Nachdem am vergangenen Wochenende die diesjährige Super-GT-Meisterschaft am Twin Ring Motegi zu Ende ging, zieht am Sonntag die Formula Nippon nach. Nicht nur weil noch fünf Fahrer Chancen auf den Titel haben, sondern auch weil das Rennformat einmalig auf zwei Rennen geändert wird, verspricht das Saisonfinale auf dem Suzuka Circuit einiges an Spannung.
Kazuki Nakajima, Koudai Tsukakoshi, André Lotterer, Takuya Izawa, Joao Paulo de Oliveira. Die Liste der fünf verbleibenden Meisterschaftskandidaten liest sich wie das „who is who“ der Formula Nippon. Zwar hatten im letzten Jahr rein mathematisch noch vier Fahrer Chancen auf den Titel, aufgrund des hohen Punkteabstands sowie der Dominanz von Petronas Team Tom’s und insbesondere André Lotterer, fiel die Entscheidung letztlich lediglich zwischen dem Deutschen und seinem Teamkollegen Kazuki Nakajima. Dieses Jahr wird die Entscheidung deutlich enger, denn die fünf Kotrahenten trennen insgesamt lediglich sieben Punkte. Die beste Ausgangsposition haben dabei Kazuki Nakajima und Koudai Tsukakoshi, die mit 38 respektive 37 Zählern im Gepäck nach Suzuka reisen. Egal wer dieses Jahr auch den Titel holen wird, er darf sich als letzter Champion unter alten Namen krönen. Denn im nächsten Jahr schlägt Japans höchste Formel-Serie ein neues Kapitel auf: Unter dem Namen Super Formula, angelehnt an die Super GT, will man expandieren und von der höchsten Formel-Serie Japans zur wichtigste Formel-Serie in Asien werden.
Die Super GT ist dabei ein gutes Stichwort, schließlich benannte sich jene Sportwagen-Serie 2005 von der JGTC in den heute bekannten Namen aufgrund der mehrfach erwähnten Expandierungspläne um. Die Namensänderung kommt dabei nicht von irgendwo: Um weiterhin von der FIA sanktioniert zu werden, darf eine Rennserie keine reine, nationale Meisterschaft sein, wenn sie in mehr als zwei Ländern unterwegs ist. Diesbezüglich wird die JRP (Japan Race Promotion) am Samstag eine Pressekonferenz abhalten. Neben der Vorstellung des neuen Serienlogos, steht auch der bereits bekannte, allerdings noch nicht von der FIA abgesegnete, Rennkalender für 2013 auf der Agenda. Kommendes Jahr kann als eine Art Übergangsjahr für die Formula Nippon / Super Formula betrachtet werden. Mit etwaigen Überraschungen im Kalender ist für nächstes Jahr nicht zu rechnen, auch der FN09-Bolide von Swift Egineering, der nach meiner bescheidenen Meinung weltweit noch immer der derzeitig hübscheste Formel-Wagen ist, wird noch für ein weiteres Jahr eingesetzt werden. Passend zur großen Änderung in der Super GT, wird auch die Formula Nippon / Super Formula ab 2014 mit einem neuen Wagen sowie Motorenreglement unterwegs sein. Der so genannte SF14-Bolide wird vom italienischen Hersteller Dallara gebaut; der Shakedown ist für Juli 2013 geplant. Soweit, so bekannt. Wie allerdings das japanische Magazin Autosport berichtet, fiel die Wahl des neuen Herstellers zunächst allerdings nicht auf die Italiener, sondern die JMIA (Japan Motor-Racing Industry Association), die unter anderem das Chassis für die Japanese Formula 4 herstellen.
Nach Angaben des Magazins hat sich die JRP zunächst für JMIA entschieden, da diese ein gutes Konzept, sogar ohne Anzahlung für die Entwicklungskosten, auf den Tisch legten. Ein sehr kritischer Kommentar, insbesondere gegenüber der Zukunft und Expandierungspläne der JRP, von Minoru Hayashi (Chairman der JMIA) im Juni dieses Jahres auf der Webseite der JMIA, hat allerdings wiederum viele Mitglieder, die zuvor noch die JMIA unterstützen, schwer getroffen. Zusammen mit den Team-Besitzern entschloss die JRP auf einer nicht-öffentlich zugänglichen Konferenz dann letztlich für Dallara. Details zum neuen Boliden sind bislang noch nicht bekannt. Es bleibt somit zu hoffen, dass Dallara einen ähnlich hübschen Wagen wie Swift Engineering herstellen wird.
