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WEC: Exklusiv Interview mit Alex Wurz

von DonDahlmann
2 Kommentare

Alex Wurz gehört ohne Zweifel zu den besten WEC-Piloten, die es im Moment gibt. Der zweifache Le-Mans-Sieger hat vor den wichtigen letzten Testtagen Zeit gefunden, uns ein Interview zu geben.

Alex WurzFreitagmorgen in Paul Ricard. Gut gelaunt betritt Alex Wurz den Interviewraum, natürlich schon komplett fertig gekleidet für seinen Testeinsatz. Der Österreicher ist heiß auf die neue Saison, das merkt man ihm sofort an. Nachdem es im letzten Jahr nicht mit dem Sieg in Le Mans geklappt hat, soll es dieses Jahr natürlich anders werden. Und auch der WM-Titel soll wieder bei Toyota landen und selbstverständlich am besten in seinem Team.

Racingblog: Hallo Alex! Die neue Saison steht vor der Tür. Toyota hat das Auto über den Winter deutlich umgebaut.
Alex Wurz: Mein technischer Direktor hat mir gesagt, dass das Auto zu 80% neu ist. Wir haben schon einiges verändert am Auto, auch wenn man das nicht so direkt sieht. Unsere Philosophie basiert darauf, dass wir uns um die Details kümmern. Wir suchen nicht jedes Jahr die großen Revolutionen.

RB: Spürt man als Fahrer die Veränderungen am Auto?
AW: Na klar, wenn ich das nicht spüren würde, dann wäre ich kein Werksfahrer. (lacht)

RB: Wie groß sind denn die fahrerischen Unterschiede zum letztjährigen Auto?
AW: Die sind auf jeden Fall sehr deutlich. Ich möchte da nicht zu sehr ins Detail gehen, sonst würde ich zu viel verraten, aber wir Fahrer spüren Unterschiede zum alten Chassis schon sehr. Wo wir damit stehen, werden wir dann in Silverstone sehen.

RB: Wie viel Einfluss hat man als Fahrer auf die technischen Veränderungen über den Winter?
AW: Wir Fahrer optimieren das Paket, um es „user friendly“ zu machen. Das ist wichtige Detailarbeit, die am Ende einige Zehntel ausmachen kann. Die richtig großen Sprünge kommen aber natürlich aus der Design- und Aerodynamik-Ecke. Da hat der Fahrer keinen Einfluss. Zumindest keinen entscheidenden Einfluss. Als Fahrer muss ich darauf achten, dass die Fahrbarkeit des Autos gewährleistet ist. Das ist etwas, was man im Windkanal nicht erkennen kann.

RB: Was sind das für Dinge?
AW: Zum Beispiel die Windempfindlichkeit oder die „Pitch sensitivity“. Da müssen wir pushen und sehr eng mit den Aerodynamikern zusammenarbeiten. Manchmal muss man die ein wenig wachrütteln und erklären, dass man eben nicht mehr bei optimalen Bedingungen im Windkanal ist. Aber das funktioniert bei Toyota wirklich sehr gut, wir haben eine sehr gute Truppe beisammen.

tjm1414ju716RB: Hast Du auch ein wenig Einfluss darauf, wie bequem Du es Dir im Cockpit machen kannst?
AW: Mit meiner Körpergröße (Wurz ist 187cm groß) eher nicht. Ich muss sehen, dass ich mich da irgendwie reinzwänge. Der Kompromiss muss immer zwischen den drei Piloten, die im Auto sitzen, gefunden werden. Aber auch das haben wir logischerweise hinbekommen.

RB: Toyota hat im letzten fast alles gewonnen. Aber für Dich lief es teilweise nicht ganz so rund.
AW: Das fing schon unglücklich in Silverstone an. Wir waren die schnellsten, wir lagen in Führung. Dann hat das Team die Strategie wegen der Reifen aufgesplittet und am Ende ging der Sieg ans Schwesterauto. Dann kam der Ausfall in Le Mans, wo es ja doppelte Punkte gibt. Damit war dann leider schon klar, dass wir in der WM kaum Chancen hatten. Da sind dann schon gleich in den ersten drei Rennen zwei Träume auf einmal geplatzt. Das soll dieses Jahr auf jeden Fall anders werden. Hauptziel ist natürlich der Sieg in Le Mans, denn wenn man in Le Mans gewinnt, hat man auch die größten Chancen auf die WM.

RB: Hier in Paul Ricard trifft man zum ersten Mal auf die Konkurrenten für das Jahr 2015. Was denkst Du, wie die Saison laufen wird?
AW: Wow, das wird ein sehr harter Kampf werden! Noch enger als im letzten Jahr. Aber das ist gut, das macht das Leben nur spannender.

