Die Formel 1 startet so langsam wieder durch, doch bei den Sportwagen sind schon die ersten Rennen gelaufen. Zeit für einen breit angelegten Ausblick.
Morgen Nachmittag verkündet der ACO die Teilnehmerliste für die 24 Stunden von Le Mans und die WEC in diesem Jahr – Zeit, auf 2012 zurück- und auf 2013 vorauszublicken. Denn wie so oft ist viel in Bewegung bei den Sportwagen-Rennserien, ein Übergangsjahr jagt das nächste. Viele Veränderungen haben sich seit Herbst 2012 angekündigt, die nun mehr und mehr Form annehmen, sowohl in Europa als auch in den USA und in Asien. Natürlich gibt es neben den großen internationalen Serien auch noch zahlreiche weitere kontinentale und nationale Serien (International GT Open, ADAC GT Masters, British GT, Super GT), die ich aber in diesem Überblick aus einem Mangel an Platz und Wissen außen vor lassen muss.
WEC & 24h von Le Mans
71 Meldungen sind für die 24 Stunden von Le Mans eingegangen, so wurde in der vergangenen Woche nach Ende der Frist verkündet. 56 Plätze sind zu vergeben, ein Teil davon ist durch automatischen Einladungen für Vorjahres-Siege und –Titel bereits in trockenen Tüchern, und auch das GreenGT-Wasserstoff-Fahrzeug als diesjähriges Garage 56-Projekt ist längst ausgewählt. Spannend ist vor allem die Frage, wie viele und welche Teams für die WEC angenommen werden, da diese auch fest für die 24h qualifiziert sind, die Teil der Weltmeisterschaft sind.
Die Zeichen stehen so, dass wir wohl weniger Entries sehen werden als im Vorjahr, obwohl zumindest die Fans naturgemäß eher auf Wachstum gehofft hatten. Gerade die LMP1 enttäuscht: Pescarolo ist leider (wieder einmal und möglicherweise zum letzten Mal) pleite, Rebellion schickt einen Wagen in die USA, JRM und Oak sind raus. 2014 kommt das neue Reglement und so scheint 2013 kaum jemand in einen LMP1 investieren zu wollen, der 2014 in der Garage landet. Und auch Toyota will nach Le Mans nur noch mit einem Fahrzeug antreten, was auch die Meisterschaftschancen gegen eine Audi-Doppelspitze schmälert.
Die LMP2 boomt weiterhin, aber möglicherweise nicht so heftig wie es stellenweise im Laufe des letzten Jahres vermutet/gehofft wurde. Der neue Mazda-Diesel-LMP2 lässt noch auf sich warten, aber einige Neuzugänge gibt es, z.B. die Kooperation HVM/Status GP. In der Klasse könnte es sicher die eine oder andere Überraschung geben, auch schon auf der Entry List, von den Ergebnislisten am Ende ganz zu schweigen.
Die GTE-Pro-Klasse wird mit Manthey als Porsche-Werksteam und mit dem neuen 911er hoffentlich wieder spannender, nachdem AF Corse im Vorjahr fast nach Belieben dominierte. Auch die GTE-Am ist schwer einzuschätzen. Larbre verzichtet auf den zweiten Wagen für die WEC, aber gerade in Le Mans wird man wohl eine zahlmäßig starke GTE-Am-Klasse sehen.
Mit Silverstone, Spa und Le Mans wird der europäische Teil der Saison gleich zu Beginn abgehakt, es folgen zweimal Amerika (Sao Paulo & Austin), zweimal Asien (Fuji & Shanghai) sowie Bahrain als Finale, welches zumindest zu einer brauchbareren Uhrzeit stattfindet.
European Le Mans Series
In die Saison 2012 ging die von Patrick Peter organisierte Serie mit einem halbgaren Konzept und es wurde zu einer Katastrophe: außer in der LMP2 gab es kaum Starter, drei von fünf Rennen mussten abgesagt werden, das Saisonfinale wurde beim Petit Le Mans improvisiert – was aber durchaus eine schöne Angelegenheit war. Doch dass es so nicht weitergehen konnte, war schon im Frühling klar, man wusste einfach nicht wirklich, wen man mit der Serie ansprechen wollte. Die LMP2 brummte und lieferte zwei gute Rennen, doch der Pool potentieller Teams wurde nicht ausgeschöpft. So blieb etwa ein langjähriges Siegerteam wie RML der Serie fern, weil der ursprünglich geplante Kalender die Finanziers nicht ansprach.