Was hingegen bereits seit wenigen Wochen bekannt ist, allerdings noch nicht auf einer Pressekonferenz vom Präsidenten der JRP, Hiroshi Shirai, vorgestellt wurde: das neue Motorenreglement für ab 2014. Wenig überraschend verabschiedet sich auch die Formula Nippon / Super Formula von den 3,4l V8-Aggregaten und wird zukünftig 2,0-Liter Vier-Zylinder Turbo-Reihenmotoren einsetzen, sprich jene, die auch die GT500-Klasse der Super GT ab 2014 benutzen wird. Hierbei gehen beide Serien erneut Hand in Hand, wohl auch weil Toyota und Honda kein großes Interesse daran haben, zwei verschiedene Aggregate für beide Serien zu entwickeln. Anders als das GT500-Pendant werden die Motoren im SF14-Wagen allerdings nicht auf 500PS begrenzt sein, sondern 550PS bei 500Nm liefern.
Das alles ist selbstverständlich aber zunächst Zukunftsmusik, schließlich steht am Sonntag das große Saisonfinale an. Der Suzuka Circuit selbst benötigt keine große Einführung. Zusammen mit dem Fuji Speedway stellt die Strecke, die bereits im Frühjahr dieses Jahres ihren 50. Geburtstag feierte, den international bekanntesten Kurs Japans dar. Viele Fans und Fahrer bezeichnen die 5,807 km lange Strecke als eine der besten Rennstrecken der Welt. Die außergewöhnliche und einmalige Form einer 8 sowie die insgesamt 17 Kurven mit Namen wie Degner (benannt in Ehren nach dem 1983 verstorbenen Motorrad-Rennfahrer Ernst Degner, der just an dieser Stelle 1963 einen schlimmen Feuerunfall erlitt), Spoon, Dunlop aber auch Hairpin und natürlich die schnelle 130R entzücken Fans sowie Fahrer gleichermaßen. Jene 130R ist es allerdings auch, die nicht nur als schnelle und gefährliche (Mut-)Kurve gilt, sondern über die Jahre auch mehrmals aufgrund schwerer Unfälle aus Sicherheitsgründen umgebaut wurde. Während die Kurve mit der vergrößerten, asphaltierten Auslaufzone für Autorennen sicherer wurde, verstarb beim MotoGP-Japan-Grand-Prix Daiijiro Kato, als er aufgrund eines technischen Defekts in der 130R die Kontrolle über seine Maschine verlor. Es war das letzte Suzuka-Rennen der Motorrad-Weltmeisterschaft, ehe man aus Gründen der Sicherheit auf den deutlich langsameren und für Motorräder wohl auch sicheren Straßenkurs des Twin Ring Motegi wechselte.
Suzuka ist auch jener Ort, an dem die NASCAR 1996 sowie 1997 jeweils ihre beiden NASCAR Thunder 100-Einladungsrennen auf dem 2,3km langen Ostkurs austrug, auf dem auch die WTCC seit 2011 unterwegs ist. Während das Rennen 1997 aufgrund des erstmaligen Einsatzes von Regenreifen in die NASCAR Sprint Cup-Geschichte einging, verstarb im Jahr zuvor Pace-Car-Fahrer Elmo Langley auf tragische Weise, als er in den S-Kurven während einer Evaluierungsrunde einen Herzinfarkt erlitt. Vor zwei Wochen verstarb im ersten Rennen der Super Taikyu Serie, im Rahmen der WTCC, auf tragische Weise der 56-jährige, ehemalige Formula-Nippon- und Super-GT-Fahrer Osamu Nakajima, als er mit hoher Geschwindigkeit auf dem Öl eines vorherfahrenden Fahrzeuges ausrutschte und mit der Beifahrerseite seines Nissan Fairlady 350Z in die Streckenbegrenzung von Kurve 1 abflog. Einen Nachruf an OSAMU, so wie ihn seine Fans nannten, habe ich bereits in meiner Super-GT-Vorschau für das Saisonfinale in Motegi geschrieben. Ich möchte an dieser Stelle aber erneut mein tiefstes Mitgefühl und Beileid an Osamu Nakajimas Familie, Angehörige und Bekannte aussprechen.
