Das nicht sehr ereignisreiche Sprint Unlimited und das dafür umso bemerkenswertere Pole-Qualifying sind Geschichte. Grund genug für uns, mal auf das Zeitfahren in Gruppen zurückzuschauen, darüber zu sinnieren und einen Ausblick auf die verschiedenen Szenarien betreffend der Budweiser Duels zu wagen.
Analyse Pole-Qualifying
Herzlichen Glückwunsch kann man da nur den NASCAR-Offiziellen sagen und so ein bisschen musste man ja auch mit diesem Ausgang des Pole-Qualifyings rechnen, das 2015 zum ersten Mal unter den neuen Gruppen- & Segment-Regeln ausgetragen wurde. Natürlich ist man hinterher immer schlauer, doch schon vor dem Chase-Rennen in Talladega sah man, dass auch eine Verkürzung der Segmente auf fünf Minuten nicht die letzte Weisheit sein konnte. Immerhin qualifizierte sich damals aufgrund des schlechten Timings sogar ein Ricky Stenhouse Jr. nicht, was de facto eine Katastrophe darstellte.
Auch in Daytona ließen sich alle Gruppen wieder sehr viel Zeit und man konnte schon von einem Wunder sprechen, dass alle Teilnehmer rechtzeitig die Ziellinie erwischten, um überhaupt eine schnelle Runde zu beginnen. Als Auslöser präsentierte sich das Geschacher um einen guten Platz in der Boxengasse, was dazu führte, dass einige Wagen sogar im Gras parkten! Niemand wollte als Erster auf die Strecke fahren, um nicht die Draft-Lokomotive für alle anderen Piloten spielen zu müssen – ein sicherer Garant für den letzten Rang in der Zeitentabelle.
Als es dann endlich doch losging, war extrem viel Bewegung im Feld, weil wohl nicht alle mit ihren Positionen im Draft einverstanden waren. So kam es, dass Clint Bowyer – dem man schon fast Absicht unterstellen kann – in einem wilden Manöver Reed Sorenson in die Mauer schickte und sich selbst gleich hinterherwarf. Im entstandenen Trubel wurden gleich drei oder vier Autos komplett zerstört und eine kleine Mannschaft wie die von Sorenson hat natürlich kein Backup-Fahrzeug dabei. Ein Start im Budweiser Duel scheint hier in weite Ferne gerückt.
Wer jetzt sein Häkchen dahinter machte und es als „Ach, NASCAR eben!“ abtat, wurde bei den anschließenden Fahrer-Interviews eines Besseren belehrt. Clint Bowyer kritisierte NASCAR teilweise heftig und auch andere Piloten taten es ihm annähernd gleich, wenn auch in gemäßigterem Ton – siehe ausgerechnet Kurt Busch. Man konnte erkennen, dass es da bei vielen schon etwas länger brodelt, was aber durch die Berichterstattung der TV-Stationen und Nachrichtenseiten im Vorfeld höchstens latent zu erkennen war.
Der Tenor lautete, dass NASCAR mit diesem Format (zumindest für das Pole-Qualifying zum Daytona 500) die harte Arbeit der Teams über den Winter ruinierte. Man versuche, jede Zehntelsekunde aus den Autos herauszuquetschen, nur damit sich im Draft alles wieder relativierte und im schlimmsten Fall sogar noch das Einsatzfahrzeug abgeschrieben werden müsse. Die Offiziellen haben mittlerweile immerhin angekündigt, sich das Thema noch genauer anzusehen und die Fahrer für die sehr direkten Aussprachen nicht zu bestrafen.
Mögliche Alternativen wären aus meiner Sicht:
1) Man kehrt zum Einzelzeitfahren zurück, da auch das Gruppen-Qualifying in Daytona nur ca. fünf Zuschauer auf die Tribünen locken konnte. Damit wäre die harte Arbeit der Teams um jedes Zehntel wieder im Vordergrund.
2) Wir lassen das Pole-Qualifying einfach sein und verlassen uns komplett auf die Budweiser Duels oder setzen ein zusätzliches Qualifikationsrennen für die erste Startreihe an, ähnlich zum Sprint Showdown. Hier besteht allerdings die Gefahr, dass anschließend noch mehr Autos reif für den Schrottplatz sind.
3) Das Gruppen-Qualifying wird in eine Art Rennen umgewandelt, in der die Reihenfolge nicht zählt. Vom Pace-Car auf die Reise geschickt, kämpfen die Gruppen jeweils zehn Runden um die schnellste Rundenzeit. Die Startreihenfolge wird dazu am besten ausgelost, um Schachereien in den Freien Trainings oder den ersten Segmenten zu verhindern.
Ich persönlich befürworte die dritte Option.
