Carl Edwards beendete auf dem Phoenix International Raceway eine lange sieglose Serie und durfte endlich wieder zum Rückwärtssalto ausholen. Im spannenden Finale setzte er sich gegen Jimmie Johnson, Brad Keselowski und Denny Hamlin durch. Bis dahin bot das Rennen allerdings weniger Spannung als vom Gen6 erwartet und fiel durch viele Reifenschäden auf.
Das Rennen in Phoenix war… Ok, zweiter Versuch eine Stunde später: Nach „Ich schau mal, was sonst noch in der Wohnung zu tun ist.“ ist mir immer noch nicht so richtig klar, was ich vom Sprint Cup am Sonntag halten soll. Einerseits bot das Finale echte Spannung, aber es waren halt nur die zwei Runden der Verlängerung. In den 314 Umläufen davor plätscherte das Rennen mehr oder weniger seicht vor sich hin, wenn sich die rechten Vorderreifen mal nicht am laufenden Band verabschiedeten. Die insgesamt acht Cautions führten das Kaugummifeld wenigstens ab und zu mal wieder zusammen. Wenn ein Fahrer nicht wirklich sehr viel schneller als sein Vordermann war, fiel das Überholen nämlich recht schwer – vor allem, wenn es um die direkte Führung ging. Ein NASCAR-Rennen mit dem typischen Langstreckencharakter also, welches ähnlich wie das Daytona 500 vor einer Woche mehr oder weniger durch die unterschiedlichen Geschichten der Beteiligten interessant blieb:
Mit Carl Edwards gab es am Ende zum Beispiel einen verdienten Sieger, der seit gut und gerne zwei Jahren auf seinen Trademark-Backflip verzichten musste. Ich kann euch aber beruhigen, der Edwards kann das noch und landete sauber auf seinen Füßen. Etwa zur Halbzeit – im Chat wurde die korrekte Rundenanzahl berechnet – setzte sich der Ford-Pilot erstmals in Führung, musste diese aber zwischenzeitlich für 47 Umläufe an Dale Earnhardt Jr (5.) abgeben, welcher seinerseits ein sehr solides Rennen ablieferte. Die echte Zitterpartie begann für Edwards im Vorlauf zum Finale: Zwar konnte er sich während der vorletzten Gelbphase an der Box wieder ganz nach vorne schieben, allerdings war das Benzinfenster der Führungsgruppe dabei nur knapp geschlossen.
Die anschließende Green-White-Checkered-Overtime bot also richtig Dramatik, da im erwähnten Green-Flag-Run vor dem Finale noch ein ganz anderer Fahrer von hinten Druck machte. Brad Keselowski pflügte in einem Affenzahn durch das Feld und war wenige Runden vor Schluss am Edwards-Verfolger Jimmie Johnson dran. Johnson schielte zu diesem Zeitpunkt nach seinem Sieg im Daytona 500 schon auf die Zähler für Rang 2 und machte (auch aufgrund von Benzinknappheit) keine Anstalten mehr, den Führenden anzugreifen. Der Unfall von Ken Schrader drei Runden vor Schluss „veränderte wirklich alles“, wie Darrell Waltrip es schön auszudrücken wusste. Keselowski wäre alleine wohl nicht mehr an Edwards rangekommen und hätte sich höchstens noch mit Johnson um Platz 2 prügeln können.
Natürlich schalteten alle Piloten unter Gelb regelmäßig ihre Motoren ab, um die letzten Tropfen Benzin für die Verlängerung zu sparen. Kritisch wurde es noch, als der Restart um eine weitere Runde verschoben werden musste, da Landon Cassill auf der Gegengerade ausgerollt war. Witzig anzuschauen war dann das Rennen zwischen dem herbeigerufenen Wrecker und dem Pacecar. Es ging zum Glück knapp für das Service-Fahrzeug aus, ansonsten wäre es für einige Piloten unter Grün mit dem Sprit wirklich verdammt eng geworden.
Carl Edwards erwischte einen bombastischen Restart und setzte sich sofort ab. An dieser Stelle hatte er das Rennen quasi gewonnen, denn hinter ihm belagerten sich Jimmie Johnson und Brad Keselowski gegenseitig und verloren so wertvolle Zeit auf den Führenden. Dann folgte das Manöver des Tages und das kam wirklich aus dem Nichts: Während man mit Johnson und Keselowski im Kampf um Platz 2 beschäftigt war, schoss Denny Hamlin in der letzten Runde von Rang 4 aus über den Apron des Dog-Legs und machte sich vor den beiden Kontrahenten ganz breit. Keselowski hatte das Nachsehen, wodurch nun plötzlich Johnson gegen Hamlin mit ordentlichem Kontakt den zweiten Platz verteidigen musste. Der fünffache Champion wird sich da auch gefragt haben, wo die #11 denn auf einmal herkam. Tausendstelsekunden entschieden: Johnson vor Hamlin – dahinter Keselowski.
