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Kommentar: Warum die „grüne Formel“ nicht funktioniert

von DonDahlmann
7 Kommentare

In den letzten Jahren ist der „grüne Faktor“ im Motorsport immer wichtiger geworden. Es gibt kaum eine Serie, die in den letzten Jahren nicht mittels Downsizing und Hybrid-Technologien experimentiert hat. Aber ist es das, was die Fans sehen und hören wollen?

Die schwelende Krise ist der Formel Eins ist nicht wegzudiskutieren. Durch die Umstellung auf die hochkomplizierten Hybrid-Motoren sind die Kosten explodiert, die Hälfte des Feldes steht finanziell mit dem Rücken an der Wand. Die neuen Motoren sind bei den Fans nicht gerade auf große Gegenliebe gestoßen, vor allem weil der Sound seit einem Jahr der Königsklasse nicht wirklich würdig ist. Kleine V6-Motoren mit zwei Litern Hubraum, die weniger Krach machen als ein von der EU kastrierter Staubsauger, sind halt nicht das, was man sich unter „Formel Eins“ vorstellt. Und auch nicht unter anderen Motorsportserien. Das sinkende Interesse an der Serie hat zwar viele Gründe, aber ein Teil ist sicher dem Versuch zuzuschreiben, der Serie einen „grünen“ Anstrich zu geben.

In den 50er und 60er Jahren erlebte der Motorsport einen massiven Aufschwung. Die Fans fuhren in Scharen mit ihrem Käfer, Taunus, Morris Minor oder Fiat 600 an die Rennstrecke. Was gab es da zu sehen und zu hören? 12-Zylinder aus Italien, 8-Zylinder aus den USA, 6-Zylinder aus England und Deutschland. Es waren, verglichen mit dem, was die Fans auf dem Parkplatz stehen hatten, unvernünftige Autos. Sie waren schnell, sie verbreiteten Faszination. Wer heute mal auf einen Oldtimer-GP geht, der weiß, wie wunderbar die alten Autos klingen, wie charakterstark die Fahrzeuge waren und auch heute noch sind. Mittlerweile gehen bald mehr Menschen zu diesen Veranstaltungen als zur Formel Eins oder zur DTM.

Heute leben die Fans ebenfalls mit Autos, in denen kleine 4-Zylindermotoren vor sich hinwerkeln. Sehr oft als Diesel. Das ist in Sachen Umweltschutz notwendig und richtig, technologisch bemerkenswert, aber es ist leider auch ein wenig langweilig. Und was bekommen sie bei der Formel Eins zu sehen und zu hören?

Motorsport ist eine Sache der Unvernunft und der Faszination. Diese Faszination entsteht nicht nur allein aus einer Technologie, die kaum jemand noch versteht.

Motorsport lebt auch davon, dass er eine Ausnahme darstellt. In Sachen Geschwindigkeit, in Sachen Zweikampf auf der Strecke. Motorsport ist unvernünftig. Wenn man an der Strecke steht und hört, wie ein V8 durch die Gänge geprügelt wird, wie er näher kommt und vorbei rauscht, dann kann man schon eine Gänsehaut bekommen. Es ist keine gute Idee, wenn man dem Motorsport die gleichen Regeln aufzwingt, die heute schon für Straßenfahrzeuge gelten. In ein paar Jahrzehnten werden fast alle Auto lautlos mittels Elektroantrieb über die Straßen surren. Aber es wird immer Menschen geben, die sich über Autos freuen, die unvernünftig, sehr laut sind und viel Sprit verblasen.

Es wird neben der Formula E bald mehr Serien geben, die den grünen Aspekt in den Vordergrund stellen und dabei gutes Racing zeigen, keine Frage. Aber es muss auch Serien geben, in denen der unvernünftige Charakter eines Fahrzeugs zum Tragen kommt. Wenn die Formel Eins überleben will, muss sie sich dieser Herausforderung stellen. Sie muss ein wenig weg von der Elektronik und hin zu mehr Mechanik. Sie muss wieder alle Sinne ansprechen. Die Höchstleistungen der Ingenieure sollen nicht mehr nur auf Rechnern, sondern auch auf der Strecke sichtbar und hörbar sein.

Ich bin mir sicher, dass die Fans dann auch wieder (vernünftige Eintrittspreise vorausgesetzt) an die Strecke strömen. Weil sie ein paar Stunden fasziniert sind von all den Motoren, dem Speed und dem Können der Fahrer. Weil ihnen noch Stunden nach dem Rennen die Ohren klingeln und sie sich erinnern, das sie es körperlich spüren konnten, wenn ein Bolide an ihnen vorbei flog. Und sie dann Abends mit einem „Das war geil…“ einschlafen.

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7 Kommentare

Ralf G. 21 März, 2015 - 09:16

Glaube ich nicht. Hätte die Formel 1 ein volleres Feld und wäre spannend an der Spitze wäre es fast allen (außer ein paar „Autoprolls“ vielleicht) völlig egal ob der Motor mit Hybrid-Technik arbeitet und wie laut der Motor ist. So kommt halt alles zusammen, die angeblich zu grüne Technik und die Mercedes-Langeweile.

