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Formula E: Der Beijing ePrix im Rückblick

von StefanTegethoff
4 Kommentare

_89P1566Der erste Lauf des jüngsten FIA-Kindes Formula E ist Geschichte. Das Rennen war durchaus unterhaltsam, am Ende staubte Lucas di Grassi nach einem Crash in der letzten Kurve den Sieg ab. Größere Blamagen im Bereich Technik, Strecke und Organisation blieben aus, es lief alles glatt; auch das hat man bei neuen Serien bzw. Rennen schon anders erlebt (man erinnere sich nur an das A1GP-Rennen in Peking mit der Haarnadel, die enger war als der Wendekreis der Fahrzeuge). Dass es den einen oder anderen technischen Defekt gab und dass einige Fahrer in den Trainingssessions noch ein wenig Eingewöhnungsprobleme hatten und mit den Leitplanken Bekanntschaft machten, ist nicht weiter ungewöhnlich.

Die Qualifikation

Prost sicherte sich die Pole mit gut einer Zehntelsekunde Vorsprung – dabei konnte er seine zweite, bis dahin noch schnellere Runde aufgrund eines Verbremsers in der letzten Kurve nicht einmal sauber beenden. Die schnellste Zeit des Wochenendes hatte allerdings Bruno Senna bereits im zweiten freien Training abgeliefert, mit 1’41.3 war sie fast eine Sekunde schneller als Prosts Pole-Runde. Trulli, Senna und Sarrazin schafften es nicht, in ihrem jeweiligen zehnminütigen Quali-Segment eine Zeit zu fahren und starteten am Ende des Feldes. Vier Fahrer (Buemi, Sarrazin, Tung, Cerruti) mussten wegen eines Getriebewechsels jeweils zehn Startplätze nach hinten, Franck Montagny wegen eines kleineren sportlichen Vergehens um drei Plätze.

Den Fan-Boost gewannen Luca di Grassi, Bruno Senna und Katherine Legge. Ein wirklicher Vorteil war hier nicht unbedingt zu bemerken (was ich persönlich aber auch nicht allzu schade fand).

Das Rennen

_SBL5713Prost kam beim Erlöschen der Ampel gut weg; auch Venturi-Pilot Nick Heidfeld erwischte einen guten Start und konnte sich in den ersten zwei Kurven vom sechsten Startplatz auf den vierten Rang nach vorn schieben. Dahinter gerieten die beiden Andretti-Piloten beinahe aneinander, aber der einzige, den es tatsächlich erwischte, war Bruno Senna, der aus dem Getümmel ausgangs Kurve 2 mit gebrochener Vorderradaufhängung herauskam. Eine kurze Safety-Car-Phase folgte; der Restart war weitgehend unspektakulär.

Die Top 4 fuhren in der ersten Rennhälfte stetig ihre Runden: Prost konnte sich zeitweise ein wenig absetzen an der Spitze, hinter ihm folgten di Grassi, Abt und Heidfeld. Ab Platz 5 ging es munter zur Sache, hier wurde gekämpft und überholt.

Nach etwas mehr als der Hälfte des Rennens – hinter dem Safety Car hatten die Piloten Energie sparen können – kamen fast alle Fahrer gleichzeitig zum Fahrzeugwechsel an die Box: vorwärts in die Zelt-Garage, aussteigen, ins Zweitfahrzeug einsteigen und wieder los, das Ganze mit vorgegebener Mindest-Standzeit, um überhastete Anschnallmanöver zu unterbinden. Die Boxenstopps liefen erstaunlich problemlos, obwohl die Fahrzeuge beim Ein- und Ausfahren teils sehr eng beieinander waren.

_89P2461Nick Heidfeld schaffte es im Zuge der Stopps, sich vom vierten auf den zweiten Rang nach vorn zu schieben. Er behauptete diesen Rang vor den beiden Abt Audi-Piloten, schien jedoch lange keine Chance gegen Prost zu haben. Erst in den letzten zwei Runden konnte er sich dessen Heck Schritt für Schritt nähern, bis er auf der Gerade hin zur letzten Kurve im Windschatten hing, immer weiter aufschloss und schließlich links ausscherte.

Prost wollte sich verteidigen, schaute rechts in den Spiegel, zog dann jedoch nach links rüber – doch dort war Nick Heidfeld bereits neben ihm. Prost fuhr Heidfeld ins Auto, der dadurch ins Schlingern geriet und über den „Baguette“-Kerb in der letzten Kurve abhob und in die Streckenbegrenzung flog. Zum Glück sah dieser Unfall dramatischer aus, als er tatsächlich war, denn Heidfeld konnte sich kurz darauf unverletzt über Kopf aus seinem Spark-Renault befreien.

_A8C9329Derweil fuhr Lucas di Grassi als erster über die Ziellinie, denn Prost konnte mir beschädigter Radaufhängung nicht in die letzte Linkskurve einlenken und strandete so neben Heidfelds Wrack. Hinter di Grassi lautete der Zieleinlauf: Montagny-Abt-Bird. Doch Daniel Abt wurde – ebenso wie Jaime Alguersuari und Katherine Legge – mit einer Strafe von 57 Sekunden belegt, da sein Stromverbrauch mehr als 28 kW betrug. Abt erreichte so nur Rang 10, auf dem Posium standen schlussendlich Lucas di Grassi, Franck Montagny und Sam Bird.