Durch diese kontroversen Ereignisse geriet dann die Pole-Position von Jeff Gordon etwas in den Hintergrund. Der Veteran verschafft NASCAR damit die dritte, sehr seltsam ins PR-Konzept passende Daytona-Pole in Folge nach Danica Patrick und Austin Dillon. Für Gordon ist 2015 bekanntlich die 22. und letzte Vollzeitsaison, Schlagzeilen sind also garantiert. Neben ihm wird am nächsten Sonntag Teamkollege Jimmie Johnson ins „Great American Race“ gehen. Damit und der Zeitenliste vom vergangenen Sonntag stehen somit sechs weitere Piloten sicher im Feld.
Vor Beginn der neuen Saison schrieb ich: „Die einzigen, bereits vor dem Start der Speedweeks, fest qualifizierten Piloten für das Daytona 500 sind also Kevin Harvick, Ryan Newman, Denny Hamlin, Joey Logano, Brad Keselowski, Jeff Gordon und Jimmie Johnson.“ Hierzu gesellen sich nun über die Provisionals Matt Kenseth (Owner-Wertung) und Tony Stewart (Champion’s Provisional), da Gordon und Johnson ja über die erste Startreihe eine höherwertige Qualifikation erreicht haben.
Dazu kommen wie angekündigt auch die vier schnellsten Piloten der kumulierten Qualifying-Sessions. In Runde 1b fuhren Aric Almirola, Ricky Stenhouse Jr., Carl Edwards und Jamie McMurray gemeinsam mit Johnson über 202 mph, was für diese Fahrer einen garantieren Startplatz im Daytona 500 bedeutet. Vor allem für Edwards ist das natürlich eine wahnsinnige Erleichterung, verfügt er doch nach seinem Wechsel in ein völlig neu aufgebautes Team von Joe Gibbs Racing über keinerlei Owner-Punkte, die ihm ein Provisional garantieren.
Ihre Platzierung können sie natürlich noch über die Duels verbessern, womit weitere Teams über die Zeitenliste nachrücken würden. Hier stehen z. B. Michael Waltrip, Kyle Busch, Austin Dillon, Kasey Kahne und Ty Dillon in dieser Reihenfolge in den Startlöchern.
Weitere Fahrer kamen nicht über 200 mph, naja theoretisch schon, aber Denny Hamlin und Dale Earnhardt Jr. wurde die Zeiten gestrichen, weil sie durch die technische Inspektion rasselten. Im Falle Hamlin nicht so schlimm, jedoch muss sich Earnhardt über die Duels ins Rennen fahren oder zumindest darauf hoffen, dass dies Harvick tut, damit Junior als Achter in der Owner-Wertung nachrückt.
Vorschau Budweiser Duels
Klingt kompliziert? Ist es aber eigentlich nicht, zumindest nicht, wenn man Freude an Statistiken findet. Wir gehen hier im Folgenden quasi direkt über in die Vorschau der Budweiser Duels, welche erstmals in der Nacht von Donnerstag auf Freitag stattfinden. Ich habe leider keinen Urlaub bekommen, muss aber glücklicherweise erst um 11 Uhr im Büro sein. Wir schauen uns mal die Eckdaten des Events an und betrachten die Schlüsselpersonen.
Das Feld wurde anhand der Ergebnisse des Pole-Qualifyings in zwei Gruppen aufgeteilt, die jeweils 60 Runden (150 Meilen) Zeit haben, ihre Startpositionen für das Daytona 500 zu zementieren. Um einen Platz sicher zu haben, muss man mindestens auf Platz 15 ins Ziel kommen – Gordon und Johnson nicht eingerechnet. Die Reihenfolge von Duel #1 legt die Innenbahn hinter Jeff Gordon und Duel #2 logischerweise die äußere Linie hinter Jimmie Johnson fest. Damit Gordon und Johnson keinen Wettbewerbsnachteil haben, dürfen sie natürlich trotzdem mitfahren, werden sich nach Beginn ihres Duels aber mit ziemlicher Sicherheit direkt ans Ende des Feldes zurückfallen lassen, um ihr Einsatzauto für den Sonntag nicht unnötig zu riskieren.
Duel #1 ist mit vier Provisional-Besitzern in Person von Matt Kenseth, Brad Keselowski, Joey Logano und Kevin Harvick quasi überbesetzt, dazu kommt noch Tony Stewart mit dem Erstrecht auf das „Champion’s Provisional“. Gelangen einige dieser Kandidaten über die Top 15 ins Daytona 500, rücken entsprechend viele Piloten über die Owner-Wertung nach. Ebenfalls sicher sind Jamie McMurray und Aric Almirola über die Zeit im Qualifying, deren Nachrücker ich weiter oben bereits angerissen habe. Eine ausschließliche Chance über die Duels haben Michael Annett, Justin Marks und Ron Hornaday, da reichen die Owner-Punkte aus dem Jahr 2014 nicht aus, sofern es denn überhaupt welche gibt.
