Der fröhliche Wechsel zwischen Tag- und Nachtrennen in diesem Frühjahr geht munter weiter, sodass an diesem Wochenende wieder wenig Schlaf auf dem Programm steht. In der Nacht von Samstag auf Sonntag fährt die NASCAR unter Flutlicht in Richmond und dabei keimt die Hoffnung auf, dass es dort auch wieder besseres Racing zu sehen gibt.
Der Richmond International Raceway ist wieder eine ganz eigene Strecke, die außerdem bereits lange Zeit ihren festen Platz – oder besser festen Plätze – im Kalender hat, wenngleich die jetzige Konfiguration erst seit 1988 gefahren wird. Das Oval ist ein Shorttrack mit einer Länge von 0,75 Meilen und 14° Banking in den Kurven, welcher unter den Cup-Strecken seinesgleichen sucht, sowohl qualitativ als auch von der einzigartigen Konfiguration her. Dazu kommt, dass das Thema Nachtrennen so eine Sache ist, die in Richmond unbedingt dazu gehört, da es die Flutlichtanlange dort schon seit 1991 gibt. Für uns Europäer eigentlich eher unschön, gibt die Dunkelheit neben der Fahrspur aber die wirkliche Schönheit des Rennens wieder, was uns auch direkt zum wichtigsten Thema des Wochenendes bringt…
…und das sind in Richmond ganz klar die Bremsen. Glühend-rote Scheiben machen bereits früh am Abend auf die außerordentliche Belastung aufmerksam und werden vom US-TV auch meist in Großaufnahme gezeigt. Ganz so schlimm wie in Martinsville ist das mit der Notwendigkeit zur sparsamen Verzögerung zwar nicht, da der weite D-Bogen der Zielgeraden (8° Banking) einen relativ angenehmen Übergang aus Turn 4 heraus und in Turn 1 hinein gewährleistet. Trotzdem möchte man natürlich ungern, dass eine Bremsanlage explodiert, denn dann ist der Fahrer meist nur noch Passagier.
Die Gegengerade (2° Kurvenüberhöhung) ist etwas flacher und auch nicht gekrümmt, was die Ausfahrt aus Turn 2 bei wenig Grip mit alten Reifen meist schwieriger gestaltet. Spät in einem Stint kann man nicht mehr so viel Schwung mit auf die Backstretch nehmen und kommt auch oft nur noch mit viel Untersteuern in Turn 3 hoch auf die schwächere Außenbahn. Dann hat das verfolgende Rudel meist keine Schwierigkeiten mehr, die Lücke auf der Innenbahn für ein Überholmanöver zu nutzen. Wichtig ist es daher, möglichst viel Schwung auf die gefühlt sehr lange Zielgerade mitzunehmen, während man auf der Gegengerade darauf aufpassen muss, das Gaspedal nicht zu früh in Richtung Bodenblech zu befördern.
Fahrerisch ist Richmond deshalb wieder anspruchsvoller als die Cookie-Cutter-Strecken der letzten Wochen und somit sehen wir – hoffentlich – Shorttrack-Racing vom Feinsten: Wenn sich der langsamere Vordermann partout nicht überholen lassen will, wird halt von hinten mit der gewohnten Bump-&-Run-Taktik mehr oder weniger dezent angeklopft und damit der Konkurrent auf die Außenbahn gedrängt. In der letzten Runde offenbart diese Vorgehensweise die Möglichkeit für Kopf-an-Kopf-Rennen bis zur Ziellinie.
Ein paar Sorgenfalten treibt mir derzeit allerdings das gute, weil leichtere Handling der Cup-Wagen auf die Stirn. Mit Ausnahme der Clint-Bowyer-Situation in Martinsville gab es in den letzten Rennen (auch auf den 1,5-Meilern) keine oder kaum schwerwiegende Zwischenfälle oder Ausritte in Richtung der Mauer und das war immerhin ein Shorttrack, wo sowas gefühlt eigentlich öfter vorkommt. In Texas ist zum Beispiel nur Juan Pablo Montoya auf engere Tuchfühlung mit der SAFER-Barrier gegangen und der konnte nach der heftigeren Berührung einfach ganz normal weiterfahren.
