Festwochen für André Lotterer: Nach dem WEC-Auftakterfolg gewann der Deutsche auch den Saisonstart der japanischen Super Formula. In Suzuka setzte sich der Tom’s-Pilot vor seinem Teamkollegen Kazuki Nakajima und Narain Karthikeyan durch. Viel Drama gab es derweil in der allerletzten Runde um Naoki Yamamoto sowie James Rossiter.
Nach der Zieldurchfahrt jubelte André Lotterer noch ausgelassener als sonst. Kein Wunder: Es war der 21. Sieg im 100. Rennen für den gebürtigen Duisburger in Japans höchster Formelserie. Dass er seine nunmehr zehnte Saison mit dem Traditionsrennstall Tom’s mit einem Doppelsieg mit Kazuki Nakajima einleitete, war quasi noch das i-Tüpfelchen obendrauf. Gleichzeitig bestätigten Lotterer wie auch Titelverteidiger Nakajima ihre Favoritenrolle auf die Meisterschaft.
Dabei jubelte am Samstag noch ein ganz anderer: Naoki Yamamoto ritt auf dem starken Rückenwind der Testfahrten und sicherte sich, Mugen und damit auch Honda die erste Pole-Position des Jahres. Narain Karthikeyan, der nach einer wenig erfolgreichen letztjährigen Saison mit Impul zu Dandelion ins Honda-Lager wechselte, überraschte mit einem bärenstarken zweiten Startplatz. Die Top-5 wurden von Toyota-angetriebenen Autos, angeführt von André Lotterer auf Startposition drei und gefolgt von Hiroaki Ishiura sowie Kazuki Nakajima, komplettiert. Kamui Kobayashi scheiterte in seinem allerersten Super-Formula-Qualifying in Q2 auf Position zehn, einen Startplatz hinter James Rossiter. Der Brite konnte überraschenderweise keine gute Pace in den Trainingseinheiten finden. Noch schlimmer erwischte es Kobayashis Teamkollegen Ryo Hirkawa, für den mit Startplatz 15 bereits im ersten Qualifikationsteil Schluss war. Das Qualifying dürfte den Teamchefs viele Kopfschmerzen bereitet haben, schließlich musste die Reifenwahl aufgrund der neuen Regelung, dass pro Rennwochenende nur noch drei neue sowie drei aus dem vorangegangenen Wochenende (im Falle des Saisonstarts stammten diese aus den Testfahrten) alte Reifensätze zur Verfügung stehen. Unterschiedliche Mischungen des Bridgestone-Einheitsreifen gibt es zwar keine. Dennoch musste die Pneuwahl wohlüberlegt sein, schließlich sollten fürs Rennen im Idealfall zwei frische Sätze zur Verfügung stehen. In Q3 kam es hingegen zu einem einründigen Shootout, nachdem Yuji Kunimoto in der Degner-Kurve abflog und die rote Flagge hervorbrachte.
Naoki Yamamotos Freude über die Pole-Position sollte jedoch nur einen Tag wahren. So verpennte der Champion von 2013 den Start sprichwörtlich, wodurch der brillant gestartete Lotterer sofort die Führung übernahm. Einen noch besseren Raketenstart erlebte dessen Teamkollege Kazuki Nakajima, der sich im Sprint auf die erste Kurve von Startplatz fünf sofort auf die zweite Position schob. Der ursprünglich drittplatzierte Narain Karthikeyan kam ebenfalls nicht sonderlich gut vom Fleck, weshalb er auf den fünften Platz zurückgereicht wurde. Stattdessen duellierten sich in der Eröffnungsrunde Naoki Yamamoto sowie Hiroaki Ishiura. Letzterer kämpfte sich auf den dritten Rang vor, musste diesen Platz aber nach einem engen Kampf an Yamamoto wieder abgeben, nachdem er zum Beginn der zweiten Runde in der ersten Kurve leicht von der Ideallinie abkam. Die beiden Tom’s-Piloten nutzen die Anfangsphase, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. André Lotterer gab dabei den Ton an, indem er nach 13 Runden einen relativ kontrollierten Abstand von vier Sekunden auf Nakajima ausbaute. Dieser wurde zu diesem Zeitpunkt von Naoki Yamamoto unter Druck gesetzt, der das geringe Polster des Titelverteidigers sukzessive zufuhr. Großes Pech hingegen für Takashi Kogure: Im achten Umlauf streikte dessen Honda-Aggregat, weshalb er seinen Drago-Corse-Boliden einige Meter nach der Haarnadelkurve enttäuscht abstellen musste. Für Kogure war es bereits der dritte Suzuka-Ausfall in Folge, nachdem er beim letztjährigen Auftakt ebenfalls einen technischen Defekt erlitt und beim Saisonfinale in der 130R einen schweren Unfall hatte, den er glücklicherweise unverletzt überstand.