Die schnellste Rundenzeit (und damit zwei Meisterschaftspunkte) sicherte sich Takuma Sato, der jedoch bereits weiter zurückgefallen war. Mit 1’45.1 war diese Runde im race mode (ca. 200 PS) ca. vier Sekunden langsamer als die schnellste Zeit des Wochenendes von Bruno Senna im Quali-Modus mit 270 PS.

Eine Meinung

_G7C1786Es mag sicherlich unterschiedliche Meinungen zum Debütrennen der Formula E geben, aber ich muss sagen, meine Erwartungen wurden erfüllt – im positiven Sinne. Es war ein unterhaltsames, enges, bis zur letzten Kurve spannendes Rennen. Die Autos konnten einander auf dem Kurs, der reich an Schikanen und 90°-Kurven war, gut folgen, sodass Überholmanöver durchweg möglich waren. Zudem rutschten die Boliden immer wieder, beim Bremsen oder auch beim Herausbeschleunigen; dem Drehmoment des E-Motors, dem Energierückgewinnungssystem und den Michelin-Profilreifen sei Dank.

In den ersten Rennminuten befürchtete ich, dass das Surren der Elektromotoren über die Renndauer sehr störend werden würde – doch das Gegenteil war der Fall: Spätestens zur Rennhälfte nahm ich das anfangs unangenehme Geräusch kaum noch wahr. Die Untermalung des Rennens mit elektronischer Musik ist ungewohnt, aber durchaus passend und stimmungsvoll. Aber über all diese Dinge wird es sicherlich rege Diskussionen unter den Motorsport-Fans geben – gern auch hier in den Kommentaren!

Bis zum nächsten Rennen in Putrajaya, Malaysia, sind es noch über zwei Monate. Dann sind die meisten konkurrierenden Serien schon in der Winterpause. Ich denke, die Formula E hat einen soliden Start in ihre Debütsaison hingelegt und könnte sich mit ihrer Positionierung als Winterserie durchaus etablieren. Es fehlt noch der technische Wettbewerb, aber da sehen wir dann ab Saison 2 mal weiter…

Bilder: Formula E

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4 Kommentare

Alexx 15 September, 2014 - 16:35
hwk 15 September, 2014 - 18:10

Aus meiner Sicht kann ich dem ganzen nicht unbedingt anschließen. Folgende Punkte stören mich:
1.) Motorsound. Ich konnte mich nicht daran gewöhnen, das Ganze klingt wie ein kaputter Staubsauger.
2.) Ich dachte ich schau nicht richtig, als auf der Einführungsrunde so dermaßen geschlichen wurde. Was soll das? „Strom sparen“, super.
3.) ich fand das Rennen auch nicht sonderlich spannend, bis auf den Prost/Heidfeld Zwischenfall, wobei ich auf Unfälle solcher natur gern verzichten kann.
4.) Autowechsel bei Halbzeit? Soll das die Zukunft sein? Nein Danke. Dann entwickelt bitte lieber größere oder bessere Batterien und macht halt 2 Pflicht-Reifenstopps, wenn Spannung gebraucht wird.
5.) Fan-Boost? Ernsthaft? Was hat das ungleich behandeln von 3 ausgesuchten Lieblingen mit Sport zu tun?

ich hatte mich drauf gefreut, aber auf so eine Formelserie kann ich verzichten. Macht eher den Eindruck einer Junioren-Einheitschassi Serie, welche es aber wohl nicht sein will/kann.

just my 2 cents.

nona 15 September, 2014 - 21:16

Den Sound finde ich unerträglich. Optisch machen die Wagen etwa so viel her wie ein Plastikspielzeug aus dem Ü-Ei. Der Pflichtwechsel ist so eine beispielhafte Sache, die die eigentliche Unausgegorenheit der technischen Entwicklung offenkundig macht – damit tut man der eigentlich begrüssenswerten Sache keinen Gefallen. PR-Stunts wie der Fan Boost halte ich für eine Lachnummer. Spannend fand ich das Rennen nicht.

Ich bleibe dabei: Motorsport spricht idealerweise immer auch die Sinne an. Je mehr Klang, Optik, Geruch, desto attraktiver ist das Ganze selbst bei schwachem Sport auf der Strecke (je nach Streckencharakteristik z.B.). Bei all dem hapert es hier dann doch ganz gewaltig.

Nein danke, nicht meine Abteilung.

Vorsicht 16 September, 2014 - 19:24

Das lustige ist: Fast jeder scheint das Rennen genauso empfunden zu haben, wie er es erwartet hatte… Ich fand es (daher?) ganz gut.

Aber ich gehöre ja auch zu den Leuten, die den Sound(mangel) – vor allem in den Onboards – relativ cool finden. Womit ich allerdings weniger anfangen konnte, ist die Musikuntermalung, auf die die Formel E komischerweise gesetzt hat.
Die Zugang mit den Sinnen (ohrenbetäubender Lärm und Abgasgestank), das war für mich nicht nie das, was ich am Motorsport faszinierend fand.

Was ich allerdings auch nicht so toll fand, ist der Autowechsel. Damit tut man sich wirklich keinen Gefallen. Entsprechend schien es mir in der TV-Übertragung auch relativ auffällig, wie die Regie auffällig unauffällig immer wieder aus dem Boxen rausblendete, wenn dort eigentlich grade Action war.

Ein letztes Wort zur Strecke: Die war besser als gedacht. Nicht unglaublich einfallsreich, aber gut auf die Bedürfnisse der Autos angepasst. Und einigermaßen sicher zum Glück auch.

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