Im Podcast haben wir gestern ja schon überlegt, ob nicht die Reifen von Goodyear zurzeit vielleicht etwas zu viel Grip bieten. Zum einen macht sowas das Racing natürlich sicherer und natürlich will niemand schlimme Unfälle sehen, zum anderen darf das Rennfahren aber auch nicht zu einfach werden. Gerade die Cup-Wagen der CoT-Generation waren jahrelang für ihr diffiziles Handling bekannt, an dem sich so manche Fahrer-Asse die Zähne ausgebissen haben. Im Rückblick könnte die Reifenhypothese natürlich auch die Performance von Dale Earnhardt Jr erklären, der mit dem CoT zu Beginn nach eigener Aussage überhaupt nicht klarkam. Irgendetwas scheint sich also getan zu haben und es hat das Racing nicht gerade spannender gemacht. Vielleicht hat der Einheitslieferant nach den diversen Debakeln einfach die Nase voll gehabt von der ständigen Kritik.
Die Vorzeichen stehen aber wieder deutlich besser als an den letzten Wochenenden und ich hoffe, dass Richmond seinem guten Ruf gerecht wird. Bitte aber nicht schreien, wenn mal in 100 der insgesamt 400 Runden doch taktisches Fahren ausbrechen sollte, denn davor sind ja selbst die hochspektakulären Superspeedways nicht gefeit! Bleibt wie immer nur noch die Frage, auf welche Fahrer und Teams man denn in der Nacht von Samstag auf Sonntag genauer achten sollte.
Zum einen ist da Kyle Busch, dessen 2012er-Performance mit nur drei Top10-Ergebnissen jetzt zwar eher nicht so prall war, doch die Richmond-Statistik zeigte in den letzten drei Jahren ausschließlich Top6-Resultate. Zu dieser Zeit gewann er außerdem drei Mal in Folge die nun anstehende Frühlingsausgabe, was ihn somit am Wochenende zum „Titelverteidiger“ macht.
Nach dem Sieg vom vergangenen Sonntag darf man zum anderen aber auch seinen Teamkollegen Denny Hamlin nicht vergessen, welcher sich in Kansas gut strecken und der direkten und aufstrebenden Konkurrenz in Form von Michael Waltrip Racing ein Schnippchen schlagen konnte. Der Lokalmatador fühlt sich außerdem auf allen NASCAR-Strecken in Virginia äußerst wohl, was neben der unvergesslichen Serie von Martinsville seine Siege in den Richmond-Rennen kurz vor dem Chase 2009 und 2010 zeigen – beste Voraussetzungen also bei Joe Gibbs Racing.
Natürlich darf man auch die Truppe von Hendrick Motorsports nicht vergessen, die jetzt seit knapp einem halben Jahr immer noch nur knapp an ihrem 200. Sieg dran ist. In Kansas hat es wieder nicht gereicht, da Jimmie Johnson nicht an Martin Truex Jr vorbeikam und sich dann mit der Boxenstrategie verzockte. Richmond dürfte jedoch erneut ein guter Platz sein, was Johnson 2007 und 2008 bewies, als er mit dem noch neuen CoT drei von vier Ausgaben gewann. Seit 2009 lieferte er aber auf dem Shorttrack nur noch gemischte Ergebnisse, denn da stehen zwei Rennen außerhalb der Top30 gegen vier Ausgaben in den Top10 zu Buche.
Was die Teamkollegen angeht, lässt sich das jetzt etwas schwieriger einschätzen: Jeff Gordon ist zwar auf vielen Strecken eigentlich ein Top5-Garant, doch wie im Podcast festgestellt, hakt es bei ihm in dieser Saison irgendwie. Die letzten Richmond-Resultate seit 2007 lauten gesammelt 5x Top5 und 8x Top10 in zehn Rennen, wobei nur ein echter Ausrutscher dabei war. Was am Wochenende drin sein wird, muss man abwarten. Dale Earnhardt Jr und Kasey Kahne haben auf diesem Shorttrack dagegen in letzter Zeit wenig gute Resultate eingefahren, doch ähnlich wie bei Gordon gelten dieses Jahr andere Gesetze. Bei Earnhardt gehe ich ziemlich fest mindestens von einem Top10-Resultat aus, wenn es denn ähnlich gut läuft. Bei Kahne hoffe ich, dass er seine spät begonnene Top10-Serie ab Texas weiter fortsetzen kann.
