennen ihrer Geschichte fuhr). Ab 2004 war auch die IndyCar Series jährlich auf dem Oval zu Gast – nur im vergangenen Jahr musste man eine Pause einlegen, weil sich nach der Pleite des Promotors so schnell kein Ersatz finden konnte.

In diesem Jahr fungiert die INDYCAR nun selbst als Veranstalter des Rennens – leere Tribünen würden ihr diesmal also nicht nur indirekt schaden, sondern auch sonst ein Loch in die eigene Kasse reißen. Der wirtschaftliche Erfolg dieses Laufes wird also auch darüber entscheiden, ob die IndyCar in kommenden Jahren wieder auf dem klassischen Oval unterwegs sein wird.

Zu den Favoriten möchte ich mich nun nicht zu ausführlich äußern, zumal wohl auch in Milwaukee grundsätzlich mit den selben Piloten und Teams zu rechen ist: jenen von Penske und Ganassi. Allerdings kommt es auf dem langsamen und technischen Kurs in auf mehr an, als nur auf technische Perfektion. Daher sind dort auch immer wieder einmal Überraschungen möglich.

Zum Schluss noch eine unschöne Nachricht: Der Lauf am Wochenende wird wieder von ABC (So, 21:30 Uhr) übertragen. Es ist also ratsam, sich für die Werbepausen ein Bingo-Spiel oder eine schöne Zeitung zurecht zu legen – und für die Übertragung selbst eine „Danica“, „Kimball-Diabetes“ und vermutlich auch „JR Hildebrand“-Strichliste. Was Kommentatoren und technischen Aufwand betrifft, ist wohl nicht mit dem Niveau zu rechnen, das man von Versus gewöhnt ist. Nut schlechte Seiten hat die Sache aber auch nicht: Dürfen doch Teams und Sponsoren diesmal wieder mit mehr TV-Zuschauern rechnen. Allerdings weiterhin nicht aus dem deutschen Sprachraum, wo sich Fans auch am kommenden Sonntag wieder in den Weiten des Internet auf die Suche nach einem Stream machen müssen.

Gabriele Mini (Bild: Alpine)
Brando Badoer (Bild: McLaren F1)
Victor Martins (FRA) ART Grand Prix. 27.07.2024. Formula 2 Championship, Rd 10, Sprint Race, Spa-Francorchamps, Belgium, Saturday.

Fotos: INDYCAR

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