2013 gibt es also den Relaunch unter Führung des WEC-Organisationsteams von Gerard Neveu. Und tatsächlich gibt es eine neue Struktur: die ELMS wird nicht mehr alleiniger Headliner sein, sondern mit anderen Serien gemeinsam Events veranstalten, meist mit der Formel Renault 3.5. Außerdem wurden die Rennen von sechs auf drei Stunden verkürzt, was sie TV-Zuschauer-freundlicher und kostengünstiger macht.
Was ich mir aber von der ELMS gewünscht hätte, fehlt weiterhin: ein „Signature Event“, wie es sich die ALMS mit dem Petit Le Mans aufgebaut hat, ein großes Rennen in Europa, das von sich aus Aufmerksamkeit neuer Teams und neuer Zuschauer auf sich zieht. Eine Distanz zwischen 6 und 10 Stunden, auf einer klassischen europäischen Rennbahn in einem Motorsport-Kernland – ein 8h-Rennen in Donington in die Dunkelheit hinein wäre eine Möglichkeit. Im Herbst, wenn die WEC längst gen Asien aufgebrochen ist und zu grausamen Uhrzeiten fährt, könnte ein solches Event Sportwagen-Fans (wie mich) doch sehr erfreuen.
Trotz der neuen Struktur herrscht noch Unsicherheit darüber, wie gut die Grids 2013 gefüllt sein werden. Die gute Nachricht: es soll einige GTE-Teams geben, fest ist bislang nur das neue Ram Racing-Team (Ferrari), aber auch mit JMW, IMSA Performance und Felbermayr Proton darf man wohl rechnen. Das Absurde: man wird wohl auf die Ausschreibung der GTE-Pro verzichten. Das hieße: alle willigen GTE-Teams müssten ihre Autos auf die 2012er-Konfiguration zurückrüsten, weil in dieser Klasse nur Vorjahreswagen erlaubt sind. Ich hätte für die ELMS eine Zusammenlegung von GTE-Pro und -Am deutlich sinnvoller gefunden, ganz nach dem Vorbild der seit Jahren florierenden ALMS-GT-Klasse. Ob es in der GTC-Kategorie (für GT3-Autos) Starter geben wird, ist ebenfalls noch unklar.
Asian Le Mans Series
Wieder einmal ein Versuch, Le Mans-Sportwagen in Asien zu etablieren. Ich traue es mir nicht mal ansatzweise zu, zu prophezeien, ob dieser ausnahmsweise mal von Erfolg gekrönt sein wird. Ähnlich der ELMS werden 3h-Rennen gefahren, allerdings sechs davon: Zhuhai, Shanghai, Ordos (alle China), Autopia (neue Strecke in Südkorea, aus der Feder von Alan Wilson, von dem u.a. der Barber Motorsports Park in Alabama stammt), Fuji (Japan, separat von der WEC!) und Sentul in Indonesien als Saisonfinale.
LMP1 wird es wie in der ELMS auch hier nicht geben, für die LMP2 als Top-Klasse sind bisher zwei Teams gemeldet: KCMG mit einem Morgan-Chassis und das Atlantic Racing Team mit zwei noch unbenannten Fahrzeugen; aber noch ist ja etwas Zeit bis zum Saisonstart…
Neben der GTE wird auch hier eine GTC-Klasse ausgeschrieben, in der GT3-Fahrzeuge und GT300-Boliden aus der japanischen SuperGT zugelassen werden. Sollte ein Team aus der japanischen Serie sich eine Le Mans-Einladung erarbeiten wollen, wäre dies die Chance dafür, denn auch der GTC-Champion bekommt eine Einladung für die GTE-Am-Klasse im Folgejahr. Doch dass dieses Lockmittel nicht immer zieht, hat nicht zuletzt die vergangene ELMS-Saison gezeigt.
American Le Mans Series
Es ist das letzte Jahr jener Serie, die vor über einem Jahrzehnt den kontinentalen Prototypensport wiederbelebt oder am Leben gehalten hat, je nachdem, wie man es betrachten möchte. Danach wird die ALMS von der Grand-Am einverleibt, von dem eigenen Charakter wird wenig übrig bleiben. Die LMP1 wird definitiv aus den USA verschwinden, ob – und wenn ja, wie viele – LMP2 sich für die gemeinsame Klasse mit den Daytona Prototypes finden, ist noch unklar, aber es sieht nicht gut aus. Schon in diesem Jahr wird anscheinend kein einziges Team in der LMP2 antreten, auch Scott Tucker wird sein zwielichtig beschafftes Geld anderweitig ausgeben.