RB: Du bist ja auch noch viel mit der Formel Eins unterwegs und kennst beide Serien gut. Man hat in den letzten zwei Jahren den Eindruck gewonnen, dass die WEC beliebter geworden ist.
AW: Auf jeden Fall! Wir sind in einem großen Aufwärtstrend und den können wir nur stoppen, wenn die Serie Dummheiten machen würde, was sie aber nicht tun wird. Ich merke das auch, wenn ich im Formel-Eins-Fahrerlager unterwegs bin. Die Kunden und Sponsoren interessieren sich deutlich mehr für die Serie. Die informieren sich auch deutlich aufmerksamer. Aber es sind nicht nur Top-Sponsoren, auch die Leute auf der Straße kennen die Serie jetzt besser. Das ist ein super Prozess. Das liegt auch daran, weil wir authentisch sind. Wir sind Sportwagenfahrer und wir machen etwas, das die Menschen schon immer fasziniert hat: Wir fahren über lange Distanz immer am Limit.

OLYMPUS DIGITAL CAMERARB: Hat der Aufschwung der WEC auch etwas mit der Krise der Formel Eins zu tun?
AW: Nein! Die Krise in der Formel Eins liegt im Geschäftsmodell an sich. Das hat mit der WEC nichts zu tun. Ganz grundsätzlich: Wir sollten uns im Motorsport nie als Konkurrenz wahrnehmen. Wir kämpfen alle gemeinsam gegen Fußball und andere Sportarten. Beim Fußball kämpfen die nationalen Ligen ja auch nicht gegen die Champions League. Wenn der Fußball in allen Serien gut ist, will der Fan auch alle Ligen sehen. Der Motorsport-Fan sollte auch den gesamten High-End Motorsport sehen und nicht nur Formel Eins. Wenn die Formel Eins ihr Rennen gefahren hat, dann sollte der Fan am folgenden Wochenende durch andere Serien unterhalten werden. Egal ob WEC, Motorräder oder DTM. Der Motorsport an sich braucht sich gegenseitig. Am Ende kämpfen wir alle um die Freizeit, die die Menschen zur Verfügung haben und die Frage, wie die Menschen diese Zeit verbringen.

RB: Aber es gibt schon etliche Formel-Eins-Fahrer, die plötzlich sehr viel Interesse an der WEC haben. Hülkenberg fährt dieses Jahr in Spa und Le Mans für Porsche, Alonso sagt man Interesse nach und Jensen Button hat auch schon gesagt, dass er nach seiner Zeit in der F1 gerne in der WEC fahren würde.
AW: Ja, es gibt ein großes Interesse von Formel-Eins-Fahrern. Wir hatten bei Toyota über den Winter mehr Anfragen von F1-Fahrern als jemals zu vor. Es interessiert sich praktisch jeder F1-Fahrer für die WEC, weil wir hier eben auch absolute Hightech-Autos haben. Die Autos sind schnell, haben viel Downforce, das Racing ist cool. Es ist eine tolle Mischung, weil es einerseits die neuste Technologie ist und gleichzeitig ist es halt „Old School“-Racing. Langstrecke, Vollgas. Das macht schon Laune.

RB: Wie groß ist der fahrerische Unterschied zwischen einem WEC-Prototypen und einem Formel Eins. Nick Heidfeld meinte mal zu mir, das Auto sei insgesamt weicher zu fahren als ein Formel Eins.
AW: Schwer zu sagen, ich kenne den Rebellion nicht. Ich glaube, im Moment sind Fahrwerk, Technologie und Aerodynamik verglichen mit dem Formel Eins sehr ähnlich. Die Autos sind halt im einiges schwerer in der WEC und das Gewicht merkt man als Fahrer sehr genau.

RB: Macht es das für Formel-Eins-Fahrer leichter in die WEC einzusteigen?
AW: Ich sehe da keine Schwierigkeiten für gute Piloten, in der einen oder anderen Serie zu fahren. Es gibt zwei Punkte, die anders sind. Zum einen muss ich mit dem Verkehr auf der Strecke klarkommen, das ist in der WEC bekanntlich schon mal nicht so einfach. Der andere Punkt ist: Wie arbeite ich mit meinem Teamkollegen zusammen, auch mental. Der Ego-Trip hilft da nicht weiter. Man darf auch nicht vergessen, dass bei drei Fahrern einer immer ein bisschen langsamer ist. Wir reden hier von Zehnteln, aber einer ist halt schneller, der andere etwas langsamer. Wie geht der damit um? Vielleicht versucht er das irgendwie auf der Strecke zu kompensieren und die Zeit rauszuholen, aber das kann ja dann nach hinten losgehen. Man darf auch keine Geheimnisse haben, denn sonst kann es schnell zu einer Negativ-Spirale im Team kommen, was allen schadet.

tjm1413no418RB: Dieses Jahr sind die Geschwindigkeitsunterschiede zu den anderen Klassen noch größer geworden. Bedeutet das auch, dass man im Vorfeld einer Saison oder eines Rennens mehr noch versucht, mit den anderen Fahrern, zum Beispiel aus der GT, zu kommunizieren?
AW: Nein, in Wirklichkeit musst Du die Entscheidung immer im Bruchteil einer Sekunde treffen, da hilft auch kein Reden vorher. Für mich ist ein größerer Unterschied beim Speed besser, als wenn er zu klein ist. Wir haben das damals bemerkt, als man bei Peugeot auf den kleinen V8-Motor gewechselt ist. Plötzlich waren wir auf den Geraden kaum noch schneller als die LMP2 oder GTs. Ich musste mich in den Kurven vorbeibremsen. Aber in der Bremszone haben alle Stress, nicht nur ich, auch der Pilot in seinem GT. Es ist mit größeren Topspeed-Unterschieden einfacher, weil ich dann weiß, dass ich auf der Geraden locker vorbeikomme und mich nicht noch reinzwängen muss.

