Die GT-Serien von FIA und SRO waren in Spa unterwegs, am kommenden Wochenende fährt die ALMS in Mid-Ohio und die Grand-Am in Watkins Glen. Aber wichtiger ist momentan das Gesamtbild: was geschieht in den nächsten Jahren mit dem Sportwagen-, insbesondere mit dem GT-Motorsport?
Korrektur: Ausgerechnet im Speedweek-Zitat hab ich mich vertippt: BMS (also dem in Spa siegreichen Porsche-Team) wird Interesse an der GT2-EM nachgesagt, nicht BMW!
Aus gegebenem Anlass möchte ich heute vor den Rennanalysen (ich habe auch leider fast nichts aus Spa sehen können) und ALMS-Vorschau erstmal die Frage diskutieren, wo eigentlich der Sportwagen-Motorsport momentan hinsteuert. Denn der Streit zwischen dem Automobile Club de l‘Ouest (ACO), der seit jeher die 24h von Le Mans und in den letzten Jahren auch die zugehörigen Serien organisiert, und Stéphane Ratels SRO Motorsports Group, die für die aufstrebenden FIA- und nationalen GT-Serien verantwortlich zeichnen, wird mit der neuen GT2-Serie der SRO 2011 weiter vertieft werden. Auf beiden Seiten herrscht eine unterschiedliche Auffassung davon, wie Sportwagenrennen aussehen sollten, dazu kommt entsprechend eine sture Haltung des Selbst-bestimmen-Wollens.
Außerdem möchte in einer Zeit, in der der GT-Sport einen Boom erlebt, jeder, der in diesem Bereich Rennen veranstaltet, möglichst viel von diesem Kuchen abhaben. Jeder möchte sein eigenes Regelwerk aufstellen, möglichst viele Fahrzeuge in der eigenen Teilnehmerliste haben und über eine gelungene Vermarktung viele Zuschauer und entsprechend viel Geld damit herausschlagen.
Die GT1-Klasse hat bereits „die Seiten gewechselt“: einst eine starke und beliebte, aber zu teure Klasse bei den 24h von Le Mans, wo man in den 90er Jahren um Gesamtsiege mitfuhr, wurden diese Fahrzeuge nun für 2011 von der Sarthe verbannt, während (bzw. weil!) die aus der FIA GT-Meisterschaft hervorgegangene GT1-Weltmeisterschaft von SRO und FIA dagegen ein recht gutes erstes Jahr erlebt. Man hat ein volles Starterfeld mit sechs unterschiedlichen Herstellern, mit dem privat aufgebauten Alpina-BMW hat sich für nächstes Jahr auch bereits Zuwachs angekündigt.
Das Reglement ist Geschmackssache. Mit „Gran Tourismo“ im Wortsinne haben die einstündigen Rennen nichts mehr gemein, dank Balance of Performance und Erfolgsgewichten herrscht Gleichmacherei in einer Kategorie, deren Stärke eigentlich gerade die Diversität ist. Auf der Plus-Seite bekommt man so TV-taugliche und spannende Rennen sowie eine knappe Meisterschaft.
Nächstes Jahr wird sich dieser Kampf auf die GT2 ausweiten. Stéphane Ratel hat am Rande der 24h von Spa bekannt gegeben, wie die Europameisterschaft in dieser Klasse aussehen soll, die ja eigentlich schon in diesem Jahr hätte stattfinden sollen. Man habe bei den Herstellern gefragt, wie die sich eine solche Serie vorstellen würden und ist zu folgendem Schluss gekommen: die neue Serie soll etwa vier bis fünf Rennen umfassen, die um den belgischen 24h-Klassiker herum arrangiert werden und sich an dessen Format orientieren: GT2, GT3 und GT4 sowie die GTN-Fahrzeuge sollen gemeinsam auf der Strecke sein, die Rennlänge soll ca. drei Stunden betragen, es läge also deutlich mehr Betonung aus dem Ausdauer-Gedanken als bei der GT1-WM.
Die spannende Frage wird dann sein, wie viele der zurzeit in der LMS oder der ALMS fahrenden GT2-Teams den Sprung in die neue Serie wagen oder versuchen, sich in beiden Serien zu beteiligen. Während der ACO sein GT2-Reglement in jüngster Vergangenheit eher öffnete, um mehr Hersteller anzulocken, hat die FIA bei ihren GT-Klassen bisher auf eine klar abgegrenzte Liste homologierter Fahrzeuge gesetzt, die von Privatteams eingesetzt werden. Diese wiederum schiebt der ACO ab 2011 in die separate „GT Am“-Klasse ab, was die Privatiers auch nicht erfreuen wird. Sollte es zu zwei abweichenden Regel-Sets kommen, wird abzuwarten bleiben, welche Teams sich für welche Serie entscheiden und wer genug Kapazitäten hat, in beiden Fahrzeuge einzusetzen.
Nach Informationen der aktuellen Print-Speedweek wird „Teams wie BMS oder CRS […] bereits Interesse [in die GT2-Serie der SRO] nachgesagt“ – ob an einem Wechsel, oder an einem Zusatzengagement, bleibt dabei unklar. Und auch Teams wie Prospeed, die von der SRO dieses Jahr durch die mangelhafte Konzeption und daraus folgende Absage der GT2-EM in die LMS oder andere Serie getrieben wurden, werden diese Entscheidung treffen müssen.