Wie eine Runde auf dem Suzuka Circuit der Formula Nippon aussieht, soll im folgendem eine Onboard-Runde von Joao Paulo de Oliveira aus dem Jahr 2011 demonstrieren:
Selbstverständlich wird die komplette mediale Aufmerksamkeit auf den fünf Meisterschaftskandidaten liegen. Eine Vorhersage zu treffen ist schwer, wenn nicht sogar ein Ding der Unmöglichkeit, insbesondere weil alle Fahrer im laufe des Jahres Stärke- wie auch Schwächephasen hatten. Die beste Ausgangssituation hat selbstredend Kazuki Nakajima. Der ehemalige F1-Pilot führt mit 38 Punkten die Tabelle an, dicht gefolgt von Koudai Tsukakoshi, der mit 37 Zählern lediglich einem Punkt hinter ihm liegt. Auf Position 3 befindet sich derzeit Titelverteidiger André Lotterer (33 Punkte), gefolgt von Takuya Izawa (32 Punkte) und Joao Paulo de Oliveira (31 Punkte). Lediglich JP de Oliveira (2010) und André Lotterer (2011) konnten sich bislang mit dem Titel krönen, für die restlichen drei wäre es das erste Mal. Ein erneuter Gewinn von Lotterer würde bedeuten, dass er der erste Doppelmeister nach Tsugio Matsuda (2007 und 2008) wäre, während die drei japanischen Anwärter den ersten japanischen Champion nach dem bereits angesprochenen Tsugio Matsuda stellen würden. Eine Vorhersage ist auch deshalb schwer, weil das Rennformat extra für das Finale einmalig auf zwei Rennen geändert wurde. Die Idee stammt aus dem letzten Jahr, als man notgedrungen, nach Absage des Sommer-Rennens in Suzuka, das Finale auf dem Twin Ring Motegi in zwei Rennen aufteilte. Das Konzept kam bei Fans wie auch Fahrern gut an, weshalb es dieses Jahr seine Rückkehr feiert. Wie im letzten Jahr werden die Punkte, ausgenommen vom jeweiligen Sieger, halbiert.
Normalerweise sollte der Gewinner demnach lediglich fünf Punkte erhalten. Um den Sieg aber etwas stärker zu belohnen, gibt es für den jeweiligen Sieg drei Bonuspukte, was acht Zähler in der Addition macht. Im folgendem die genaue Punkteverteilung für das Saisonfinale:
1. Platz 5 + 3 Punkte (8 Punkte)
2. Platz 4 Punkte
3. Platz 3 Punkte
4. Platz 2,5 Punkte
5. Platz 2 Punkte
6. Platz 1,5 Punkte
7. Platz 1 Punkt
8. Platz 0,5 Punkte
Gleichzeitig wird jeweils ein Bonuspunkt für die Pole Position verteilt. Das macht eine maximale Punktzahl von 18 Zählern, die ein Fahrer an diesem Wochenende holen kann. Die Qualifikation verläuft dabei ähnlich wie auch zum Saisonstart: im Knock-Out-Format. Mit dem Unterschied, dass das Ergebnis vom ersten Qualifikations-Segment die Startaufstellung für Rennen 1 darstellt, während das Ergebnis von Q3 für die Startaufstellung des zweiten Rennens herangenommen wird. Q1 kann somit bereits schon einen großen Einfluss auf den Verlauf des Rennsonntags haben, zumal das Überholen in Suzuka, trotz einiger guter Möglichkeiten, als nicht sonderlich einfach gilt. Eine genaue Berechnung, wer wo und wie ins Ziel kommen muss, um Meister zu werden, ist aufgrund der vielen, unterschiedlichen Variablen sehr schwierig. Ich werde beim Rennen allerdings mit Stift und Papier neben dem Live-Ticker sitzen, und entsprechende Blitztabellen errechnen.
Zwar sind beide Rennen kürzer als die normalerweise übliche Distanz von 250km, was allerdings nicht die Anforderungen an Fahrer und Teams schmälert. Eine schlechte Ausgangsposition nach der Qualifikation oder ein Fehler in Rennen 1 kann bereits Titel-entscheidend sein. Zumindest über eine etwaige Rennstrategie müssen sich die Teams im ersten Rennen keine Gedanken machen. Bei nur 20 Runden (116km) Renndistanz gilt der erste Lauf somit quasi als Sprintrennen. Boxenstopps werden aufgrund des Zeitverlusts nicht erwartet. Das zweite Rennen ist mit 28 Runden (162km) nicht nur länger als der erste Lauf am Vormittag, gleichzeitig wird auch ein Pflichtboxenstopp, bei dem alle vier Reifen gewechselt werden müssen, vorgeschrieben. Hier können die Teams die Strategie etwas splitten und so ein etwaiges Überholmanöver an der Box setzen.
