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Formula E: Analyse Monaco ePrix

von StefanTegethoff
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„Monaco mal anders“ schrieb ich in meiner Vorschau, doch so anders als beim ‚großen‘ Großen Preis von Monaco war das Debut der Formula E im Fürstentum gar nicht: Es gab einen großen Startcrash, erhitzte Gemüter, das Überholen war schwierig, und so siegte trotz einiger enger Duelle der Polesetter, der in diesem Fall den Namen Sébastien Buemi trägt. Der Schweizer ist somit der erste Pilot, der zwei Formula E-Läufe gewinnen konnte, denn kurz vor Weihnachten siegte er bereits in Punta del Este. Auch in der Meisterschaft rückte er damit wieder näher an die Spitze heran, doch fangen wir vorn an.

Training & Qualifikation

2014/2015 FIA Formula E Championship. Monaco ePrix, Monte Carlo, Monaco, Europe. Saturday 9 May 2015 Photo: Jed Leicester /LAT/Formula E ref: Digital Image JL2_3164Schon in den Trainings am Morgen zeigte sich das e.dams-Team mit Buemi und Nicolas Prost, das auch die Teamwertung deutlich anführt, wieder einmal gut aufgestellt. In der Qualifikation gelang es Buemi, sich um fast zwei Zehntelsekunden vor Lucas di Grassi die Pole Position zu sichern. Sein Teamkollege Prost schaffte es mit ca. vier Zehnteln Rückstand allerdings nur auf Rang 8. Nelson Piquet jr. wurde Vierter und war im Anschluss stinksauer auf seinen Landsmann di Grassi, der ihn angeblich behindert hatte. Di Grassi fuhr direkt vor Piquet jr. durch die letzten Kurven der Strecke, um sich auf seiner anschließenden Runde die Provisional Pole zu holen – aus seiner Sicht rechtfertigte das, Piquet nicht vor Rascasse noch vorbeizulassen; der sah das jedoch anders.

Antonio Felix da Costa, im Training noch Drittschnellster, setzte das Auto auf seiner schnellen Runde ausgangs Tabac heftig in die Leitplanke und musste so auf eine deutlich langsamere Runde zurückgreifen. Doch von ganz hinten musste er nicht starten, denn es gab noch einige Strafen zu verteilen: Loic Duval, Jaime Alguersuari und Karun Chandhok wurden allesamt für den Wechsel des „Rechargeable Energy Storage System“ (kurz RESS) mit einer Rückversetzung um zehn Startplätze bestraft. Beim RESS handelt es sich um den Akku der Fahrzeuge und laut Reglement wird der Wechsel von Akku, Getriebe oder E-Motor in einem der beiden Autos mit eben dieser Strafe belegt. Somit musste Karun Chandhok von ganz hinten starten.

Der Startcrash…

_FER9205Dock der Rennstart am Nachmittag endete ohnehin im Chaos: Durch Turn 1, der als recht weitläufige, aber scharfe Rechtskurve ausgestaltet war, kamen noch fast alle Piloten ohne Probleme – nur Jean-Eric Vergne verlor seinen Frontflügel. Doch in dem anschließenden Linksknick, der auf die Kurzanbindung Richtung Hafen führte, verengte sich die Fahrbahn enorm. So konnte Daniel Abt, der auf Rang 5 gestartet war, nicht optimal in die Kurve einlenken, weil sich innen neben ihm Nicolas Prost befand, und landete schnurstracks in der Leitplanke. Im dichten Getümmel hatte Bruno Senna unmittelbar hinter ihm keine Chance auszuweichen, fuhr auf und stieg in die Luft auf.

Nun kann man argumentieren, dass die Strecke an dieser Stelle zu eng gewesen ist. Andererseits haben andere Piloten – auch in der Startphase – diese Einfahrt in die enge Passage sehr wohl zu zweit nebeneinander durchfahren, ohne dabei zu verunfallen. Der Auffahrunfall danach wäre vermutlich kaum anders ausgegangen, wenn die anschließende Gerade breiter gewesen wäre: Die Abstände unmittelbar nach dem Start sind einfach zu gering, um einem nicht vorhersehbaren Auffahrunfall im dichten Verkehr auszuweichen. Einzig für die dann nachfolgenden, nicht mehr unmittelbar betroffenen Piloten, wäre es einfacher gewesen, die gestrandeten Fahrzeuge und Trümmer zu umfahren.  Dennoch sollten die Organisatoren überlegen, ob nicht beim nächsten Auftritt in zwei Jahren der gesamte Bereich Ste. Devote / Einfahrt Kurzanbindung umgestaltet werden kann. Die Kurzanbindung selbst ist trotz der Engstelle jedoch meiner Meinung nach vertretbar.

Auch einige weitere Piloten wurden in Mitleidenschaft gezogen; wer sich an die Box zurückschleppen konnte, wie Vitanotio Liuzzi, wechselte in das zweite Fahrzeug. Für diese Piloten boten sich nun zwei Alternativen: Entweder konzentriert man sich auf die schnellste Runde und versucht sich diese zwei Punkte zu sichern oder man versuchte in der Hoffnung auf weitere Ausfälle, mit der Batterieladung eines Fahrzeugs das gesamte Rennen zu absolvieren. Viantonio Liuzzi war einer derjenigen, die letzteres versuchten – und sorgte damit für gefährliche Situationen, denn er stellte für 46 Runden ein langsam um den Kurs rollendes Hindernis dar. Mit elf Runden Rückstand und Rang 14 rentierte sich der Versuch auch nicht.

