Am Motorsportwochenende des Jahres steht auch der Saisonhöhepunkt der IndyCar Series auf dem Programm. Zum 100. Mal werden Fahrer die 500 Meilen von Indianapolis in Angriff nehmen.
Das Indy 500 ist jedes Jahr etwas ganz Besonderes. Mit dem Jubiläum in diesem Jahr ist alles aber noch mal eine Nummer größer, schöner und glänzender. Eingeläutet wurde die Show mit dem 100-day-out-Event im Indianapolis Motor Speedway am 19. Februar. Die Tribünen sind seit Wochen ausverkauft und im Infield werden wieder tausende Besucher campen. Insgesamt werden 350.000 Besucher am Sonntag erwartet. Man kommt so der mythischen Zahl von 400.000 Menschen im IMS tatsächlich recht nahe. Das Indy 500 ist und bleibt so das größte Einzel-Sportevent der Welt. Daran ändern auch die unbedeutenden Sportereignisse in Rio de Janeiro (Olympia) und Frankreich (Euro) später im Jahr, die mehrere Tage und Orte für eine ähnliche Zuschauerzahlen benötigen, nichts mehr.
Dem Jubiläum angemessen wird auch viel Prominenz zu sehen und zu hören sein. Schauspielerin Florence Henderson (The Brady Bunch), die in den letzten Jahren häufiger „America the Beautiful“ oder „God Bless America“ gesungen hat, wird der Grand Marshal des Rennens sein. Die Nationalhymne wird Darius Ruckner (Hootie and the Blowfish) und „Back Home Again in Indiana“ wird Josh Kaufman (NBC’s The Voice) in Begleitung des Indianapolis Children’s Choir vortragen. Roger Penske darf, in Anerkennung von 50 Jahren Rennsport und 16 Siegen beim Indy 500, das Pace Car steuern. Zu guter Letzt hat Schauspieler Chris Pine (James Tiberius Kirk) die Ehre, die grüne Flagge zu schwenken.
Vor einem Jahr gab es, nach diversen schweren Unfällen, doch einige Sicherheitsbedenken. Durch die Einführung der gewölbten Unterbodenplatte wurde die Tendenz zum Abheben der Wagen merklich reduziert. Insgesamt blieben die Fahrer fast von schweren Unfällen verschont. Nur Max Chilton, Alex Tagliani, Pippa Mann und Spencer Pigot schlugen relativ hart in die Begrenzung ein. Abgesehen von Prellungen konnten sie ihren Wagen aber unverletzt entsteigen. Chilton musste zur Qualifikation aber ein neu aufgebautes Autos mit dem Ersatzchassis verwenden.
Strecke
Schon 1909, als der erste Indianapolis Motor Speedway eröffnet wurde, handelte es sich um ein 2,5 Meilen großes Oval. Auch einige Umbauten, wie zum Beispiel das Verlegen von Ziegelsteinen, die dem Oval den Namen Brickyard einbrachten, haben an der Grundkonfiguration nichts geändert. Die vier 90° Kurven mit einer Länge von jeweils 0,25 Meilen und einer Überhöhung von 9°12‘ werden durch zwei lange (0,625 Meilen) und zwei kurze Geraden (0,125 Meilen) verbunden. Das geringe Banking ist untypisch für ein US-Oval und sorgt für eine schwierige Abstimmung, da die IndyCar bei Durchschnittsgeschwindigkeiten von mehr als 220 mph (354 km/h) leicht nach außen rutschen. Eine Erhöhung des Abtriebs würde das verhindern, aber den Topspeed vermindern. Gerade in der Qualifikation ist es ein diffiziles Spiel, die richtige Einstellung zu finden.
Training
Aus dem Honda-Lager, insbesondere von Andretti Autosport, hörte man im Vorfeld, dass man gegen die Chevrolets chancenlos sein wird. Vom ersten Training an aber dominierten die Honda und allen voran Andretti Autosport. Die schnellsten Zeiten an den ersten drei Trainingstagen fuhren Marco Andretti, Carlos Munoz und Ryan Hunter-Reay. Die Top-Chevrolet von Team Penske und Chip Ganassi Racing waren deutlich langsamer. Erst am Fast Friday, als mit Qualifikationsabstimmung gefahren wurde, lagen mit Will Power und Josef Newgarden zwei Chevrolet ganz vorne. Aber auch alle fünf Andretti-Honda konnten sich in den Top-10 platzieren. Es war also alles für eine spannende Qualifikation angerichtet.
Qualifikation
Leider machte das Wetter mit ausgiebigem Regen in der Nacht auf Samstag einen kleinen Strich durch die Rechnung. Die Trainings wurden verschoben und der erste Teil der Qualifikation auf drei Stunden verkürzt. Da es nur 33 Meldungen gab, war das einzige Ziel am Samstag, sich für die Fast-9 zu qualifizieren, die am Sonntag dann die Pole unter sich ausfahren würden.
