Audi hat den neuen Audi R8 vorgestellt. Wir hatten die Gelegenheit, den Wagen intensiv dahin gehend zu testen, ob er das Zeug zum Supersportwagen hat. Und zwar auf der Rennstrecke von Portimao.
Die erste Generation des Audi R8 aus dem Jahr 2007 basierte auf einer Designstudie, die Audi 2003 vorgestellt hatte. 2012 folgte eine dringend erforderliche Auffrischung, denn die bis dato produzierten Modelle hatten noch das halbautomatische „R-tronic“-Getriebe, das ein steter Quell des Ärgers war. Verzögerte Schaltvorgänge, kräftige Schläge in den Nacken – da war man mit dem 6-Gang-Handschalter deutlich besser dran. Der „V10 +“ von 2012 bekam dann das 7-Gang S-tronic-Getriebe, deutlich mehr Leistung (550 PS) und ein überarbeitetes Fahrwerk. Das hatte das nervige Untersteuern des Vorgängers besser im Griff, konnte es aber auch nicht vollends abstellen. Und jetzt kommt also die zweite Generation des R8. Ein komplett neues Chassis und noch mehr Leistung sollen den Spaßfaktor deutlich erhöhen.
Auf dem Weg vom Flughafen in Faro zur Rennstrecke von Portimao, über teils miserable Landstraßen, unterhielt ich mich mit dem Kollegen Dietmar Stanka über unsere Erwartungshaltung in Sachen R8. Es wird ein sehr gutes Auto sein, dachten wir. Eines, das Audi, wie sie halt so sind, auf Perfektion getrimmt hat. Auf Schienen wird er laufen, den Grenzbereich, wie oft bei den Quattro-Modellen, mit Untersteuern begleiten und überhaupt – ein wenig „kalt“ wird er sein. Schnell, präzise, aber auch ein wenig unterkühlt.
Der neue R8 ist wirklich komplett neu. Keine „Modelpackung“ von wegen altes Chassis, verbessert, mehr Leistung und hübscheres Design. Von Beginn an war Mannschaft der Quattro GmbH, Abteilung Rennsport, in die Entwicklung involviert. Und man hat kompromisslos den Motorsport im Blick gehabt. Das neue Chassis ist ein Verbund aus Aluminium und Kohlefaser. Getriebetunnel, die Stützwand zum Mittelmotor und weitere Teile sind aus Carbon. Das macht das gesamte Chassis 10% leichter, aber vor allem wurde es durch die Maßnahme 40% steifer. Ein steifes Chassis wiederum bringt deutliche Vorteile und Freiheiten bei der Fahrwerksabstimmung.
Wie eng die Verzahnung zwischen der GT3-Variante des R8 und dem Seriensportwagen ist, verdeutlichen zwei Dinge. Die Fahrzeuge sind zu 50% identisch, was gleichzeitig bedeutet, dass beide Varianten auf der gleichen Produktionslinie gebaut werden. Der GT3 bekommt dann später in Handarbeit die Sicherheitsmaßnahmen (Käfig usw.) und die deutlich andere Aerodynamik. Selbst der Motor kommt aus der gleichen Baureihe und der GT3 hat sogar weniger Leistung (585 PS) als die zivile V10+ Variant (610 PS). Den 5.2 Liter V10 selber hat man dankenswerterweise nicht großartig angefasst. Mehr Leistung (klar), etwas weniger Spritverbrauch (hahaha), aber man hat sich dazu entschlossen, das Saugmotorkonzept nicht anzufassen. Also kein aufgeblasener V8, sondern ein richtiger „Old School“-Sauger.
Innen hat man den R8 komplett aufgeräumt. Alles ist auf den Fahrer konzentriert. Das „Active Display“ ist nach einen Tacken größer als beim Audi TT, Q7 oder A4. Gleichzeitig hat es die Option, nur den Drehzahlmesser mittig zu platzieren. Rennsportfeeling pur. Fehlen nur noch ein paar LEDs für den Gangwechsel, die man tatsächlich auf der Strecke im manuellen Betrieb manchmal vermisst.
Völlig neu ist auch das Lenkrad. Mit schönen Grüßen vom Ferrari F458. Im Lenkrad findet man, neben den üblichen Bedienelementen für das Active Display und das Infotainmentsystem, dann noch den Knopf für die Einstellungen des Fahrwerks, die Klappensteuerung für den Auspuff und einen sehr großen, sehr deutlichen und sehr roten Knopf mit der Aufschrift „Start“. Links unten gibt es dann noch einen Knopf mit dem man den Audi R8 richtig scharf machen kann, den „Race“-Modus. Den man besser „Ok, Du hast es nicht anders gewollt“-Schalter nennen könnte.