RB: Bisher traten Probleme beim Überholen aber meist in Le Mans auf, wo mehr Amateure unterwegs sind als bei den regulären WEC-Rennen.
AW: Le Mans ist ein bisschen anders. Da hat man die lange Gerade Richtung Indianapolis, die auch noch diese leichten Knicks drin hat und sehr schmal ist. Da weiß man nicht immer, ob einen der Vordermann gesehen hat oder ob das jetzt seine Linie ist und bleibt oder nicht. Aber das sind auch Momente, die man vorher nicht besprechen kann. Mal fährt man einen Meter weiter rechts, mal nicht.

RB: Noch mal Le Mans, das ja im letzten Jahr nur knapp an Audi gegangen ist. Wie sieht die Vorbereitung von Toyota in diesem Jahr aus? Wird im Mai noch mal getestet?
AW: Ja, auf jeden Fall. Mehr verrate ich nicht.

RB: In Le Mans werden wir dann, hoffentlich, auch endlich die Nissan sehen…
AW:… die hätte ich schon gerne hier in Paul Ricard gesehen! Es ist schade, dass ihr Start etwas holprig ist. Das sie nicht hier sind, bedeutet ja wohl, dass sie etwas hinterherhinken mit dem Programm. Aber ich freue mich, wenn sie in Le Mans dabei sind. Aber einfach ist deren Aufgabenstellung sicher nicht.

RB: Wir schwer wird es Nissan fallen?
AW: Sie haben es wie Porsche gemacht und haben ein Team von Null aufgebaut.

2015_Prologue_Thursday_5RB: Sie haben es sich aber auch selber ein wenig schwer gemacht. Man hätte ja auch ein klassisches Fahrzeug-Layout wählen können. Motor hinten, Chassis wie die Konkurrenz.
AW: Sagen wir mal, wenn man rein nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung geht, ist die Entscheidung zumindest mutig. Wenn sich über Jahre hinweg alle Ingenieure aus verschiedenen Ländern für ein Chassis-Layout entscheiden, und das, obwohl das Reglement offen ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Entscheidung das Optimum ist, relativ groß. Das heißt aber nicht, dass der Weg von Nissan falsch wäre. Aber wenn man so einen Weg geht, dann hat man halt eine komplett andere Aerodynamik. Sie haben auch andere Reifen, andere Gewichtsverteilung und so weiter und müssen ihre Erfahrungen da erst einmal sammeln. Zwischen Audi, Toyota und Porsche ist es anders. Wir haben auch unterschiedliche Ideen, aber wir gehen einen ähnlichen Weg. Das heißt, wir können voneinander lernen. Egal ob das die Aero- oder die Reifenentwicklung ist. Wir profitieren voneinander, auch wenn das nicht immer direkt passiert. Aber das, was wir oder Audi machen, funktioniert mit den Nissan nicht. Wenn man irgendwas bei der Konkurrenz entdeckt, kopiert man das für seinen Wagen, das kann Nissan nicht machen. Aber vielleicht fahren sie auch drei Sekunden schneller als wir, dann müssen wir allerdings alle noch mal auf die Schulbank.

RB: Vielen Dank für das Gespräch!

Danke an dieser Stelle auch an Toyota und TMG, die sowohl das Interview mit Alex Wurz als auch das mit John Litjens für das Racingblog exklusiv möglich gemacht haben!

Bilder: Toyota/TMG

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2 Kommentare

Erik 8 April, 2015 - 16:11

Chapeau, schönes Interview, ich drück dem Alex die Daumen.

Davon bekommt man ja im alltäglichen Chat-Leben nichts mit.;)
Aber der RacingBlog macht sich.

Weiter so!

nona 9 April, 2015 - 08:38

Als ausgesprochener Nicht-Fan bestimmter Fahrer oder Teams muss ich sagen, der Wurzel ist immer gut zu sehen. Daumen hoch. :)

Trotzdem milder Einspruch:
„AW: Nein, in Wirklichkeit musst Du die Entscheidung immer im Bruchteil einer Sekunde treffen, da hilft auch kein Reden vorher. […]“

Nunja… Es ist natürlich schon hilfreich, wenn vorher per Reden/Reglement/Rennleitung klar gemacht ist, wann wem welche Seite gehört wenn man eindeutig committed ist oder per Blinker eine Seitenwahl anzeigt usw. Merkt man spätestens dann wenn irgendwelche mittelalten Herrenfahrer aus Übersee sich nicht dran halten und Kontaktsport spielen.

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