Schon nach dem ersten Versuch aller Teams zeigte sich, dass Chip Ganassi Racing bisher nicht geblufft hatte und keine Chancen auf die Pole haben wird. Bester Fahrer war wie üblich Scott Dixon, der nur Platz 13 erreichte. Aber auch Titelverteidiger Juan Pablo Montoya hatte Probleme und verfehlte mit Platz 12 die Fast-9 deutlich. Das gleiche Schicksal ereilte Marco Andretti und Alexander Rossi, der aber erst in letzter Sekunde von Mikhail Aleshin aus den Top-9 verdrängt wurde. Schnellster Pilot war am Samstag James Hinchcliffe, der nach eigener Aussage noch nicht mal 100 Prozent geben musste. Mit dem Bürgermeister von Hinchtown kämpften Ryan Hunter-Reay, Will Power, Helio Castroneves, Townsend Bell, Josef Newgarden, Mikhail Aleshin, Carlos Munoz und Simon Pagenaud um die Pole Position.
Bevor am Sonntag die Fast-9 auf die Strecke durften, wurden die Plätze 10 bis 33 ausgefahren. Schnellster Pilot in dieser Gruppe war Oriol Servia. Damit stand schon fest, dass sich alle drei Wagen von Sam Schmidt in den Top-10 qualifizieren werden. Juan Pablo Montoya sammelte in seiner dritten Runde eine Kunststofftüte mit dem Frontflügel auf und wäre fast in die Mauer gerutscht. Da es ein unverschuldeter Eingriff von außen in den Run war, durfte er ihn wiederholen. Trotzdem reichte es nur zu Platz 17. Im letzten Jahr hat er das Rennen von zwischenzeitlichem Platz 31 noch gewonnen.
Für Chip Ganassi Racing lief es auch am Sonntag nicht viel besser. Scott Dixon qualifizierte sich auf Platz 13. Tony Kanaan, Charlie Kimball und Max Chilton gehen von den Plätzen 16, 18 und 23 ins Rennen. Auch Graham Rahal, der sonst häufig der beste Honda-Fahrer ist, hatte die ganze Woche Probleme, auf den Speed der Andretti- und Schmidt-Honda zu kommen. Er geht von Startplatz 26 ins Rennen.
Schnellster Rookie war Alexander Rossi auf Platz 11, der sicherlich vom extrem schnellen Andretti-Honda profitierte. Pippa Mann, als einzige Frau im Feld, qualifizierte sich auf einem guten 25. Platz. Die letzten Startplätze belegen Buddy Lazier und Alex Tagliani, der nach einem Unfall am Morgen Sonntag gar keine Zeit setzen konnte. Für Lazier, mit seinem kleinen Team, ist es überhaupt ein großer Erfolg, den Speed der anderen Teams annähernd mitgehen zu können. Am Samstag fehlten ihm nur gute 2 mph auf Charlie Kimball und 6 auf James Hinchcliffe.
In den Fast-9 überraschte Team Penske mit stark asymmetrischen Wagen. Auf der linken Seite montierte man den Sidepod für Superspeedways und auf der rechten den für Stadt- und Straßenrennen. Wirklich geholfen hat es aber nicht. Will Power, Simon Pagenaud und Helio Castroneves gehen von den Plätzen 6, 8 und 9 ins Rennen. Dazwischen konnte sich Mikhail Aleshin schieben.
Die Startplätze 3, 4 und 5 gingen an Andretti Autosport. Ganz erstaunlich dabei ist die Leistung von TV-Experte Townsend Bell auf Platz 4. Er ist ein ausgewiesener Spezialist für den IMS, aber das gilt eigentlich auch für Carlos Munoz, den er um 0,2 mph schlagen konnte. Ganz zu schweigen von Marco Andretti, der fast 2,5 mph langsamer als Bell war. Schnellster Andretti-Fahrer war wie erwartet Ryan Hunter-Reay. Josef Newgarden ging als vierter Fahrer in die Fast-9 und setzte eine Zeit, die von den folgenden Fahrern nicht erreicht werden konnte. Erst James Hinchcliffe als letzter Starter konnte ihn dann von der Pole noch verdrängen. Für Hinchcliffe ist dies ein riesiger Erfolg an der Stelle, an der er vor einem Jahr fast sein Leben verloren hätte. Natürlich war auch bei Sam Schmidt die Freude riesengroß. Insgesamt ist eine sehr schöne Geschichte.
Die ganze Startaufstellung kann man auf der Homepage der IndyCar Series (PDF) nachlesen. Dort gibt es auch einen schönen Spotter Guide (PDF) und die Entry List (PDF).
