Nach dem starken Saisonauftakt der Formula E – und insbesondere von Sebastien Buemi, der Pole, Sieg und schnellste Runde holte – reist der elektrische Rennzirkus weiter nach Malaysia, genauer: nach Putrajaya.
Bei diesem eher weniger bekannten Ort handelt es sich um eine Planstadt jüngeren Datums: Erst 1995 – vor 20 Jahren – wurde Putrajaya gegründet, um Regierung und Verwaltung Malaysias aus der nördlich gelegenen, ständig überfüllten und verstopften Hauptstadt Kuala Lumpur auszulagern. Der zentrale Bereich der 70.000-Einwohner-Stadt Putrajaya (der Name setzt sich zusammen aus dem Nachnamen des ersten Premierministers und dem Sanskrit-Wort für „Erfolg“) befindet sich auf einer Insel; dort ist zwischen öffentlichen Gebäuden und noch leeren Baufeldern die Rennstrecke für die Formula E abgesteckt, die für mich zu den Highlights der Debütsaison gehörte.
Die Strecke
Den ersten Teil der Strecke bilden die beiden längsten Geraden auf der prachtvoll bebauten Hauptachse der Stadt. Die 550 Meter lange Start/Ziel-Gerade und die Boxenanlage liegen im Schatten des wuchtigen Baus, in dem das Finanzministerium Malaysias sitzt. Die Schikane am Ende dieser Geraden stellt die beste Überholmöglichkeit dar, doch die darauf wiederum folgende 400 Meter lange Gerade erlaubt auch Konter – oder einen zweiten Versuch.
Es folgt ein kurvenreicher Streckenabschnitt durch das geschwungene Straßenraster des zweiten Distrikts. Hier ist die Bebauung noch nicht fertiggestellt, daher muten die baumgesäumten Straßen eher wie eine Parklandschaft an. Die Kurven weisen unterschiedliche Winkel auf und sind mittelschnell – die langsame Kurve 7 nach einem 300 Meter langen (oder kurzen) Vollgas-Bogen taugt bestenfalls für Überraschungsangriffe.
Der daran anschließende Abschnitt ist interessant: Auf zwei stumpfwinklige, flott zu durchfahrende Links-Knicke folgt eine enge Haarnadel auf der Rampe zur Seri-Wawasan-Brücke, die auf die Nachbarinsel führt. Hier sind Überholmanöver möglich, wie sich im Vorjahr zeigte – allerdings war die Anfahrt zur Haarnadel auch der unfallträchtigste Streckenabschnitt. In einem langen, sich verengenden Rechtsbogen geht es nach 2,56 Kilometern zurück auf Start/Ziel. Die Pole-Zeit von Nicolas Prost lag im Vorjahr bei 1:21‘779 – sie sollte diesmal unterboten werden.
Der Putrajaya ePrix 2014
Im Vorjahr dominierte Sam Bird den Putrajaya ePrix: Von Startplatz 2 aus war er schnell in Führung gegangen und zog davon, während er gleichzeitig mit seinem Energievorrat haushaltete. Es schien, als seien er und sein Team die ersten gewesen, die rausgefunden haben, wie man einen Formel E-Boliden abstimmen und fahren muss – doch es sollte bis zum Saisonfinale in London Birds einziger Sieg in der ersten Saison bleiben. Performances von Fahrern und Teams wechselten immer wieder, es war kaum ein klares Kräfteverhältnis auszumachen.
E-Power Ranking
Das dürfte in diesem Jahr anders sein: Zwar kann ich nach einem einzelnen Rennen noch keine echte Aussage darüber treffen, ob das dort zu beobachtende Kräfteverhältnis konstant bleibt; doch da wir in dieser Saison mit unterschiedlichen Antriebsstrang-Herstellern und -Konfigurationen konfrontiert werden, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich ein Ranking in den nächsten Rennen herauskristallisieren wird.
In Beijing hatte eindeutig das e.dams-Renault-Team um Alain Prost die Nase vorn. Dessen Vorteil mag möglicherweise auch daher kommen, dass Renault schon vor und in der ersten Saison in die Entwicklung und Konstruktion des Formula E-Boliden involviert war; auf jeden Fall aber haben die französischen Ingenieure für die zweite Saison einen sehr guten powertrain für Sebastien Buemi und Nicolas Prost entwickelt. Der Renault-Antriebsstrang besteht aus einem einzelnen Motor und einem Zweigang-Getriebe: Ein Gang ist für den Start da und maximiert die Leistung aus dem Stand; der andere ist für die übrigen Situationen, wobei der Verzicht auf Schaltvorgänge Energie spart.
Die engsten Verfolger waren in Beijing Abt-Schaeffler (insbesondere Lucas di Grassi), die auf ein Dreigang-Getriebe zurückgreifen – und als einzige neben Renault e.dams das Mindestgewicht von 888 kg nicht überbieten – sowie Mahindra (insbesondere Nick Heidfeld) und Dragon Racing (Duval / d’Ambrosio), beide mit vier Gängen und einem Motor.
Auch DS-Virgin Racing (Vergne / Bird) scheint – mit Twin-E-Motor und nur einem Gang – vom Speed her gut aufgestellt, das Auto gehört jedoch zu den schwersten im Feld. Die britisch-französische Kooperation hatte im Rennen Probleme mit der Energieeffizienz und so waren die Piloten gezwungen, die Leistung zurückzudrehen, um den Fahrzeugwechsel nicht vor Rennmitte absolvieren zu müssen. Durch die Gelbphase während der Stopps schoben sich einige andere Piloten vor Vergne und Bird. Der anstehende ePrix wird weiter Aufschluss geben, ob dies tatsächlich das Kräfteverhältnis für Saison #2 ist.
Wann und wo schauen?
Das zweite Saisonrennen der Formula E startet am Samstagmorgen um 7 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Eurosport überträgt ab 06:45 Uhr live, nachdem man ab 06:15 eine Zusammenfassung der Quali gezeigt hat; ITV4 in Großbritannien ab 06:00 unserer Zeitzone mit Vorberichterstattung einschließlich Quali-Highlights.
(Bilder: Formula E Media)
3 Kommentare
Danke für die ausführliche Vorschau!
Ich habe diese Rennserie in der letzten Saison gerne angeschaut; zuerst einfach aus Neugierde, weil es eben ein völlig neues Konzept war, später, weil es teilweise echt gute Rennen zu sehen gab. Umso mehr bin ich darauf gespannt, wie die zweite Saison wird, da ja heuer Eigenentwicklungen erlaubt sind.
Das zweite Saisonrennen am Samstag würde ich auch auch gerne sehen, aber leider ist die FormulaE ja nicht mehr bei Sky, sondern bei Eurosport im Programm, d.h., mit Wiederholungen sieht es eher mau aus… – und mitten in der Nacht(6:45 Uhr)aufstehen ist nicht so mein Ding.
Ich werde die Serie auf jeden Fall weiterhin verfolgen, nicht zuletzt dank der Vorschauen und Analysen hier bei racingblog.de und warte auf die Rennen, die zu „zivilen“ Zeiten stattfinden.
Hallo Reinhard,
in der kostenlosen FormelE-App kann man bequem die Highlight Videos abrufen.
Ich durfte die Formel E in Berlin miterleben. Ein ganz besonderes Ereignis, das man als Formel1-Fan unbedingt mal erleben muss.
Beste Grüße
David
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