Im restlichen Rennverlauf waren die Abstände allerdings keinesfalls so eng und es wurde deutlich, dass das Gen6 wohl doch nicht der große Heilsbringer zu sein scheint. Der allgemeine Tenor bei der Pressekonferenz nach dem Rennen war, dass sich das Überholen sehr schwierig gestaltete und das, obwohl NASCAR extra die Dachkameras zugunsten einer besseren Aerodynamik geopfert hatte (:]). Die Führungswechsel fanden daher nahezu ausschließlich in der Boxengasse statt, was sich deutlich zeigt, wenn man sie zeitlich über die Caution-Flags legt. Die Teams waren allesamt auf unterschiedlichen Reifenstrategien unterwegs und absolvierten ihre Two-Tire-Stops an der Spitze versetzt nach Left- oder Right-Side-Only, was etliche Platztausche ermöglichte. Auf diese Weise setzten sich auch Juan Pablo Montoya (12.) und Greg Biffle (17.) zwischenzeitlich für einige Runden in Führung, hatten aber mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun.
Der zweite große Faktor waren die Reifen, welche die Tendenz hatten, sich plötzlich in Schall und Rauch aufzulösen. Ob das nun allerdings Goodyear anzurechnen war oder ob die Teams sich mal wieder mit Sturz und Reifendruck verrannt haben, konnte bisher nicht geklärt werden. Sechs der acht Gelbphasen kamen jedenfalls auf diese Weise zu Stande und dabei erwischte es Scott Riggs, Dave Blaney, Ryan Newman, Danica Patrick (im Schlepptau noch David Ragan), David Gilliland und Ken Schrader. Ganz bitter für Front Row Motorsports, die nach dem unverschuldeten Totalausfall in Daytona nun wieder zwei beschädigte Chassis verkraften müssen und auch für Stewart-Haas Racing war Phoenix ein teurer Ausflug. Frau Patrick hatte den härtesten Einschlag des Tages ausgangs von Turn 4 zu verkraften, überstand diesen aber unbeschadet. Im Rennen spielte sie bis dahin keine Rolle. Überhaupt fiel auf, dass die meisten Reifenschäden in Turn 4 auftraten.
Weitere Geschichten des Tages:
– Polesitter Mark Martin (21.) verlor nach dem ersten Renndrittel sein Handling und damit den Anschluss an die Spitze. Teamkollege Martin Truex Jr (36.) hatte mit mechanischen Problemen zu kämpfen, da ein Teil der Antriebswelle brach und aufwändig repariert werden musste. Einzig Clint Bowyer (6.) holte ein unauffälliges Top-Resultat für Michael Waltrip Racing.
– Kyle Busch (23.) erlebte einen dieser berühmten „langen Tage im Büro“, da er zunächst nach einem Motorenwechsel vom Ende des Feldes starten musste. Es gelang ihm zwar, immer mal wieder an die Spitze vorzustoßen, doch warf er sich selbst mit zwei Drehern wieder weit zurück. Die Teamkollegen bei Joe Gibbs Racing hatten da mehr Glück, denn neben Denny Hamlin (3.) landete auch Matt Kenseth (7.) in den Top10.
– Bei Stewart-Haas Racing kam lediglich Tony Stewart (8.) ins Ziel.
– Jeff Gordon (9.) unterstützte eine solide Performance seiner Top5-Mitstreiter bei Hendrick Motorsports, was man von Kasey Kahne (19.) leider nicht behaupten konnte. Auch bei Letzterem gab es wohl Handling-Probleme.
– Die Top10 komplettierte Jeff Burton, gefolgt von einem starken AJ Allmendinger im #51-Chevrolet von Phoenix Racing auf Platz 11. Ansonsten blieb Richard Childress Racing unauffällig mit Kevin Harvick (13.) und Paul Menard (20.) in den Top20.
In der nächsten Woche steht dann zum ersten Mal in der Saison ein 1,5-Meilen-Intermediate-Oval auf dem Programm, wenn Sprint Cup und Nationwide Series das Spielerparadies Las Vegas angesteuern. Damit kommt dann endlich die lang erwartete, große Belastungsprobe auf das Gen6 zu, da ein Großteil des Kalenders diesen Streckentyp beinhaltet. Zwar unterscheidet sich Las Vegas noch etwas von den Standard-Strecken in Charlotte, Atlanta und Texas und gleicht von der Form eher Kansas, Chicagoland oder Kentucky, verfügt allerdings über ähnlich viel Banking wie die erstgenannten Ovale. Dazu dann aber am Freitag mehr!
Die gesamten offiziellen Ergebnisse können hier inklusive weiterer Statistiken noch einmal bei Jayski.com nachgeschaut werden. Zum Abschluss folgt wie gewohnt die Übersicht zu den Punkteständen bei den Fahrern und in der Owner-Wertung (Achtung: Alles PDF-Dateien!).
1 Kommentare
[…] RacingblogNASCAR: Analyse Phoenix März 2013Carl Edwards beendete auf dem Phoenix International Raceway eine lange sieglose Serie und durfte endlich wieder… […]
Comments are closed.