JL3_4231Diese Vorgehensweise sollte die Rennleitung in Zukunft möglichst unterbinden, denn ein Fahrzeug, das sich mit halber Geschwindigkeit durch das gesamte Rennen zu schleppen versucht, stellt auf den engen Straßenkursen eine zu große Gefahr dar. Ähnliches gilt für Scott Speed, der mit beschädigter Front die erste Rennhälfte bestritt und dabei Teile seines Flügels über die Strecke verteilte: Für diese Fälle steht der Rennleitung eigentlich die „Spiegelei-Flagge“ zur Verfügung, die den Teilnehmer wegen technischer Mängel an die Box beordert.

…und das weitere Rennen

Von alledem unbeeindruckt waren nur die ersten fünf durch die Startrunde gekommen: Buemi hatte die Spitze klar behauptet, dahinter di Grassi, d’Amborio, Piquet und Prost, der zwar zur Unfallursache beigetragen hatte, aber selbst nichts abbekam. Der Unfall hatte selbstverständlich eine Safety Car-Phase ausgelöst, der Restart verlief jedoch gesittet. Ausgangs der Kurzanbindung konnte sich Piquet in Runde 6 Jerome d’Ambrosio zurechtlegen und ihn in der Hafen-Kehre mit einem sehenswerten Manöver überholen. Diese Kurve stellte sich tatsächlich als beste Überholmöglichkeit auf der Strecke dar, auch wenn nicht alle Versuche gelingen sollten. Die erste Rennhälfte verlief ansonsten eher ruhig, wie man es aus den bisherigen Läufen gewohnt ist: Jeder versucht, energiesparend seine Position zu halten, um in der zweiten Rennhälfte gut aufgestellt zu sein.

2014/2015 FIA Formula E Championship. Monaco ePrix, Monte Carlo, Monaco, Europe. Saturday 9 May 2015 Photo: Jed Leicester /LAT/Formula E ref: Digital Image JL2_3658

Bei den Boxenstopps versuchte Lucas di Grassi es mit einem Undercut gegen Sebastien Buemi: Er steuerte eine Runde früher die Box an, um das Fahrzeug zu wechseln und dann mit schnellen Runden am Schweizer vorbeizusprinten. Der Versuch misslang, allerdings nur um Sekundenbruchteile. Auch den unmittelbar anschließenden Überholversuch in der Hafen-Kehre wehrte Buemi auf kälteren Reifen gekonnt ab. Von da an kontrollierte er das Rennen ungefährdet bis zur Zielflagge.

Lucas di Grassi musste sich stattdessen nach hinten orientieren, denn Nelson Piquet jr. schloss – während er weiterhin sparsam mit seinem Akku umging – auf ihn auf und so lagen die beiden Kontrahenten aus dem Qualifying wieder dicht beisammen. Piquet hatte wie beim Rennen in Long Beach den FanBoost gewonnen und setzte ihn diesmal auch ein, um in Runde 42 auf der Start/Ziel-Geraden di Grassi direkt ans Heck zu fahren. Der erste Überholversuch folgte in der darauf folgenden Hafen-Kehre, di Grassi konnte jedoch mit qualmenden Reifen abwehren.

JL1_4315Eine gesamte Runde absolvierten die beiden brasilianischen Streithähne vor den gemeldeten 23.000 Zuschauern mit minimalem Abstand, bis es bei der nächsten Passage der Hafen-Kehre zum entscheidenden Versuch kam: Beide bremsten extrem spät, als di Grassi schon einlenkte, stach Piquet noch in die sich schließende Lücke – eine leichte Berührung war jedoch das einzige Resultat, di Grassi konnte Platz 2 behaupten und Piquet fiel in der Folge etwas zurück. Er musste sich in der letzten Runde sogar noch gegen Sam Bird behaupten, der jedoch keinen echten Überholversuch mehr starten konnte. So wurden die Podiumsplätze in der Reihenfolge vergeben, die durch die Boxenstopps implementiert worden war: Buemi – di Grassi – Piquet. Letzterer schien auch auf der Treppe vor der Fürstenloge noch angesäuert von den Ereignissen des Tages und würdigte seinen Landsmann keines Blickes. Diese Brasilien-interne Fehde ist noch nicht ausgestanden…

Die Meisterschaft – nächster Halt: Berlin

Sebastien Buemi räumte mit 25 Punkten für den Sieg und dreien für die Pole richtig ab und rückte in der Meisterschaft auf Rang 3 vor. Zehn Punkte vor ihm führt Lucas di Grassi selbige weiterhin an, dazwischen liegt Nelson Piquet jr. Die zwei Zähler für die schnellste Rennrunde sicherte sich Jean-Eric Vergne, der es nach dem Startunfall nicht über die Distanz schaffte, um eine halbe Sekunde vor Nelson Piquet jr. Der Vorsprung von e.dams-Renault in der Teamwertung wurde – auch durch Nicolas Prosts sechsten Rang – weiter ausgebaut und beträgt nun 45 Zähler gegenüber Audi Sport Abt.

Lucas di Grassi: 93 Punkte
Nelson Piquet jr.: 89
Sébastien Buemi: 83
Nicolas Prost: 77
Sam Bird: 64
Jerome D’Ambrosio: 52
Antonio Felix da Costa: 45
Jean-Eric Vergne: 34
Jaime Alguersuari: 30
Bruno Senna: 28

In zwei Wochen steht der nächste Lauf an – dann auf dem Vorfeld des Tempelhofer Flughafens in Berlin!

(Bilder: Formula E Media)

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