Nur mit Mühe 33 Autos am Start, Lotus fast weg vom Fenster. Nach einem problematischen Mai muss das wichtigste Rennen des Jahres für die IndyCar Series zum Erfolg werden.
Nicht ohne Sorgen hat die IndyCar Series den „Month of May“ 2012 überstanden. Honda und Chevrolet stritten wochenlang über das Motorenreglement; Lotus musste am Oval endgültig erkennen lassen, wieviel bis zur Spitze fehlt. Kein Wunder, dass bei den Briten zahlreiche Teams pünktlich zu wichtigsten Rennen der Saison in Richtung der Konkurrenz abgesprungen sind. Immerhin: Das Ergebnis des Pole Day verspricht ein enges Rennen mit einigen neuen Gesichtern, und so manchen etwas älteren Fan-Favoriten. Auch Rubens Barrichello ist mit seinem zehnten Startplatz beim ersten Ovalrennen endgültig bei den IndyCars angekommen. Weiteres großes Plus für deutschsprachige Fans: Erstmals seit Jahren wird das Rennen wieder live im TV übertragen – und das auch noch im Free TV.
Doch bei aller Freude über den spannenden Pole Day – auch das Qualifying hatte eine sportliche und eine unsportliche Seite.
Zuerst zur sportlichen: Wie sich herausstellte, hätte sich Chevrolet die langwierigen Proteste um die Modifikationen bei Honda sparen können. Auch mit neu konfiguriertem Turbolader scheinen die japanischen Triebwerke ein wenig hinter den US-Aggregaten aus der Werkstatt von Mario Illien zu liegen. Neun der Autos aus den Top 10 werden von den GM-Motoren befeuert – einzig der erstaunliche Josef Newgarden konnte die Phalanx brechen.
An der Spitze liegt mit Ryan Briscoe der wohl unerwartetste der drei Penske-Piloten, dahinter mit einem minimalen Abstand von 0.003 mph James Hinchliffe, der seine Qualifying-Runde mit Handschuhen seines Vorbildes Greg Moore im Auto absolviert hat. Ryan-Hunter Reay startet als zweites Andretti-Auto aus der ersten Reihe.
Reihe zwei besteht aus dem dritten Andretti Autosport-Wagen von Familienspross Marco. Daneben sind die beiden verbleibenden Penske von Will Power (der in Indianapolis meist besser unterwegs ist als auf anderen Ovalen) und Doppelsieger Helio Castroneves aufgereiht.
Zum den Penske und Andretti-Trios gesellt sich auch noch ein KV-Racing-Trio: Tony Kanaan, EJ Viso und der erwähnte Rubens Barrichello liegen auf den Rängen acht bis zehn.
Und dann ist da eben noch Platz sieben: Den füllt Josef Newgarden aus, der nach einer tollen Quali-Leistung in Long Beach nun auch auf dem Oval sein Talent aufblitzen ließ. Eine feine Sache für den Rookie und für das Team von Sarah Fisher (und „Wink“ Hartman), die für die Zeit nach dem Indy 500 noch nach einem Sponsor suchen.
Überhaupt nicht geschmeckt haben dürfte das Qualifying wohl dem sonst eher unheiklen Chip Ganassi: Der beste Pilot aus seinem Rennstall steht noch hinter Vorjahres-Pole-Mann Alex Tagliani nur auf Rang zwölf. Und dann handelt es sich dabei auch noch um Graham Rahal, der doch eigentlich für das B-Team der erfolgsverwöhnten Organisation antritt. Erst auf den Rängen 14 bis 16 folgen Charlie Kimball, Scott Dixon und Meister Dario Franchitti.
Außerdem nennenswert: Vorjahres-Fast-Sieger JR Hildebrand startet von Position 18, Takuma Sato vom respektablen Rang 19. Beachtlich auf die Leistung von Michel Jourdain, Jr, der zuletzt 1996 beim Indy 500 an den Start ging (Rang 13), und 2012 von Startplatz 22 wegfahren wird.
Nach längerem Drama rund um den bisherigen Motorenpartner Lotus starten die beiden Wagen des Dragon-Teams beim Indy 500 mit Chevrolet-Power. Die Einigung erfolgte aber so knapp vor Beginn des Qualifyings, dass nicht mehr viel Zeit zum Testen bleib. Startplatz 25 für Sebastien Bourdais und 30 für Katherine Legge sind die Folge.
Auch erste Crashtests musste das neue Chassis im Qualifying bestehen: Am ärgsten erwischte es Oriol Servia, der seitlich in den Eingang der Boxenmauer einschlug – passiert ist ihm dabei nichts, aber der Wagen war demoliert, und der Katalane startet nur von Rang 27. Neben Rookie Bryan Clauson (Startplatz 31) ereilte dieses Schicksal auch Ed Carpenter, der nun das Rennen von Rang 28 in Angriff nehmen wird.