Die Strecke in Portimao war mir noch in guter Erinnerung vom Test mit dem Mercedes C63S aus dem letzten Februar. Also: Balaklava an, Helm auf, Gurt angelegt, Klimaanlage auf „Ice Age“ und vorsichtig den „Insane“-Knopf gedrückt. Der schaltet das ESP (fast) komplett ab, sagt dem Motor „Gib alles“ und dem Getriebe „Denk nicht mal an Drehzahlen unter 4.000 U/min.“
Und dann kam die Überraschung. Die zweite Generation des Audi R8 ist ein echtes Miststück im „Race“-Modus. Und das meine sich sehr positiv. Keine Zurückhaltung, kein „Ja, wir fangen dich schon wieder ein“, kein Audi-typisches Untersteuern, das einem schon mal den Spaß vermiest. Die Carbon-Bremsen reagieren auf ein leises Husten und verzögern den R8 so stark, dass man sich einen 6-Punkt-Gurt wünscht. Der V10 schreit einen die ganze Zeit an, das Getriebe schaltet blitzschnell und ohne Zugkraftunterbrechung. Und schnell merkt man, dass 610 PS echt viel Holz sind.
Ich zum Beispiel, gleich in der dritten Kurve, eine 90° Grad Rechts. Angebremst, Scheitelpunkt anvisiert, schön eingerollt, aufs Gas. Und zack – war der erste (und letzte) halbe Dreher da. Ich hatte ehrlich gesagt damit gerechnet, dass das ja nur partiell abschaltete ESP sich mahnend einmischt. Aber Pustekuchen. Der „Race“-Modus gibt einem ein pures Rennfeeling und dazu gehört dann eben auch, dass der eh schmale Grenzbereich eines Mittelmotorwagens dann eben irgendwann zu Ende ist.
„Oh“, dachte ich, „das kam jetzt unerwartet. Für einen Audi.“ Der Vorgänger, den ich damals in Mugello getestet habe, quittierte derartige Unterfangen mit einem massiven Untersteuern. Die Vorderachse schob und schob, man ging vom Gas, das war es dann. Der neue R8 ist ein ganz anderes Kaliber.
Nächste Kurve. Bergauf. Links. Über eine Kuppe. Zieht sich leicht zu. Das Heck wird leicht, der R8 schiebt über die Mittelachse leicht nach außen und man merkt, dass man den Leistungseinsatz dann hier besser etwas beschränken soll. Aber selbst wenn man die Tracklimits auslotet – der R8 gibt einem in jeder Sekunde das richtige Feedback, man merkt, was das Auto macht, man kann das Limit dosieren und sich an den Grenzbereich heran tasten. Ohne dass ein ESP nervt.
Es folgt eine kurze Gerade. Vollgas. Logisch. Bei 8.500 U/min sollte man schalten, sonst kommt der Begrenzer (Hint an Audi: LED-Leuchten im Lenkrad!). Man bremst bergab eine 180° Grad Haarnadel an. Kurzer Blick auf den Tacho nach den paar Hundert Metern vorm Anbremsen. Irgendwas mit 225 km/h. Erneut voll in die Eisen, einlenken. Untersteuern? Nie gehört. Ein leicht nervöses Heck, aber nicht unangenehm. Eher eine Warnung, dass man mit dem Gas geben noch einen Tick warten sollte. Ein kurzer, leicht zu kontrollierender Drift entsteht, dann packt der Quattro und zieht einen erneut den Berg hoch.
Nächste Kurve, rechts, bergab. Sehr schnell. Kurz die Bremsen antippen, einlenken. Kein Thema. Dann hart bremsen. Eine enge Rechts, bergauf, über eine Kuppe. Nach dem Scheitelpunkt kurz warten, dann Vollgas und man fällt in eine Senke mit anschließender Bergauf-Links. Da wartet auf der Kuppe ein fieser Bremspunkt. Bloß innen bleiben, wenn man zwei Meter zu weit außen ist, kommt man in den Dreck und darf die großzügigen Auslaufzonen testen. Anbremsen auf einer Kuppe kann haarig sein. Das entlastete Heck quittiert manches Auto mit viel Lenkradarbeit.
