Wenn es Nacht wird in Singapur, dreht die Formel Eins erst richtig auf. Sebastian Vettel könnte seine vierte WM am Wochenende schon mehr oder weniger klar machen.
Weltmeister kann Vettel am Wochenende natürlich noch nicht werden, aber ein weiterer Sieg bei einem Ausfall oder einer schlechten Platzierung von Fernando Alonso dürfte die WM schon entscheiden. Sein Vorsprung auf den Ferrari-Piloten beträgt bei noch sieben zu fahrenden Rennen bereits 53 Punkte, im günstigsten Fall wären es am Sonntag nach dem Rennen dann 78 Punkte. Die Chancen, dass Red Bull auch in Singapur den Rest mal wieder weit hinter sich lässt, stehen gar nicht mal so schlecht und für Ferrari gibt es weitere Probleme.
Denn bisher konnten die Italiener auf engen Kursen nicht wirklich überzeugen. In Monaco holte Alonso magere sechs Punkte, in Ungarn waren es zehn Zähler. Nicht gerade eine Bilanz, die Ferrari sehr fröhlich stimmen sollte. Zwar verbreitet die PR-Abteilung weiter gute Laune und spricht von „maximaler Attacke“, hinter den Kulissen sickert aber auch schon durch, dass man bei einem schlechten Abschneiden in Singapur den Fokus auf 2014 verschieben wird. Dass Ferrari aus eigener Kraft noch den WM-Titel holen kann, ist nicht ausgeschlossen, aber wer glaubt schon, dass man die restlichen Rennen der Saison alle gewinnt?
Dazu kommt, dass die Konkurrenz in Singapur groß ist. Mercedes hat in Monaco und in Ungarn gewonnen, der enge Kurs sollte ihnen also liegen. Nach den schlechten Ergebnissen in Spa und Monza soll auch dringend mal wieder ein Sieg her und die Deutschen stehen auf den Wettlisten auch ganz weit oben. Rosberg, der als Spezialist für solche Kurse gilt, ist der erste Siegesanwärter. Aber selbst ein Doppelsieg der Mercedes dürfte Red Bull nicht weiter beunruhigen, denn Platz 3 sollte allemal drin sein, was auch reicht, um den Abstand zu Ferrari vergrößern zu können.
Bei Lotus hat man die Saison auch schon abgehakt. Räikkönen hat bei Ferrari unterschrieben und sein Rückstand in der WM beträgt 88 Punkte. Die beiden Nullnummern in den letzten Rennen haben die WM-Ambitionen des Finnen komplett zerstört. Beides sind schlechte Nachrichten für Teamchef Eric Boullier, der seit dem Sommer damit beschäftigt ist, das Paket für 2014 zu schnüren. Nach dem Weggang des Finnen gibt es für den Franzosen zwei Varianten, was die Fahrerbesetzung angeht. Zum einen Hülkenberg, zum anderen auch Felippe Massa, der sich und sein Ferrari-Insiderwissen offenbar bei Lotus anpreist. Die Frage für Boullier ist, ob er Grosjean behalten will oder nicht. Gleichzeitig gibt es Gerüchte, dass Renault eventuell Teile des Teams kaufen möchte. Entweder selber oder über die Marke „Infinity“. In Monza war eine ganze Horde hoher Nissan-Manager zur Gast, was die Gerüchte noch weiter angeheizt hat. Dafür müssten aber auch weitere gute Ergebnisse her, doch der Lotus funktioniert auf engen und ultraschnellen Kursen in diesem Jahr nicht.
Da könnte eher McLaren für eine Überraschung sorgen, denn die waren in Ungarn schon recht gut dabei. Man ist zwar immer noch weit, weit von der üblichen Form entfernt, aber in den letzten beiden Rennen machte das Auto der Briten einen zunehmend besseren Eindruck. Jedenfalls nicht mehr katastrophal. Button mag Singapur, Perez wird vermutlich wieder eher ein paar Probleme haben. Aber McLaren könnte „best of the rest“ werden.