Das Hauptaugenmerk wird wie immer in den letzten Jahren auf der GT-Klasse liegen, die stets ein tolles Feld und grandiosen Motorsport bietet. Auch wenn das ursprüngliche GTE-Reglement längst nicht nur auf- sondern völlig durchgeweicht ist und die Balance of Performance regelmäßig angepasst wird, sind die Rennen stets sehenswert. Dieses Jahr ist auch Risi Competizione wieder dabei, die im Vorjahr finanz-bedingt aussetzen mussten, und Alex Job Racing wechselt vom schwachen Lotus zum flott-geBoPten Aston Martin Vantage. Leider fehlen wird Flying Lizard Motorsport, die sich auf die GTC beschränken und nicht weiter als Quasi-Werksteam für Porsche dabei sind.
Was den Kalender angeht, ändert sich wenig. Neu dabei ist allerdings Austin, wo die ALMS im Rahmenprogramm der WEC antritt. VIR und Baltimore sind wieder dabei, die Langstrecken-Klassiker Sebring und Petit Le Mans bilden das Alpha und Omega der Saison. Hoffentlich wird die Geschichte des 1000 Meilen-Rennens auf der Road Atlanta nicht in diesem Jahr enden…
Grand-Am Rolex Sports Car Series
Die 24h von Daytona sind bereits gelaufen, Pole und Sieg gingen – wie so oft – an Chip Ganassis Team mit den Fahrern Pruett/Rojas/Kimball/Montoya. Vier der letzten fünf Titel gingen an Pruett und Rojas, so auch im Vorjahr. Zwar hält das enge, NASCAR-ähnliche Punktesystem der Serie (35-32-30-28-26, dahinter 1-Punkt-Abstände) den Meisterschaftskampf meist lange spannend, doch auch in diesem Jahr hat die Ganassi-Truppe den Grundstein für eine weitere Titelverteidigung erfolgreich gelegt.
In Daytona war die Entry List wie gewohnt gut gefüllt (57 Wagen, davon 17 Daytona Prototypes) – wie viel davon für den Rest der Saison übrig bleibt, bleibt abzuwarten. Selbst 9-10 DPs wären immer noch deutlich mehr Prototypen, als die ALMS zu bieten hat und auch 2014 werden die DPs das Bild bestimmen, denn es scheint leider, als würden wir wenige bis gar keine LMP2-Boliden in der neuen Serie zu sehen bekommen. Die GT-Klasse scheint gut zu laufen und die europäischen Neueinsteiger, die sich im Vorjahr noch schwer taten, haben nachgezogen, so dominierten in Daytona die Audi R8 (Sieg für den AJR-R8 mit Albuquerque/Jarvis/Mortaravon Moltke vor einem weiteren Audi) und Ferrari 458.
Der Kalender der Rolex Sports Car Series für 2013 liest sich interessant: neu dabei sind der Circuit of the Americas, wo man Anfang März das zweite Saisonrennen austrägt, die Road Atlanta, die man mit der ALMS zusammen Panoz abgekauft hat, und der Kansas Speedway, in dessen Infield jüngst eine Road Course-Schleife gebaut wurde. Zudem tritt man zum zweiten Mal mit der NASCAR in Indianapolis an und veranstaltet ein Doubleheader-Wochenende mit der ALMS in Elkhart Lake. Für 2014 stehen die Chancen also anscheinend wirklich gut, einen grandiosen Kalender für die vereinigte Serie zusammenzustellen.
FIA GT Series
Kommt der Name jemandem bekannt vor? Das hatten wir doch irgendwann schonmal… Stephane Ratel besinnt sich und kommt zu dem Schluss, dass das bis 2008 genutzt Format doch besser war als die gescheiterte GT1-WM: jeder darf so viele Autos an den Start bringen, wie er mag, und auch welche Marke sie haben, ist egal. Kein Möchtegern-„Battle of the Brands“ mehr mit einem zusammengekauften Starterfeld aus Zweier-Teams. Nur die 1h-Rennen bleiben leider, aber als Ausgleich dafür gibt es ja die Blancpain Endurance Serie, die dieselben Teams ansprechen soll.