Während Lotterer somit seinen Vorsprung weiter ausbaute, entbrannte ein Kampf zwischen den Champions der beiden letzten Jahre. Obgleich Yamamoto fast schon in Nakajimas Diffusor hing, gelang es dem Mugen-Piloten nicht, ein erfolgreiches Überholmanöver gegen seinen Landsmann zu setzen. Stattdessen konnte Nakajima nach einigen Runden ein erneutes Polster gegenüber Yamamoto herausfahren. Ein ähnlicher Duellverlauf war direkt dahinter im Kampf zwischen Hiroki Ishiura sowie Narain Karthikeyan zu beobachten. Nachdem der Inder zunächst etwas Fahrt herausnahm, blies er im 25. Umlauf mit einer persönlichen Bestzeit zur erneuten Attacke. Zu diesem Zeitpunkt betrug Lotterers Vorsprung auf Nakajima über fünf Sekunden, während die beiden zuletzt genannten Streithähne rund 16 Sekunden hinter dem Deutschen lagen. Zwei Sekunden hinter Karthikeyan lauerte Joao Paulo de Oliveira, der bis dahin ein unauffälliges Rennen fuhr, bei dem er keine Verbesserung von seiner sechsten Startposition sah. Generell musste Impul zugeben, dass sie beim Saisonauftakt noch nicht die erwartete Konkurrenzfähigkeit besaßen. Inwiefern Oliveiras vor wenigen Wochen erst operierter linker Daumen eine Rolle gespielt haben könnte, verriet der Brasilianer hingegen nicht. Noch während des Tests in Okayama Ende März gab der Champion von 2010 zu, dass die Verletzung ihn noch leicht behindern würde, was gleichzeitig auch seine letzte öffentliche Aussage zu diesem Thema war. Zu seinen Trainingsmaßnahmen scheinen aber wohl kleinere Elektrostöße gehören.
Kleine Schrecksekunde in Runde 27: Beim Boxenstopp vom zu diesem Zeitpunkt auf Position 13 liegenden Yuji Kunimoto entzündete sich das Benzin beim Nachtanken. Das kleine Feuer konnte aber umgehend gelöscht werden. Der Zeitverlust war für den Cerumo-Piloten jedoch so groß, dass er am Ende lediglich auf dem 17. Platz ins Ziel kam. Zwei Umläufe später eröffnete Kazuki Nakajima die Boxenstopps der Führungsgruppe, indem er sich vier neue Slick-Reifen in 13,8 Sekunden aufschnallen ließ. Mugen reagierte umgehend auf den Stopp, indem bereits eine Runde später auch Naoki Yamamoto zum Service abbog. Dessen Reifenwechsel verlief allerdings noch problemlos. Eine klemmende Radmutter resultierte in 15,5 Sekunden Standzeit, wodurch er zunächst deutlich Boden auf Nakajima verlor. In Runde 30 bog letztlich André Lotterer zu seiner Tom’s-Crew ab. Wie auch sein Teamkollege nahm der Meister von 2011 vier frische Pneus. Auch Narain Karthikeyan kam zum Boxenstopp herein. Dies nutzte sein direkter Konkurrent Hiroaki Ishiura aus, der nicht nur seine Pace erhöhte, sondern auch einen Umlauf später ebenfalls zum Service fuhr. Bereits nach lediglich 13 Sekunden schickte die Cerumo-Crew ihren Piloten wieder auf die Reise. Zwar gelang es Ishiura knapp vor Karthikeyan auf die Strecke zurückzukommen. Da Reifenwärmer in der Super Formula jedoch verboten sind, setzte der Inder seine bereits wärmeren Pneus geschickt ein, indem er sich die verlorene Position in der Löffelkurve zurückholte. Den Zweikampf nutzte dagegen Joao Paulo de Oliveira aus, da es ihm nach seinem Boxenstopp in der 32. Runde gelang, sich zwischen Karthikeyan und Ishiura zu schieben.