Was auch daran liegt, dass die anderen Mittelfeldteams in Singapur eher Probleme haben werden. Force India scheint für dieses Jahr weg vom Fenster zu sein, die neuen Pirelli liegen dem Wagen einfach nicht. Sauber war in Monza sensationell unterwegs, aber ob das auch auf der engen Strecke in Singapur klappt? Man darf aber nicht vergessen, dass die Schweizer dank des frischen Geldes aus Russland den Entwicklungsstau etwas abbauen konnten, was dem Wagen sichtlich gut getan hat. Toro Rosso ist schwer einzuschätzen. In Monza habe ich sie etwas weiter vorne erwartet, obwohl Ricciardo ja Punkte geholt hat. In Singapur dürfte es allerdings schwieriger werden.
Williams, Marussia und Caterham werden das Schlusslicht bilden. Vor allem der Williams ist weiterhin eine einzige Enttäuschung, denn er funktioniert auf überhaupt keiner Strecke.
Strategie
Singapur ist ein Albtraum für Techniker und Strategen. Der Kurs ist eng, hat 23 Kurven und kaum eine lange Gerade. Dazu kommen hohe Temperaturen von über 30 Grad am Abend und eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit, die gerne mal so Richtung 75 % gehen kann. Das bedeutet, dass die Motoren und vor allem die Bremsen nicht richtig abgekühlt werden. Zwar bremst man in Singapur nur einmal aus hoher Geschwindigkeit ab, aber dafür steht man permanent auf der Bremse, was den Kohlefaserscheiben nicht gefällt. Auch für alle anderen Systeme ist das Wetter eher Gift. Durch den Coanda-Auspuff sammelt sich viel Hitze unter der Abdeckung, das KERS wird zusätzlich belastet. So hatten etliche Teams im Rennen schon Probleme mit dem KERS und da denkt man ja auch und gerne an Red Bull.
Nicht leichter wird die Angelegenheit, wenn man sich die Reifen anschaut. Pirelli bringt „Supersoft/Medium“ mit. Das engt die Strategie ein wenig ein, denn niemand wird die Supersoft im Rennen lange fahren wollen. Die Top Ten werden nach acht bis zehn Runden auf die Medium wechseln, was aber mindestens einen weiteren Stopp nötig machen wird. Aber auch, wenn man die Strategie umkehrt und die Supersoft erst gegen Ende aufschnallt, wird das nicht viel ändern. Drei Stopps wären auch eine Möglichkeit, halte ich aber für unwahrscheinlich, weil sich die Medium in der Saison als sehr standfest erwiesen haben.
Eine weitere Unsicherheit ist das Safety Car, das bisher bei jedem Rennen in Singapur im Einsatz war. Klassischerweise macht fast jedes liegen gebliebene Auto eine SC-Phase nötig. Im letzten Jahr musste Bernd Mayländer zweimal raus, das kann dieses Jahr auch passieren. Und wie immer kann das Rennen dann darüber entschieden werden, wer sich bei der Ausfahrt des SC dann wo auf der Strecke befindet. Man kann, wenn man Pech hat, mehrere Plätze nach hinten durchgereicht werden, wenn es gerade nicht passt.
Das alles gibt dem Rennen die nötige Würze, denn Überholmanöver sind in Singapur, zwei DRS-Zonen hin oder her, eher selten. Man sollte sich also auf einen längeren Grand Prix einstellen. Aber immerhin sind die Nachtbilder aus Singapur jedes Jahr sensationell schön.
Achtung bei den Zeiten: Die Quali ist um 15:00 Uhr, das Rennen aber um 14:00. Mehr bei uns im TV-Planer.
1 Kommentare
Nicht vergessen dass die lustige Schikane in Turn 10 abgebaut wurde und da jetzt eine normale Kurve ist. Die Fahrer brauchen also nicht mehr beim örtlichen Tower ihre Flugberechtigung erneuern…
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