Duel #2 beinhaltet nur zwei Provisional-Anwärter mit Ryan Newman und Denny Hamlin sowie ebenso die zeitbesten Carl Edwards und Ricky Stenhouse Jr.. Qualifiziert sich Tony Stewart unter den ersten 15 in Duel #1, kommen Kurt Busch und Bobby Labonte in greifbare Nähe des „Champion’s Provisionals“. Die drei Fahrer mit wenig oder keinen Owner-Punkten sind hier Ryan Blaney, Reed Sorenson und David Ragan. Das sind also die Kandidaten, auf die man in der Nacht von Donnerstag auf Freitag verstärkt achten sollte. Wie immer wird FOX natürlich laufend die Szenarien durchgeben, die sich seit der Abschaffung der Top 35-Regel vor einigen Jahren nun wirklich im Sekundentakt verändern können.
Zum Abschluss folgen an dieser Stelle schon einmal die Startaufstellungen für Budweiser Duel #1 und Duel #2 sowie der Zeitplan für das verbleibende TV-Programm der Daytona Speedweeks 2015. Die wichtigen Punkte sind fett markiert:
Mittwoch, 18.02.
20:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, FOX Sports 2
21:15 Uhr, Sprint Cup Series Practice, FOX Sports 2
Donnerstag, 19.02.
18:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, FOX Sports 1
19:30 Uhr, Truck Series Practice, FOX Sports 1
21:30 Uhr, Truck Series Final Practice, FOX Sports 1
01:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Budweiser Duel #1), FOX Sports 1
02:30 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Budweiser Duel #2), FOX Sports 1
Freitag, 20.02.
17:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, FOX Sports 1
18:30 Uhr, XFINITY Series Practice, FOX Sports 1
20:00 Uhr, Sprint Cup Series Practice, FOX Sports 1
21:30 Uhr, XFINITY Series Final Practice, FOX Sports 1
22:45 Uhr, Truck Series Qualifying, FOX Sports 1
01:30 Uhr, Truck Series Rennen (NextEra Energy Resources 250), FOX Sports 1
Samstag, 21.02.
16:30 Uhr, Sprint Cup Series Final Practice, FOX Sports 1
18:15 Uhr, XFINITY Series Qualifying, FOX Sports 1
21:30 Uhr, XFINITY Series Rennen (Alert Today Florida 300), FOX Sports 1
Sonntag, 22.02.
19:00 Uhr, Sprint Cup Series Rennen (Daytona 500), FOX & Motorvision TV ab 18 Uhr
5 Kommentare
Die Duels liefen letztes Jahr auch schon in der mitteleuropäischen Nacht.
@ Erik:
Danke für den Hinweis, du hast natürlich recht!
[…] NASCAR: Analyse Pole-Qualifying & Vorschau Budweiser Duels Daytona 2015, gefunden bei http://www.racingblog.de (0.4 Buzz-Faktor) […]
Danke, KristianStooss, für den ebenso informativen als auch kritischen Artikel.
Habe die Pole-Qualy nicht geschaut – dafür könnt‘ ich mich heute noch peitschen… – war ja wohl reichlich „äkschn“ :-;
Zum Qualy-Modus hätte ich noch ’ne Variante 4):
Pole-Qualy fällt weg, dafür 2 Duels über ca.40 Laps oder so (jeweils mit allen gemeldeten Autos, kein Pitstop, ergo kein Reifenwechsel oder Tanken). Nach Duel 1 sind die Fahrer von P1 – P22 fix!
In Duel 2 (ebenfalls mit allen gemeldeten Autos) werden die P23 – P43 ausgefahren: die besten, in Duel 1 nicht qualifizierten Fahrer nehmen die P 23 ff. ein. Sollte in dem Rennen ein Fahrer, der in Duel 1 auf P1 – P22 war, seine Zeit gegenüber seinen direkten Konkurrenten aus Duel 1 verbessern können, rückt er evtl. einen bzw. mehrere Plätze vor.
Fazit: man hätte 2 spannende kurze Rennen mit dem kompletten Feld. (Aber wahrscheinlich denke ich mal wieder zu einfach…)
Ich freue mich auf jeden Fall schon darauf, wenn es am Sonntag gegen 19:20 Uhr wieder heißt „Frohes Neues Jahr“! :-))
[…] Kristian sich bereits den Veränderungen zur neuen Saison und dem Sprint Unlimited gewidmet hat, gehen wir nun auf das erste anstehende Punkterennen der neuen Saison ein. Das Great […]
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