Seit 2007 stehen noch zwei Siege für Richard Childress Racing in den Büchern, die Kevin Harvick (2012) und Clint Bowyer (2008) einfahren konnten. Während ich den konstanten Harvick zumindest wieder in den Top5 oder Top10 erwarte, könnte Bowyer mit Michael Waltrip Racing in die Victory-Lane fahren. Ein Sieg des aufstrebenden Teams ist nicht erst seit Kansas überfällig. Leider ist Brian Vickers nicht mit dabei, der auf dem Shorttrack von Bristol ja schon eine sehr gute Vorstellung ablieferte. Mark Martin und Martin Truex Jr sollte man am Wochenende aber ebenfalls im Auge behalten, zumal sich Truex zuletzt sogar auf Platz 2 in der Meisterschaft schieben konnte.
Ebenfalls in den Top10 erwarte ich Stewart-Haas Racing, die nach den beiden Siegen von Tony Stewart und Ryan Newman in Fontana und Martinsville ein wenig abgetaucht sind. Das Material der beiden Piloten ist eigentlich gut genug, da das Mutterschiff von Rick Hendrick ja immer mindestens gleichwertige Teile an das Kundenteam liefert. Zudem sind die Ergebnisse von Stewart und Newman in Richmond in den letzten Jahren – wenn auch nicht überragend – wenigstens immerhin konstant im genannten Bereich gewesen.
Schwieriger wird es da schon bei der Ford-Truppe von Roush-Fenway Racing, die Richmond und die Shorttracks im Allgemeinen ja eher nicht so zu ihren Stärken zählen. Ausbrechen konnte da seit Einführung des CoT 2007 nur Carl Edwards und der fuhr in den letzten beiden Jahren immerhin konstant in die Top10, wobei er drei von vier Ausgaben sogar in den Top5 beenden konnte. Weniger rosig sieht es dagegen bei den weit vorne in der Meisterschaft platzierten Teamkollegen Greg Biffle und Matt Kenseth aus, deren einziges Top10-Resultat in Richmond im 2007er-Frühling von Kenseth herausgefahren wurde und das spricht natürlich Bände. Beide Piloten müssen aufpassen, dass sie am Wochenende nicht zu viel Boden verlieren, doch Biffles Abstand auf Truex beträgt immerhin 15 Punkte.
Interessant wird auch zu beobachten sein, was die Teams in der zweiten Reihe so zeigen können und zu diesen zähle ich Penske Racing, Earnhardt-Ganassi Racing und Richard Petty Motorsports. Einzelne Fahrer dieser Mannschaften können ja bisweilen mal aufblitzen, doch oft verzetteln sie sich – teils unverschuldet (Marcos Ambrose und AJ Allmendinger) im Mittelfeld. Der beste Kandidat scheint mir da noch Brad Keselowski zu sein, der 2012 immerhin schon gewinnen konnte und zwar auf dem Shorttrack in Bristol. Vielleicht bringt der Übergang in die Vorsommer-Phase ja eine leichte Veränderung der Stärkeverteilung mit sich.
Zum Abschluss folgen an dieser Stelle wie gewohnt noch die Links (PDF) zu den aktuellen Ständen in der Fahrer- und Owner-Wertung sowie die Entry-List und ein Zeitplan für das Wochenende:
Ausstrahlungsdaten
Freitag, 27.04.
15:00 Uhr, Nationwide Series Final Practice, nicht im TV
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, SPEED
20:30 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, SPEED
22:00 Uhr, Nationwide Series Qualifying, ESPN2
23:30 Uhr, Sprint Cup Series Qualifying, SPEED
01:00 Uhr, Nationwide Series Rennen (Virginia 529 College Savings 250), ESPN2
Samstag, 28.04.
01:30 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Capital City 400), FOX
1 Kommentare
Die „Virgina is for lovers“ Werbung im Logo sehe ich ja auch zum ersten Mal. Amüsant, so im Bible Belt.
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