Deswegen ist der Kalender auch kompakt und europäisch gehalten, auf krumme anderthalb-Kilometer-Kurse in chineischen Metropolen wird verzichtet, nur ein arabisches Rennen soll es geben. Die Saison wird wieder mit dem traditionsreichen Oster-Pokal in Nogaro starten, es folgen Zolder, Zandvoort, der Slovakia-Ring und Navarra vor dem wie angesprochen noch in Planung befindlichen Abschluss im mittleren Osten. So wirklich mag mich auch dieser Kalender wieder nicht vom Sessel zu reißen.
Auf der einen Seite möchte ich Ratel danken für seinen mutigen Versuch, eine GT-Weltmeisterschaft zu organisieren. Andererseits allerdings war das Konzept von Anfang an so „flawed“ (sorry, aber ich finde keine Übersetzung, die so schön und passend klingt, wie ich es gern hätte), dass es nie wirklich funktionieren konnte und die drei Jahre waren mindestens eins zuviel. Dass nach jeder Saison zumindest die Fahrer-Champions die Serie verließen und nicht zur Titelverteidung antraten, spricht Bände (und gilt übrigens auch für dieses Jahr, da Münnich-Motorsport in die WTCC wechselt!). Bleibt zu hoffen, dass morgen auch die SRO eine ansprechende Liste an Teams präsentieren kann. Den Vorab-Meldungen, wer angeblich alles dabei sei, traue ich nach der Erfahrung der letzten Jahre nicht mehr. Aber zumindest mit Hexis und Sebastien Loeb Racing darf man wohl fest rechnen (beide McLaren), daneben soll u.a. auch Phoenix Racing mit Audi am Start sein.
Blancpain Endurance Series
Die beste Ratel-Kreation dieses Jahrtausends: viele bunte GT3-Autos, Unterkategorien für Vollprofi-, Pro-Am-Misch- und reine Gentleman-Teams, überwiegend tolle Rennstrecken, 3h-Rennen. Und trotzdem fliegt die Serie unter dem Radar. Dabei könnte und sollte sie eigentlich die Top-GT-Serie in Europa darstellen. Mit den 24h von Spa hat man ein perfektes Signature Event, auch wenn man sich das durch die Audi-Vorteils-Regel (Maximallänge für Stints zwischen Tankstopps) gleich im ersten Jahr beschädigt hat. In diesem Jahr wird man nun als zweites großes Event in dem kurzen, knackigen Kalender die 1000km auf dem Nürburgring wiederbeleben, die von der ELMS fallen gelassen wurden. Großes Lob dafür!
Auch die Entscheidung, die FIA GT3-EM nicht weiter zu veranstalten, ist richtig und gut. Neben den nationalen GT3-Serien mit überwiegend 1h-Rennen war eine weitere auf europäischen Ebene unnötig geworden und die BES trifft schlichtweg mehr den Geschmack der Teams und vor allem ihrer Geldgeber, die in der BES mehr Fahrzeit an einem kompakteren Wochenende bekommen.
Monza, Silverstone und Paul Ricard werden die weiteren Austragungsorte sein, und man erhofft sich bei der SRO wohl einige Teams, die in der BEP und der FIA GT an den Start gehen. Dennoch könnte die Teilnehmerliste für die volle Saison aber etwas dünner sein als in den Vorjahren, bislang sind 27 Fahrzeuge gemeldet. Meist sollen es jedoch an die oder gar über 40 werden, was zumindest für Spa sicher ist, dort dürften auch 2013 wieder um die 60 Fahrzeuge zu erwarten sein.
4 Kommentare
Flawed = fehlerhaft.
Hehe, danke. Rein „fachlich“ weiß ich schon, wie man das Wort übersetzt. Was ich meinte ist, dass keines der deutschen Wörter so richtig den Sinn oder Klang von „flawed“ trifft ;-)
[…] RacingblogSportwagen-Serien: Zwischen den JahrenDie Formel 1 startet so langsam wieder durch, doch bei den Sportwagen sind schon die ersten Rennen gelaufen. Ze… […]
@ StefanTegethoff:
„nicht genug durchdacht“, „verbesserungswürdig“, „latent kaputt“, „brüchig“, „unreif“, … :)
Comments are closed.