Nach den Stopps der Führungsgruppe übernahm James Rossiter für kurze Zeit die virtuelle Spitzenposition. Der Brite kämpfte sich zu jenem Zeitpunkt von Startposition neun auf den eigentlichen siebten Rang vor. Um noch einige weitere Positionen in der Schlussphase gutzumachen, setzte Kondo Racing auf eine kühne Strategie: Als Rossiter in der 34. Runde letztlich zum Nachtanken abbog, zog er sich keine neuen Reifen auf. Die geringe Stoppzeit führte dazu, dass sich der Brite auf die fünfte Position vor Joao Paulo de Oliveira schob. Eine gewagte Strategie, die jedoch aufzugehen schien, denn Rossiter konnte sich gegen die beiden auf frischeren Reifen spürbar schnelleren Joao Paulo de Oliveira sowie Hiroaki Ishiure verteidigen. Es entbrannte ein spektakulärer sowie harter, jedoch stets fairer Dreikampf zwischen den Piloten, das in der vorletzten Runde einen Angriff mit Hilfe des Overtake-Systems (OTS) durch den Brasilianer sah. Dabei berührte Oliveira leicht das Heck des Kondo-Racing-Boliden beim Anbremsen auf die Schikane. Rossiter musste über den Teppich fahren, behielt jedoch die Position. Die Rennleitung bewertete diesen Zwischenfall als Rennunfall. Die Aktion ermöglichte jedoch Hiroaki Ishiura einen Angriff. Spektakulär schossen die drei Boliden mit nur wenigen Zentimeter Abstand über die Start- und Zielgerade. Rossiter griff tief in die Trickkiste, um seine fünfte Position zu verteidigen, wobei er nur sehr knapp am Verbot des zweifachen Linienwechsels vorbeischrammte.
In den finalen Runden wurde es auch noch mal zwischen Kazuki Nakajima sowie Naoki Yamamoto spannend, nachdem letzterer den Abstand nach den Boxenstopps erneut zufuhr. Im Schlussspurt saugte sich der Mugen-Pilot auf rund 1,5 Sekunden heran. Doch dann das große Drama in der allerletzten Runde: In die Degner-Kurve einbiegend explodierte Yamamotos Honda-Motor im sehr großen Stile. Vorbei war die Aufholjagd des fassungslos neben seinem abgestellten Wagen stehenden Champions von 2013. Dadurch rückte Narain Karthikeyan auf den Bronzerang vor. Die Situation konnte allerdings nicht richtig verarbeitet werden, denn wenige Sekunden später ereignete sich bereits das nächste große Drama. Auf der Gegengerade lief der sich zuvor noch souverän verteidigende James Rossiter ohne Benzin wenige Meter vor dem Ziel aus. Beim Boxenstopp muss sich Kondo Racing um einige wenige Liter verkalkuliert haben. Ähnlich Yamamoto sprach auch Rossiters frustrierter Gesichtsausdruck Bände.
Somit gewann ein souveräner André Lotterer den Saisonauftakt in Suzuka. Zu keinem Zeitpunkt ließ der Titelträger von 2011 Zweifel aufkommen, dass der Sieg nur über ihn gehen würde. Kazuki Nakajima sicherte den Tom’s-Doppelsieg, während Narain Karthikeyan, wenn auch profitierend von Naoki Yamamotos Pech, mit dem Bronzerang als bester Honda-Pilot sein bisher bestes Super-Formula-Resultat einfuhr. Seine Leistung in Qualifying und Rennen ist dahingehend überraschend, da er mit dem eigentlich guten Impul-Material vergangene Saison klar hinter den Erwartungen zurückblieb. Der dritte Platz in Suzuka dürfte ihm sowie Docomo Dandelion Racing jedoch frischen Aufwind und Zuversicht für die restliche Saison bereiten. Joao Paulo de Oliveira und Hiroaki Ishiura komplettierten die Top-5. Der Brasilianer erklärte kurz nach dem Rennen übrigens, dass er sich bereits jetzt auf das Saisonfinale im November freue, da es ein absoluter Genuss sei, mit dem SF14 durch die S-Kurven des ersten Sektors zu brettern.