Die Autos haben die Einschläge (einige davon eher heftig) gut absorbiert, allerdings fiel eine gewisse Tendenz dazu auf, nach dem Einschlag seitlich abzuheben. Dallara hat des Problem erkannt, und offenbar eine Lösung erarbeitet, die bereits zum Rennen am Sonntag bei den Autos eingebaut sein wird.
War da noch was? Ach ja: Lotus. Die bleiben bisher unerwähnt – aus guten Gründen. Denn einerseits verbleiben dem Hersteller nur noch zwei Piloten („Markenbotschafter“ Jean Alesi und die bedauernswerte Simona de Silvestro). Und andererseits waren auch die Leistungen im Qualifying nicht der Rede wert. Oder mit anderen Worten: hundsmiserabel. Sogar mit im Verglich zu den anderen Wagen erhöhtem Ladedruck fehlten im Training gut und gern 10 mph, ohne diesen Vorteil sogar fast 20.
Das ist im Rennen (wo auch Lotus mit normalem Ladedruck fahren muss) natürlich ein Sicherheitsrisiko – weswegen Rennleiter Beaux Barfield bereits angekündigt hat, Alesi und de Silvestro bald aus dem Rennen zu nehmen, sofern sie (erwartungsgemäß) nicht schnell genug unterwegs sind. Die Zukunft des Herstellers über das Indy 500 (oder gar die Saison 2012) hinaus ist völlig offen.
Damit zum Unsportlichen: Nicht weniger als 18 Strafen in unterschiedlicher Höhe wurden nach dem Qualifying ausgesprochen, alle davon Geldstrafen wegen technischer Vergehen. Konsequenzen auf das Rennen werden die Strafen nicht haben. Auch ein Vergleich mit den intransparenten Vorjahren (als es dem Vernehmen nach ebenfalls Strafen gab, diese aber nicht öffentlich gemacht wurden) ist nicht möglich. Aber auch, wenn es sich dabei um eine „durchaus übliche“ Zahl von Strafen handeln sollte – ein etwas schiefes Licht wirft die Anzahl der Vergehen dennoch auf die Serie.
Besonders unglücklich mit der (öffentlichen) Bestrafung war offenbar Rennlegende AJ Foyt, der dem Vernehmen nach sogar drohte, seine Fahrer Wade Cunningham und Mike Conway aus dem Rennen zu nehmen. Mittlerweile ist die Sache aber wohl beigelegt – die INDYCAR hat sich bereit erklärt, auf die Auszahlung der Strafe zu verzichten. Es ist davon auszugehen, dass es auch für die anderen Teams (wie in der Vergangenheit schon oft) eine ähnliche Regelung geben wird.
Die Vorstartphase des Rennens wird noch einmal im Zeichen des Vorjahressiegers Dan Wheldon stehen, der Anfang Oktober beim IndyCar-Rennen in Las Vegas tödlich verunglückt ist. Auch während der Runden 26 und 98 (den Startnummern seiner Siegerautos) soll noch einmal an Wheldon erinnert werden.
Im TV
Erstmals seit langer Zeit wird es das Indy 500 wieder live im deutschsprachigen Free TV zu sehen geben. Servus TV hat die Übertragungsrechte erworben – womöglich als Teil der versprochenen Wiedergutmachung nach dem Chaos rund um das Daytona 500 in diesem Jahr. Ab 17:25 Uhr starten dort die Vorberichte, die grüne Flagge dürfte traditionell gegen 18:00 Uhr (Mittag Ortszeit) fallen. Als Kommentator wird Andi Gröbl fungieren, üblicherweise bietet Servus TV aber bei Liveübertragungen Zweikanalton an. Ob das auch diesmal so sein wird, ist leider im Moment noch unklar.
Schon am Freitag vor dem großen Rennen wird am Indianapolis Speedway das „Freedom 100“ der Indy Lights ausgetragen – NBC Sports überträgt das Rennen im Zuge der Berichterstattung zum Carb Day (eine Art „Warm Up“ zwei Tage vor dem Rennen) live.
Bleibt nur noch eine Frage: Wie wird das Wetter?
Die Antwort ist so einfach wie (im Grunde) erfreulich: Sonnig und heiß. Wobei einige Fahrer vielleicht nicht ganz so begeistert sein werden. Denn angeblich könnte sogar eines der heißesten Indy 500 der Geschichte bevorstehen. Dass die Veranstalter sogar den Fans schon jetzt raten, während dem Rennen auf die Flüssikeitszufuhr zu achten, lässt erahnen, welche fordernden Verhältnisse den Fahrern bevorstehen.