Der R8 bleibt auch hier stabil, man fühlt sich nicht eine Sekunde überfordert, mal abgesehen davon, dass nach der Kuppe eine weitere Rechtskurve folgt, die fies bergab geht und wieder in einer Bergauf-Links mündet. Aber die geht mit dem R8 locker voll. Aufpassen, da kommt ein 90° Links. Bergauf. Blinder Apex, die Kurve macht am Ende auf. Perfekt für einen schönen Drift, der R8 zaubert schöne schwarze Striche in den Asphalt. Danach eine Doppel-Rechts, die aufmacht. Noch mal ein leichter Drift, schön den Curb mit genommen, dann wieder Vollgas…. und hier folgt eigentlich die gemeine Rechts zu Start/Ziel. Kuppe, Rechtskurve, nach Außen abfallen, zieht sich erst zu, dann geht sie auf, eine Senke, die lange Gerade auf die man schon so mit locker 180 km/h kommt. Die war dann leider für den Testbetrieb gesperrt. Aber egal.
Das alles macht mit dem R8 wahnsinnigen Spaß. Als ich zum ersten Mal hörte, dass der R8 in Portimao getestet wird, dachte ich „Oh je, 610 PS, untersteuernd. In Portimao.“ Aber da habe ich die Quattro GmbH unterschätzt. Vielleicht liegt es am neuen Chef Heinz Hollerwenger, der seit 2014 die Leitung übernommen hat. Schon der neue Audi RS3 überraschte mit seiner Kompromisslosigkeit und einem nur leichten Untersteuern, das ja früher eher typisch für die RS-Modelle war.
Der R8 ist ein richtiges Tier, vor allem im „Race“-Modus. Er ist „Old School“, weil er einen mit den 610 PS alleine lässt. Man merkt sehr schnell, dass man es besser nicht übertreiben sollte. Dass man hier einen echten Supersportwagen vom alten Schrot und Korn hat. Und man erfährt schnell, dass man hier flott an seine eigene fahrerischen Grenzen kommt. In den Händen eines Rennfahrers lebt der R8 dann vermutlich erst so richtig auf.
Allerdings hat man dem R8 auch noch einen Zwischenmodus mit auf die Reise gegeben. Wem die Einstellung „Race“ ein bisschen zu fordernd ist, der kann auch im „Dynamic“-Modus sehr viel Spaß haben. Hier regelt das ESP dann spürbar ab, lässt aber durchaus noch einen leichten Drift zu, bevor die Räder dann einzeln sanft abgebremst werden. Auch in „Dynamic“ kann man, wenn man die Schaltwippen per Hand betätigt, sehr, sehr schnell unterwegs sein.
Neben den erstaunlichen fahrdynamischen Leistungen kommt aber noch eine weitere Komponente hinzu. Der Audi R8 kann auch ganz zahm gefahren werden. Die Federung auf „Comfort“ gestellt, das Getriebe in den sparsamen „D“-Modus gestellt, und schon wird der R8 zu einem alltagstauglichen Gefährt. Auf der Autobahn, so bei 140 km/h, bügelt die Federung alle Unebenheiten weg, der Wagen wird regelrecht langstreckentauglich. Der Motorsound verschwindet, man rollt gemütlich und sehr stressfrei durch die Landschaft. Ein erstaunlicher Spagat, den man kaum beschreiben kann. Eben noch war man im „Insane“-Modus, einen Moment später kann man sich entspannt zurücklehnen. Selbst den Motor, der ein paar Zentimeter hinter einem sitzt, hört man nicht mehr.
Fazit:
Überraschung: Audi kann auch sehr böse. Die Renngene, die Audi ohne jeden Zweifel hat, haben endlich ihren Weg ins Spitzenmodell gefunden. Erschienen die bisherigen Modell manchem Betrachter als ein Kompromiss, lässt die zweite Generation des Audi R8 keinen Zweifel mehr daran, dass er ein echter Supersportwagen ist. Noch nie konnte ein R8 so böse, so nah an einem echten Rennwagen dran sein wie dieser. Bemerkenswert sind aber nicht nur seine Fahrleistungen auf der Strecke, sondern auch, das er komplett alltagstauglich ist. Zwei Klicks und schon wird der R8 so zahm, dass man fast nicht glauben kann, was passiert, wenn man das „Biest“ erweckt.
Bilder: Audi AG, Racingblog
3 Kommentare
Wunderbares Fahrzeug und eine ebenso toller Artikel, danke dafür!
Könnt ihr nicht anderweitig hier Werbung schalten um an Geld zu kommen anstatt solche „Tests“ zu veröffentlichen?
@ Martin Straube:
Das ist keine Werbung. Audi hat die Kosten für Flug/Hotel übernommen, es ist kein Geld an mich oder an diese Seite geflossen.
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