Kamui Kobayashi verpasste bei seinem Super-Formula-Debpt auf dem neunten Platz nur sehr knapp die Punkteränge. Der ehemalige Formel-1-Pilot verfolgte eine komplett andere Strategie, indem er bereits in der neunten Runde zum Boxenstopp hereinkam. Möglich wäre, dass Team LeMans mit gebrauchten Reifen startete, um mit einem frühzeitigen Stopp nicht nur dem Pulk zu entgehen, sondern auch einen Satz frischer Pneus zu sparen. Renntechnisch ging die Strategie jedoch nur bedingt auf, denn trotz der freien Fahrt konnte Kobayashi nicht die benötigte Zeit auf die vorderen Positionen zufahren. Stattdessen viel der Japaner nach den Boxenstopps des restlichen Feldes gänzlich aus den Top-10, profitierte jedoch schlussendlich jedoch von den beiden zuvor genannten Ausfällen. Kobayashis Auftakt erfolgte in der Analyse somit nicht unbedingt nach Maß, zumal er mit Aufhängungsproblemen zu kämpfen hatte. Allerdings gelang es ihm seinen Teamkollegen Ryo Hirakawa zu schlagen, der wie auch Rossiter lediglich Benzin nachtanken ließ, beim Losfahren jedoch den Motor abwürgte und somit die gewonnene Zeit wieder umgehend verlor. Am Ende kam der Rookie des Jahres von 2013 auf einem enttäuschenden zwölften Rang ins Ziel. Viele Probleme somit beim Auftakt für Team Kygnus Sunoco LeMans, die zwar hinter den Erwartungen zurückblieben, bereits in Okayama aber wieder um die Top-Positionen mitfahren sollten. Just am jenem Ort überzeugte insbesondere Kamui Kobayashi mit Tagesbestzeiten beim Rookie- sowie einer ebenfalls starken Performance während des offiziellen Tests.
Ein sehr schwieriges Wochenende erlebte auch Andrea Caldarelli. Der Italiener debütierte in Suzuka in seiner ersten vollen Saison unter dem neuen Serientitel, nachdem er letztes Jahr einmalig jeweils für Loic Duval sowie André Lotterer einsprang. In der Qualifikation kam er jedoch nicht über den 16. Platz hinaus. Im Rennen kam er bereits in der zehnten Runde zum Boxenstopp, verzichtete aber wie auch Rossiter sowie Hirakawa auf den Reifenwechsel, womit auch er sich einen vierten frischen Satz für Okayama aufhob. Nach eigener Aussage waren Caldarelli und Impul über die schlechte Performance des Wagens seit der Ausfahrt am Samstagmorgen überrascht gewesen. Alle Erfahrungen und Einstellungen, die man aus den Testfahrten gewonnen hatte, funktionierten nicht. Hinzu gesellte sich ein Motorenproblem, womit dem Italiener wertvolle Leistung im Heck fehlte. Mit der gewählten Strategie versuchte Impul dieses Defizit zu kompensieren. Am Ende sprang ein, gemessen der Umstände, respektabler elfter Platz heraus. Vor Andrea Caldarelli kam der ebenfalls debütierende Bertrand Baguette auf Rang zehn ins Ziel. Von Startplatz 17 aus kommende fuhr der Belgier im Dienste von Nakajima Racing ein starkes Rennen. Die Punkteränge verpasste er nur knapp, nachdem er bei seinem Boxenstopp den Motor abwürgte und somit wertvolle Zeit verlor. Die etwas trickreiche Handkupplung des SF14-Boliden sorgte auch im letzten Jahr für einige Probleme bei den Fahrern. William Buller beendete sein erstes Super-Formula-Rennen im zweiten Wagen von Kondo Racing auf dem 14. Platz.
Obgleich André Lotterer den Auftakt souverän und quasi in seiner „eigenen Liga fahrend“ gewann, bestätigt der Rennverlauf die positive Tendenz der Testfahrten, dass Honda nach einem schwierigen 2014 den Anschluss an Toyota gefunden hat. Verstärkt wird dies außerdem durch Naoki Yamamotos Pole-Position sowie die schnellste Rennrunde von Tomoki Noiri (Rang acht). Die restliche Saison verspricht somit einen engen Kampf zwischen den Teams aus beiden Lagern. Honda muss jedoch noch bei der Standfestigkeit nachbessern. Denn neben den beiden Motorschäden von Takashi Kogure sowie Naoki Yamamoto traf es auch Koudai Tsukakoshi, dessen Aggregat sich bereits im Warm-up verabschiedete, wodurch der Real-Racing-Pilot erst gar nicht am Rennen teilnehmen konnte. Sein Teamkollege und Serienrückkehrer Takuya Izawa fuhr hingegen auf den siebten Platz.
Das zweite Saisonrennen der japanischen Super Formula findet nach einer siebenjährigen Pause am 24. Mai 2015 erstmals wieder auf der ehemaligen Grand-Prix-Strecke in Okayama statt. Damals gewann Loic Duval vor André Lotterer und Kohei Hirate.
Rennergebnis Suzuka
Aktueller Meisterschaftsstand
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