Nach fast drei Monaten Pause startet die American Le Mans Series am Samstag (!) in ihre Serie von Sommer-Sprintrennen im Norden des Kontinents. Als erstes ist Lime Rock Park an der Reihe.
Der kleine Kurs in der nordwestlichen Ecke Connecticuts wurde 2008 umgebaut, ist aber immer noch einzigartig – einerseits durch die Länge von nur knapp zweieinhalb Kilometern, zum Anderen gibt es keine einzige Tribüne, die zahlreichen Zuschauer sitzen auf den Grashängen im Inneren der Strecke, tatsächlich ist die Strecke sehr wichtig für die ALMS, da sie den Markt im Nordosten abdeckt (dieses Jahr kommt noch Baltimore hinzu). Fahrerisch ist die Strecke durch den letzten Umbau etwas „gewöhnlicher“ geworden, denn die zwei neuen Schikanen entschärfen zwar gefährliche Streckenabschnitte, doch zerstören sie auch den Fluss. Aber: in diesem Jahr wird die ALMS an der „West Bend“ wieder die zügigere traditionelle Streckenführung anstelle der hakeligen Rechts-Links-Schikane nutzen – damit wird auch die letzte Kurve wieder zu einer echten Herausforderung. Nur für die „Uphill“-Passage ist mangels Auslauf die Schikane ein Muss. Für die Fahrer ist Lime Rock so oder so nach wie vor etwas Besonderes, für manche die härteste Strecke des Kalenders.
Die erwähnte(n) Schikane(n) sollen auch das Überholen und Überrunden vereinfachen, Zwischenfälle sind trotzdem keine Seltenheit. Allzu problematisch sollte das für die ALMS in diesem Jahr allerdings nicht sein, denn die Anzahl der Prototypen ist wie gewohnt gering, und das obwohl die LMP1 seit dem letzten Rennen in Long Beach Mitte April um 50% gewachsen ist. Denn der arabische Geschäftsmann Humaid Al-Masaood wird mit deinem Team HMR, das er nun Oryx Racing nennt, ein quasi-Joint Venture mit Dyson Racing eingehen. Er und Steven Kane werden einen zweiten Dyson-Lola-Mazda unter dem Namen „Dyson Oryx Racing“ pilotieren. HMR- (bzw. nun Oryx-)Mechaniker betreuen den Wagen im Dyson-Shop in Poughkeepsie, das Geld wird wohl größtenteils aus Abu Dhabi stammen, denn weitere Sponsoren gibt es außer Mazda/Lola/Dunlop auf dem Coupé nicht.
Ob die beiden Fahrer aber so schnell sein werden wie die namensgebende Antilope, ist fraglich: der Nordire Kane ist zuletzt Tourenwagen in der BTCC gefahren, Al-Masaood selbst bisher nur GT4 und ein paar Radical Cup-Rennen in Arabien. In Le Castellet haben sie die beiden zudem mit einem HMR-Ligier zwei Rennen der SPEED Euroseries gemeinsam bestritten, ein fünfter und ein zwölfter Rang waren das Ergebnis. Zumindest werden sie etwas Eingewöhnungszeit benötigen.
Die Dyson-Temkollegen Chris Dyson und Guy Smith liegen derweil in der Meisterschaft deutlich vorn, mit 46 Punkten gegenüber den 20 des MuscleMilk-Teams. Deren Aston Martin wird in Lime Rock und wohl auch bei den folgenden Rennen von Klaus Graf und Lucas Luhr pilotiert, Teambesitzer und Gentleman Driver Greg Pickett tritt zunächst mal in den Hintergrund, denn mit zwei Profis am Steuer ist die Chance, Dyson noch einzuholen, natürlich deutlich größer. Deren wendiger kleiner 4 Zylinder-Turbo-Lola dürfte aber in Lime Rock – was außerdem deren Heimrennen ist! – im Vorteil sein gegenüber dem großen V12-Aston Martin. Dass die IMSA auch die Balance of Performance-Änderungen des ACO übernommen hat, dürfte hier keinen großen Unterschied machen; beide Teams haben die Wahl zwischen einem leicht vergrößerten Restriktor oder 10kg weniger Gewicht, zudem wird der Tankvorgang beschleunigt, was aber nicht weiter relevant ist, da es ja für die reinen ALMS-Läufe an Diesel-Konkurrenz mangelt.