Favoriten
Nach den bisherigen Leistungen müsste man Chip Ganassi Racing aus dem Favoritenkreis herausnehmen. Sowohl das Team als auch die Fahrer sind aber extrem erfahren. Ihnen ist es durchaus zuzutrauen, dass die Wagen am nächsten Sonntag im Draft auf einmal richtig schnell werden. Neben dem reinen Speed sind auch die Faktoren Benzinverbrauch und Reifenverschleiß bei einem Rennen über 500 Meilen sehr wichtig. Am Samstag hatte man noch den Eindruck, dass die Andretti-Honda unter einem etwas höhrem Reifenverschleiß leiden würden, da sie den Speed über vier Runden nicht halten konnten. Am Sonntag hingegen war jeweils die dritte Runde von Hunter-Reay und Bell jeweils die schnellste. Also auch auf diesem Gebiet tappen wir noch im Dunkeln.
Topfavoriten auf den Sieg wären eigentlich die Fahrer von Andretti Autosport, wenn es da nicht den Fluch der Andrettis gäbe. Häufig standen Mario, Michael und Marco kurz vor dem Sieg, der aber nur Mario Andretti 1969 gelang. Auch als Team verpasste man in den letzten Jahren häufig den Sieg, obwohl man eigentlich als Team die schnellsten Wagen stellte. Ryan Hunter-Reay bildete 2014 die Ausnahme. Trotzdem kann man sein Geld getrost auf Hunter-Reay, Munoz und Andretti setzten. Hinter Rossi und Bell stehen kleine Fragezeichen. Für Rossi ist es das erste 500 Meilen-Rennen und Bell wird „nur“ von der Indy Lights-Crew betreut.
Erstaunlich schnell in der Qualifikation waren die drei Fahrer von Sam Schmidt. An den ersten drei Trainingstagen waren Hinchcliffe, Aleshin und Servia aber nur in den hinteren Positionen des Zeitentableaus zu finden. Auch konnten Hinchcliffe und Aleshin bei ihren bisherigen Auftritten beim Indy 500 nicht besonders überzeugen. Trotz der überzeugenden Qualifikation gehören alle drei Fahrer für mich nicht zum engsten Favoritenkreis.
Für Team Penske gilt eigentlich genau das gleiche wie für Chip Ganassi Racing. Nur waren Pagenaud, Power und Co. immer etwas schneller als ihre Kontrahenten bei Ganassi. Juan Pablo Montoya hat im Vorjahr von Startplatz 15 aus vor Will Power, Charlie Kimball und Scott Dixon gewonnen. Da waren aber die Wagen von Team Penske und Chip Ganassi Racing die ganzen Trainings über dominant. Alle acht Fahrer von Roger Penske und Chip Ganassi sind vielleicht keine absoluten Topfavoriten, ein Sieg eines dieser Fahrer würde, abgesehen von Max Chilton, aber keinen überraschen.
Ohne ein wirklich starkes Team neben sich hat sich Josef Newgarden Startplatz 2 gesichert. JR Hildebrand geht von Platz 15 und Teamchef Ed Carpenter von Platz 20 ins Rennen. Im Vorjahr erreichte Newgarden Platz 9 im Ziel und auch in diesem Jahr ist ein Platz in den Top-10 gut möglich.
Ziemlich bescheiden waren bisher die Leistungen von Graham Rahal: Platz 12 im Training, Platz 17 Fast Friday, Startplatz 26. Trotzdem würde ich ihn noch nicht abschreiben. Häufig ist er im Rennen mit seiner aggressiven Art deutlich besser als im Training. Von Zeit zu Zeit geht sein Stil aber auch schief. Gerade Restarts können durch die breite Start-Ziel-Gerade gerne mal im Chaos enden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist Rahal dann mitten drin.
Zeitplan (local time, MEZ)
Freitag, 27. Mai
11:00 a.m. – 12:00 p.m. (17:00 – 18:00) – Verizon IndyCar Series Practice
12:30 – 1:30 p.m. (18:30 – 19:30) – Indy Lights Race – Freedom 100
1:30 – 3:30 p.m. (19:30 – 21:30) – Verizon IndyCar Series – Pit Stop Competition
Den ganzen Tag zeigt NBCSN live.
Sonntag, 29. Mai
11:38 a.m. (17:38) – Driver Introductions
11:00 a.m. (17:00) – Übertragungsbeginn ABC und Sport1 US
12:14 p.m. (18:14) – Command to Start Engines
12:21 p.m. (18:21) – Indianapolis 500 Mile Race (200 laps/500 miles)
Einen Strich durch die ganze Party kann aber noch das Wetter machen. Seit Mittwoch ziehen Regenschauer und Gewitter über Indianapolis. Für Sonntag sieht es etwas besser aus: 30° C, leicht bewölkt, höhere Wahrscheinlichkeit für Gewitter am Nachmittag und Abend
(c) Photos: IndyCar Media; Chris Jones, Chris Owens, John Cote, Forrest D. Mellot, Walt Kuhn, Jim Haines, Matt Fraver