Für das Fahrerfeld der neuen Elektro-Rennserie Formula E steht vor Weihnachten noch ein Arbeitswochenende auf dem Plan: Der dritte Lauf in der Debütsaison findet am Samstag in Punta del Este in Uruguay statt, um 19 Uhr MEZ, also zur besten Sendezeit in Mitteleuropa. Sky überträgt live. Zunächst jedoch ein kurzer Rückblick auf das vergangene Rennen in Putrajaya.
Rückblick: Lauf 2 in Putrajaya, Malaysia
Vor anderthalb Wochen wurde der zweite Lauf in Malaysia ausgetragen. Es war ein unterhaltsames und sportlich interessantes Rennen, das Lust auf mehr macht – das offizielle Highlight-Video (extended edition) gibt’s hier zu sehen. Als Winterserie mit interessanten neuen Austragungsorten und Rennstrecken und einem bunt durchmischten Fahrerfeld macht mir diese Serie bisher Spaß und hat – so denke ich – die Chance, sich zu etablieren.
Die Strecke in Putrajaya verlief durch das Zentrum der seit Mitte der 90er Jahre in Bau befindlichen Planstadt. Diese ist, südlich von Kuala Lumpur gelegen, Verwaltungssitz der malaysischen Regierung; abseits der Regierungsgebäude ist das Stadtzentrum jedoch noch nicht fertig gestellt, sodass die Rennstrecke teilweise eher durch einen Park zu verlaufen schien und geradezu idyllisch anmutete. Die zahlreichen Beschleunigungspassagen nach engen Kurven sorgten für rutschende und driftende Autos, außerdem stellte insbesondere die Zufahrt zur Haarnadelkurve über einen Linksknick einige Fahrer vor Probleme.
Am besten eingestellt auf die Strecke – und vor allem auf das Fahrzeug – hatte sich Sam Bird. Von Rang 3 gestartet übernahm er kurz nach dem Safety-Car-Restart die Führung von Pole-Mann Oriol Servia und enteilte in weite Ferne. Das beeindruckende dabei: Trotz schnellerer Rundenzeiten verbrauchte er weniger Energie als die Konkurrenz, konnte entsprechend spät das Auto wechseln und die zweite Rennhälfte ohne großen Druck von hinten angehen.
Allerdings übernahm Bird erst in der 27. von 31 Runden wieder die Führung, die bis dahin Daniel Abt innehatte. Abt hatte bereits zu Rennbeginn ein Problem mit seinem Start-Fahrzeug und wechselte darum früh, wobei er durch das Safety Car kaum Zeit verlor. Mit der Energieladung des zweiten Fahrzeugs musste Abt jedoch fast die gesamte Renndistanz bestreiten und konnte nur ein entsprechend geringeres Tempo gehen. In den letzten Runden wurde er noch bis auf Rang 10 durchgereicht, doch so reichte es trotz technischer Probleme immerhin noch zu einem Punkt.
Nicolas Prost hatte zwar im Qualifying wie beim Saisonauftakt die schnellste Runde gedreht (gut zwei Zehntel schneller als Oriol Servia), musste jedoch von Rang 11 starten, weil er in Peking eine Kollision mit Nick Heidfeld verursacht hatte. Mit Rang 4 im Rennen zeigte er jedoch, dass er in dieser Saison auf jeden Fall zu den Kandidaten für die vorderen Plätze gehört.
Beeindrucken konnte neben Bird und Prost auch Lucas di Grassi. Vom 18. Startplatz aus (er konnte im Qualifying keine gezeitete Runde fahren) arbeitete er sich im Rennen bis auf Rang 2 nach vorn. In der Meisterschaft liegt er darum nun (nach dem ‚geerbten’ Sieg in Peking) mit 43 Punkten in Führung. Bird folgt mit 40 Zählern, dahinter klafft bereits eine Lücke zu Montagny, Prost, Chandhok und d’Ambrosio, die allesamt bei 18 Punkten stehen.
Nick Heidfeld konnte seinen Mitleids-FanBoost nicht einsetzen, denn er wurde wieder Opfer eines übereifrigen Mitbewerbers: Schon in der Anfangsphase wurde er von Franck Montagny in der Anfahrt auf die Haarnadel in die TecPro-Barriere gedrängt, was seine Vorderradaufhängung nicht überstand. Heidfeld erklärte Montagny nach dem Wochenende für „slightly crazy“, anscheinend aber ohne dies beleidigend zu meinen.