Toll bestückt ist im Gegensatz zu den Prototypen-Klassen wie üblich die GT-Kategorie. Die je zwei Corvettes und BMWs dürften die Top-Favoriten sein: Corvette wird nach dem Le Mans-Sieg mit einigem „Momentum“ in den ALMS-Sommer gehen, BMW muss im Grunde nur aufhören, sich selbst zu schlagen, um an die Top-Leistungen aus dem Frühjahr anzuknüpfen. In der ALMS-Meisterschaft liegen Joey Hand und Dirk Müller mit 14 bzw. 19 Punkten Vorsprung vor den beiden Corvette-Duos an der Spitze; auch in der Teamwertung steht es 50:39 für die Münchner. Ein wesentlicher Unterschied: die BMWs werden mit E85 an den Start gehen, die Werks-Corvettes, einstmals die Pioniere des Zellulose-basierten E85 in der ALMS, sind auf E10 zurückgewechselt, das eine höhere Energieeffizienz und damit bessere Verbrauchswerte aufweist.
Jaime Melo und Toni Vilander werden versuchen, den ersten ALMS-Sieg für den neuen Ferrari F458 zu holen, in Imola klappte das ja am vergangenen Wochenende bereits sehr gut mit etwas Hilfe von BMW. Jörg Bergmeister und Patrick Long werden versuchen, den in diesem Jahr schwächelnden Porsche 911 an die Spitze zu bringen, was aber nicht einfach wird, aber die beiden Piloten gehören zur absoluten Spitze.
Die übrigen Teams werden sich eher um das Mittelfeld balgen. Vielleicht ist für Scott Sharps Extreme Motorsport-Ferraris mal ein gutes Ergebnis drin, verdient hätten sie es. Das gleiche gilt für die Robertsons, die mit ihrem Doran-Ford GT zwar durch Ausdauer in Le Mans ein Podium erzielen konnten, aber nicht den Speed haben, das aus eigener Kraft in der ALMS zu wiederholen. Auch der zweite Wagen der Mannschaft aus Braselton wird in Lime Rock starten, Piloten sind David Murry und Anthony Lazzaro.
Mit Sascha Maassen (Paul Miller Racing), Wolf Henzler (Falken Tire) und Marco Holzer (zweites Flying Lizard-Auto) gibt es noch drei weitere starke deutsche Porsche-Piloten, deren Teamkollegen allerdings auch nicht stark genug für Siegfahrten sind. Aber: für Überraschungen ist Lime Rock immer gut, denn Zwischenfälle sind dort keine Seltenheit, auch zwischen GT-Fahrzeugen, denn Geraden zum Überholen sind Mangelware, und auch die neuen Kurven haben das nur marginal geändert.
Drei Prototypen und 14 GT-Fahrzeuge gehen also an den Start – Hinzu kommen sechs LMPC- und sieben GTC-Fahrzeuge. Bei den Einheits-Prototypen setzt Intersport nun ein zweites Fahrzeug für Jon Field und James Kovacic ein. Die Meisterschaft wird von den beiden Core Autosport-Wagen angeführt, Jeannette/Gonzalez vor Bennett/Montecalvo. Tabellenführer und Favoriten bei den GT3-Porsches sind Pappas/Faulkner für Black Swan Racing.
Silberstreif am Horizont: für den nächsten Lauf in MoSport sind einige Comebacks geplant. Nicht nur Scott Tuckers Level 5-Team, das an diesem Wochenende noch aussetzen muss, da es logistisch schwierig ist, alles aus Imola nach Connecticut zu verfrachten, wird wieder dabei sein, sondern auch Autocon wird mit einem Isobutanol-LMP1 antreten; in der GT-Klasse füllen der West Racing-Lamborghini und der optisch zweifelhafte Panoz Abbruzzi die Startaufstellung – beide keine Siegkandidaten, aber sie bringen noch mehr Abwechslung ins Feld.
Gute Nachrichten gibt es für alle europäischen Fans, die MotorsTV empfangen. Sie müssen für die übrigen ALMS-Läufe nicht mehr im offiziellen Webstream verfolgen (den es aber für alle anderen weiterhin geben dürfte), sondern können die anstehenden Rennen, mit Ausnahme des zur ILMC gehörigen Petit Le Mans, für das die Rechte bei Eurosport liegen, live im Fernsehen verfolgen. Rennstart ist um 20:05 deutscher Zeit am Samstagabend (!), die Übertragung beginnt um 19:50 Uhr. Live-Timing und alles, was man sonst noch so braucht, bietet die ALMS zusammengefasst im Race Hub.
(Bilder: ALMS)