Auch wenn die mediale Aufmerksamkeit bei den fünf Titelkontrahenten liegt, dürfen die anderen Fahrer selbstverständlich nicht vergessen werden. Ebenfalls viel Beachtung wird erneut Takuma Sato bekommen. Nach seinem ersten Formula-Nippon-Rennen im Sportsland Sugo, wo er im strömenden Regen auf Position 9 nur knapp seine ersten Punkte verpasste, wird insbesondere in Suzuka einiges von ihm erwartet werden. Im Gegensatz zu Sugo kennt er die Strecke, zudem nahm er am ersten offiziellen Testtag im Frühjahr dieses Jahres in Suzuka teil und fuhr ein hervorragendes 10-Runden-Show-Rennen im Regen im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag des Suzuka Circuits. Persönlich halte ich Punkte für möglich. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass Sato an diesem Wochenende erst sein zweites Formula-Nippon-Rennen fährt. Das entsprechende Salz in der Suppe für die Meisterschaftskontrahenten könnten neben Loic Duval und Kazuya Oshima auch Tsugio Matsuda darstellen. Der Doppel-Champion von 2007 und 2008, der dieses Jahr sein Comeback feierte, kam zum Ende der Saison hin immer besser in Fahrt, wurde allerdings durch technische Probleme ausgebremst. Allen drei Fahrern sind Positionen in den Punkterängen und Top 5 zuzutrauen.
Wie bereits erwähnt ist aufgrund der vielen, unterschiedlichen Variablen eine Voraussage auf beide Rennen nur schwer möglich. Müsste ich allerdings tippen, wäre mein Favorit Koudai Tsukakoshi. Der Dandelion-Fahrer liegt nur einen Punkt hinter Kazuki Nakajima und hätte fast den Saisonauftakt in Suzuka gewonnen, wurde allerdings aufgrund eines gebrochenen Auspuffs ausgebremst. Gleichzeitig scheint ihm und insbesondere seinem Wagen sowie dem Honda-Aggregat die Strecke besonders gut zu liegen. Ähnliches gilt für seinen Teamkollegen Takuya Izawa, den ich in Sugo nicht mit unrecht als das so genannte „Dark Horse“ bezeichnete. Izawa sicherte sich im Frühjahr in Suzuka die Pole Position, verlor beim Start aber aufgrund von Wheelspin einige wertvolle Plätze. Im Regen von Sugo behielt er hingegen einen kühlen Kopf und hielt selbst dem Druck seines auf Platz 2 ins Ziel kommenden Teamkollegen stand. Auch zum Finale muss Izawa deshalb als „Dark Horse“ betrachtet werden, wenn er mit sechs Punkten Rückstand auf Tabellenführer Kazuki Nakajima ein bisschen auf das Rennpech der Anderen hoffen muss. Das Saisonfinale in Suzuka verspricht somit einiges an Spannung. Bei all den verschiedenen Variablen gilt lediglich das Wetter als ziemlich sicher. Anders als bei Super GT am vergangenen Wochenende, soll in es Suzuka am Samstag wie auch Sonntag trocken bleiben.
TV-Zeiten
Wenig überraschend muss für beide Rennen die mehr oder weniger beliebte Graualternative herangezogen werden. J Sports 3 wird beide Rennen übertragen. Die Übertragung zum ersten Lauf startet bereits um 2 Uhr deutscher Zeit; der Rennstart ist für 2:20 Uhr angesetzt! Im Anschluss geht J Sports 3 aus der Übertragung raus, kehrt aber um 6:00 Uhr deutscher Zeit zurück. Das zweite Rennen startet 30 Minuten später, um 6:30 Uhr. Sollte die Technik nicht streiken, werden wir wie üblich auch zum Saisonfinale und damit auch zu beiden Rennen unseren exklusiven, deutschen Live-Ticker anbieten. Los geht’s am Sonntag um 2:10 Uhr!