Und die alten Rennwagen werden halt wie so vieles (Musikkassetten, Orangenlimonade aus dt. Produktion, etc.) aus der „besseren“ Vergangenheit ein wenig glorifiziert. Zeiten ändern sich, auch der Motorsport ändert sich, ich sehe Motorsport als Wettkampf mit modernen Maschinen und nicht als letztes Refugium des langsam untergehenden „Auto-Proletentums“. Das Problem der Formel 1 ist die Finanzierung der teilnehmenden Teams und nicht die Technik, Formel 1 ist immer teuer sobald Werke dabei sind.

StefanTegethoff 21 März, 2015 - 11:44

„Die Höchstleistungen der Ingenieure sollen nicht mehr nur auf Rechnern, sondern auch auf der Strecke sichtbar und hörbar sein.“

Das ist für mich der wichtigste Satz in deinem Kommentar. Für mich ist Motorsport gleichermaßen ein Fahrer- und ein Ingenieurs-Wettbewerb. Darum ist mein Problem mit der aktuellen Formel 1 nicht, dass sie zu ‚grün‘ oder zu leise ist, sondern dass das Reglement zu eng ist. Auch kein neuer Punkt, ich weiß… Soweit ich das gelesen habe, klingen die aktuellen Motoren ja wieder etwas unterschiedlicher als die alten V8s.

Effizienz ist im Motorsport immer wichtig, aber ich mag auch nicht die Art und Weise, wie in der Formel 1 alles bis ins Detail festgelegt ist, um diese zu gewährleisten. Mir fehlt der Wettbewerb der Konzepte, auch ich möchte den V4- oder V6-Turbo gegen einen hochdrehenden V8 und einen V12 fahren hören.

Ich denke aber auch, dass die strikte Beschränkung des Spritverbrauchs, wie es F1 und WEC aktuell machen, Voraussetzung dafür ist. Das kann man nun ‚grün‘ nennen, man kann es aber auch einfach als Rahmenvorgabe für den technischen Wettbewerb ansehen, denn ohne einschränkenden Rahmen würde dieser aus dem Ruder laufen. Alternative wäre (unter der heute herrschenden Vorgabe, dass es immer spannend und eng sein muss) eine BoP mit Luftmengenbegrenzern o.ä..

Bleibt das Problem der hohen Kosten. Ich weiß nicht, ob ein Cost Cap in der F1 zum Funktionieren gebracht werden könnte oder nicht. Es wäre sicherlich nicht die schlechteste Variante, wenn es klappt. Aber ich möchte auf keinen Fall zurück zu den über viele Jahre eingefrorenen Motoren. Denn diese Ära fand ich der Königsklasse nun wirklich völlig unangemessen…

Art Vandelay 21 März, 2015 - 13:54

Ich habe ja unter dem Artikel, der hier verlinkt wurde, auch schon ähnliches gepostet und kann dem grundsätzlich nur zustimmen.
Das ganz große Problem, das ich sehe, ist nur, dass eine Formel 1, die nicht mehr ein Spiegelbild der Technologie der aktuellen Entwicklungen auf dem Automobilmarkt ist, uninteressant für die Hersteller wird. Renault hat auf das aktuelle Reglement gedrängt, Honda ist erst deswegen gekommen. Wenn man von Ausnahmen wie Ferrari absieht, wird eine Serie, die nicht auf aktuelle Technolgien setzt für Hersteller wahrscheinlich eher uninteressant. Jetzt kann man natürlich auch sagen, dass es bei der NASCAR ja auch funktioniert. Aber wenn man sich die Werbung während der NASCAR ansieht, sieht man ja welche Autos dort vermarktet werden. Das passt natürlich zur Serie. Aber welche Autos sollten mit einer „unvernünftigen“ Formel 1 vermarktet werden? Nur Sportwagen? Selbst die „Permiummarken“ versuchen mittlerweile „grüne Technologie“ zu integrieren. Die Herausforderung wird sein für die Hersteller und die Fans attraktiv zu bleiben.

DonDahlmann 21 März, 2015 - 17:53

@ Ralf G.:
Ja, die F1 war schon immer teuer. McLaren hat Ende der 80er Jahre auch schon 100 Millionen Dollar ausgegeben. Allerdings konnte man damals mit dem halben Budget einigermaßen im Mittelfeld fahren. Das sich der Motorsport den technischen Gegebenheiten anpasst ist auch normal. Die Formula E, die wir hier ja auch abdecken, ist ein gutes Beispiel. Davon wird es mehr Serien geben. Aber ich denke eben, dass es den „alten“ Motorsport ebenso geben muss und dass die F1 keine zweite Formula E sein sollte.

@ StefanTegethoff:
Sind wir uns ja einig. :) Die WEC hat da die bessere Reglung gefunden. Maximal Energiemenge pro Runde festlegen, den Rest freigeben.

@ Art Vandelay:
Die NASCAR ist eh so ein Anachronismus, der vermutlich nur in den USA funktioniert. Auf der anderen Seite: es funktioniert und überlebt alle anderen Serien.