Vorschau: Lauf 3 in Punta del Este
Nun also steht Punta del Este an: Die dortige Strecke verläuft im Wesentlichen auf einer mehrspurigen Straße auf der Ostseite der Halbinsel, in unmittelbarer Nachbarschaft zum weitläufigen Sandstrand. Die Rennbahn besteht vor allem aus Schikanen (fünf an der Zahl) und weiteren engen Ecken, schnelle Kurven sind hier Mangelware. Doch gerade die Beschleunigungs- und Bremspassagen sind es, die mit diesen Autos (wegen der Energierückgewinnung beim Bremsen und des großen Drehmoments beim Beschleunigen) besonders spektakulär sind, sodass der Streckenverlauf für ein spektakuläres Rennen taugen sollte. Wechselnde Fahrbahnbeläge und vom Strand herübergewehter Sand werden dies noch verstärken.
An der Fahrerfront gibt es eine Neuigkeit: Der von red Bull verstoßene Formel-1-Flüchtling Jean-Eric Vergne wird für Andretti Autosport ins Lenkrad greifen. Zwar hat der junge Matthew Brabham – der sich in Putrajaya schwer tat und vor allem Pirouetten drehte – angekündigt, weitere Rennen für Andretti bestreiten zu wollen, doch nun darf sich erst einmal ‚JEV’ beweisen.
Bei China Racing verzichtet man auf den chinesischen Piloten; neben Nelson Piquet Jr. wird diesmal statt Ho-Pin Tung der GT-erfahrene Corvette-Pilot Antonio Garcia für das Team an den Start gehen, der zuletzt 2002 in der World Series by Nissan in einem Formelwagen angetreten ist. Bei Amlin-Aguri bleibt Antonio Felix da Costa nach dem guten achten Platz in seinem ersten Rennen in Putrajaya gesetzt.
Als Favorit muss nach der grandiosen Leistung in Putrajaya eigentlich Sam Bird ins Rennen gehen. Es wird sich zeigen, ob bzw. wie schnell es ihm andere gleich tun können und dieses Auto und seine Technik verstehen und die notwendige Abstimmung und Fahrweise finden.
Sonstige Neuigkeiten
Eine Neuerung in Putrajaya war der Verzicht auf die Einführungsrunde. Die Fahrzeuge fuhren aus dem ‚Pre-Grid’ lediglich einige Meter nach vorn auf ihre Startpositionen, bevor die Ampel-Lichter zu atmosphärischen Klängen erleuchteten. Damit sind die Organisatoren direkt auf einen der größten Kritikpunkte nach dem Saisonauftakt eingegangen, denn die Aufwärmrunde in Peking wurde ihrem Namen nicht gerecht, zog sich vielmehr endlos hin, weil die Piloten lieber Energie sparen wollten. Dass die Serien-Führung flexibel auf Kritik reagiert und Änderungen schnell umsetzt, ist vielversprechend für den weiteren Verlauf der Debütsaison.
Neuigkeiten gibt es derweil auch bezüglich des London-Laufs. Während für den Großteil der zweiten Saisonhälfte die Streckenverläufe noch nicht feststehen (oder zumindest noch nicht bekannt gegeben sind), ist der Kurs im Londoner Battersea-Park vor einigen Wochen veröffentlicht und in dieser Woche vom Bezirksparlament (local council) abgesegnet worden. Nun fehlt noch die Baugenehmigung (planning permission) für die temporären Anlagen und die Rennstrecken-Nutzung, zumal der südwestlich der City of Westminster gelegene Park denkmalgeschützt ist.
Die etwa 3,5 km lange Strecke verläuft in weitem Bogen einmal um die Mitte des Parks herum. Mit ihren geschwungenen Geraden und teilweise großen Kurvenradien, zeitgemäß durchsetzt mit einigen Schikanen, sieht der Kurs auf den ersten Blick vielversprechend und ein wenig ‚retro’ aus. Die Möglichkeit, ganz neue Wege bei der Auswahl der Austragungsorte und der Planung der Rennstrecken zu gehen, ist für mich einer der großen Vorzüge der Elektro-Rennserie.
Quelle: Formula E Media
4 Kommentare
Klasse Überblick, danke Stefan. Ich teile im Übrigen deine Meinung: Ich habe auch beide bisherigen Rennen ziemlich unterhaltsam gefunden. Und den Surr-Sound finde ich, vor allem Onboard, auch ziemlich cool. Aber gut, da bin ich wohl in der Minderheit.
Nur eine kurze Frage: Wo findet sich denn der Streckenplan zum Rennen im Battersea Park?
Danke. Mir geht’s da ähnlich, ich hab bisher Spaß an der Serie.
Habe den Link vergessen, du kannst die Streckenführung z.B. bei Autosport einsehen: http://www.autosport.com/news/report.php/id/116124
[…] Formula E: Rückblick Putrajaya / Vorschau Punta del Este, gefunden bei http://www.racingblog.de (0 Buzz-Faktor) […]
Mir gefällt die Serie bis dato auch. Lobenswert ist, dass die Rennen auch komplett auf Youtube zu finden sind, und das meistens schon nach wenigen Tagen.
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