Mirco Wilhelm 21 März, 2015 - 20:01

Aus meiner Sicht hat die Formel 1 aktuell einige Probleme, Die Hybrid Motoren sind aber nur ein technischer Auswuchs davon.

Für mich war die Formel eins seit den 80er Jahren ein Versuchslabor, dessen Ergebnisse erst in die Langstreckenrennnen, dann in die Tourenwagen und zuletzt in die Serienproduktion Einzug hielten.

Durch das Enge Motoren Reglement der letzten 15-20 Jahre kann diese Rolle nur noch in Bezug auf Haltbarkeit und Effizienz genutzt werden. Die heutige Formel 1 setzt auf strenge Regeln, um Innovation zu treiben, statt einfach den Team mehr Freiheiten einzuräumen. Je enger das Regelwerk, desto kostspieliger wird die Entwicklung von technischen Vorteilen gegenüber anderen Teams.

Stört mich also, dass die aktuellen Motoren mit effizienten Rückgewinnungsaggregaten um die Strecke fahren? Nein. Mich stört, das die Fahrzeuge sich technisch inzwischen so stark gleichen, das sich am Ende nur die Finanzstarken Teams einen Vorteil erarbeiten können, den alle anderen durch die fixierten Motoren in dieser Saison nicht aufholen können.

Das Motoren Wettrüsten der 90er war teuer, aber die Team Budgets waren damals immer noch weniger hoch als heute.

Vorsicht 23 März, 2015 - 16:00

Danke, Don, ein spannender Denkanstoß.

Ich glaube aber nicht, dass die Frage, ob „grün“ oder „nicht grün“ etwas damit zu tun hat – zum Glück, sonst müssten wir wohl alle irgendwann Gewissensbisse bekommen. Und ich bezweifle, auch, dass das neue Motorenreglement insgesamt sehr viel mit dem aktuellen Verdruss zu tun hat. Das Problem ist vor allem, dass es ein neues und teures Reglement ausgerechnet in einem Moment gab, in dem sich ohnehin viele Teams die F1 nicht mehr leisten konnten.

Ich sehe ein paar Faktoren, die schon genannt wurden:

– Dass die für die Serie nötigen Geldmassen einfach in der aktuellen Zeit nicht mehr zu rechtfertigen sind, und dass daher viele Teams unspektakulärer werden. Und dass viele Fahrer die sind, die es sich leisten können – und nicht, wie etwa in den goldenen Jahren der Nachwuchsförderung – die, die wirklich etwas können. Damit hängt auch zusammen, dass viele Fahrer austauschbar geworden sind, weil sie sich tatsächlich in ihren Grundanlagen ziemlich ähneln und aus ähnlichen, wohlhabenden „Ecken“ kommen.

– Aber auch das ist es nicht, denke ich. Ich glaube, die aktuelle Motorenformel hatte vor allem das Pech, dass sie auf die spektakulärsten Jahren folgte, die die Formel 1 in langer Zeit hatte: Jene, in denen die Teams wegen des langanhaltenden Reglements ziemlich ausgeglichen waren, und in denen die weichen Pirelli-Reifen spannende Rennen produzierten.

Leider haben das jene Teams ruiniert, die ihr Auto nicht gut für diese Reifen gebaut hatten, und daher falsch nutzten zu müssen glaubten (linke Reifen rechts, etc.). Unter dem Vorwand der Sicherheitsbedenken und mit einer ungeheuren Rufmordkampagne haben sie Pirelli gezwungen, wieder Holzreifen zu konstruieren. Die haben wir heute, und sie tragen ihr Scherflein dazu bei, dass die Rennen oft so langweilig sind.

– Und dann kommt eben auch die Krise dazu: Wirklich leisten können sich die F1 nur ein paar Große – und die Reglementänderung (ob nun zu Grün oder zu V12-Monstern hätten kaum eine Rolle gespielt) hat die Unterschiede verschärft. Wenn dann ein Team wie Red Bull einmal, ein, zwei schlechte Jahre hat, dann gibt es eben wenig Spannung – denn Überraschungen durch Underdogs sind fast ausgeschlossen. Denn diese sind einfach zu weit weg.

Th. Hugo 20 April, 2015 - 13:24

Also, prinzipiell stimme ich meinen Vorgängern zu.
Jedoch glaube ich, daß das größte Problem der Formel1 Bernie Ecclestone heißt! Er glaubt Alles mit Einschränkungen „korrigieren“ zu müssen. Das Kers-System als „Überholhilfe“ und aufklappbare Heckflügel haben absolut nichts mehr mit fahrerischem Können zu tun! Da könnte mittlerweile jeder, mit etwas Rennerfahrung, vorn mitfahren. Dazu kommen die ständigen Reglementänderungen bezüglich der Chassisgrößen, Tankstopps und Reifenwechsel mal ja, mal nein, Reifenmenge vorgeschrieben, Motoren beschnitten etc.
Und daß Heiko Wasser mit Christian Danner die Regeln jedes Rennwochenende immer wieder durchkauen.
All das verleidet mir den Spass ander Formel1!

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