Eine der Differenzen: der internationale Automobilverband möchte gern schnellstmöglich Hybridsysteme in der GT2 sehen, während nach Meinung der Franzosen diese nur zulässig sein sollten, wenn sie ihren Durchbruch in der Serie geschafft haben, da die GT2 schließlich eine seriennahe Sportwagenklasse sein soll. Hier gibt es auch Streitpotential innerhalb der ACO-Serien, denn der ALMS, dem selbst ernannten „Global Leader of Green Racing“ würden Hybridfahrzeuge in der GT-Klasse sehr zupass kommen.
Sollten Hybridmotoren tatsächlich in der FIA GT2 erlaubt sein, dürfte das für Hersteller wie BMW und Porsche von großem Interesse sein. Auch Ferrari arbeitet daran, für den F430-Nachfolger F458 ein derartiges Antriebskonzept bereitzustellen.
Ratel konnte sich bei der Bekanntmachung auch den Seitenhieb, dass in seiner Serie die GT2-Teams um den Gesamtsieg kämpfen könnten und nicht hinter anderen zurückstehen müssten, nicht verkneifen. Und damit trifft er tatsächlich einen wunden Punkt der Le Mans-Serien: Obwohl die Prototypen-Teilnahmen abseits der 24h von Le Mans zahlmäßig schwächeln, liegt das Hauptaugenmerk des Fernsehens und der anderen Medien doch oft mehr auf diesen als auf den stärker besetzten GT-Klassen, worüber die dort engagierten Hersteller verständlicherweise unglücklich sind.
Als Beispiel hier die ALMS: im Grunde hat man in der Prototypen-Klasse nur ein Team, bei dem beide Fahrer Vollprofis sind, nämlich Highcroft Racing. Bei Dyson, Drayson, Intersport und Autocon sitzen jeweils auch die bestenfalls halbprofessionellen Teambesitzer am Steuer ihrer Autos. Zwar sind die Rennen meist doch sehenswert, so fehlt es der Top-Kategorie der ALMS aber doch an Klasse. Die mit internationalen Top-Fahrern besetzten GT2-Werkswagen werden trotzdem meist erst an zweiter Stelle genannt. Und die schwachen Starterfelder in Portimao und Budapest zeigen, dass auch die LMS nicht mehr viel besser dasteht.
Die ALMS hat in diesem „Krieg“ allerdings einen anderen Gegner als die europäische Schwester-Serie: die Grand-Am mit ihrer Rolex Sports Car Series als Top-Klasse. Und auch die macht sich derzeit Gedanken über ihre zukünftige Ausrichtung: das bisher sehr enge, weil auf Kosteneinsparung und Chancengleichheit ausgerichtete, technische Reglement soll modernisiert und etwas aufgelockert, die klobigen Daytona Prototypes auch optisch attraktiver werden. Unabhängig von potentiellen Reglements-Änderungen wird Dyson Racing bereits ab dem nächsten Rennen auch nach mehrjähriger Pause wieder in die DP-Serie einsteigen, man betont allerdings, dass der ALMS-Einsatz weiterhin Priorität habe.
Reglements-Modernisierung und -Auflockerung sollen sich auch auf die GT-Klasse beziehen, die so noch mehr internationale Hersteller anziehen soll. Man möchte die GT3-Fahrzeuge von Audi, Mercedes und Co anlocken, nachdem aktuell Mazda, Porsche und Pontiac das Gesicht der Klasse bestimmen. Eine Kooperation mit der FIA ist dabei nicht undenkbar, nachdem Jean Todt ja bereits Anfang Juli in Daytona war, als dort neben der NASCAR auch die Grand-Am fuhr.
Und dann ist da auch noch diese noch nicht näher spezifizierte Kooperation zwischen DTM und Grand-Am und die Frage, wie denn nun das Reglement der DTM ab 2012 aussehen wird. Möchte diese künftig auch noch im GT-Bereich mitmischen? Die ITR möchte innerhalb der nächsten Wochen das Reglements veröffentlichen, dann wird man sehen, wohin der Weg führt.
Es ist jedenfalls traurig zu sehen, dass es all diese Differenzen in den GT-Klassen gibt. Die Idee hinter der neuen GT2-Meisterschaft ist sicher nicht schlecht: man schlägt die Brücke zwischen den einstündigen Sprintrennen in den bisherigen GT3-Serien und der GT Open und den Langstreckenrennen der LMS, die Probleme mit deren TV-Vermarktung hat. Der Streit um die Teilnehmer zwischen diesen beiden wird aber beiden Serien schaden. Dabei könnte das Potential für die GT2 so groß sein, wenn man sich auf ein Reglement und eine Herangehensweise einigen könnte…
Rückblick: GT2/3/4 – 24 Stunden von Spa-Francorchamps
BMW hatte die schnellsten Autos, aber zum Sieg reichte es nicht. Wie beim Kampf zwischen Audi und Peugeot in Le Mans entschied auch in den Ardennen die Zuverlässigkeit: Nur 40 Minuten vor der Zieldurchfahrt kam der führende und zu dem Zeitpunkt bereits „im Sicherheitsmodus“ fahrende Dirk Werner nach einem nicht näher spezifizierten technischen Defekt im zweiten Teil der Fagnes-S-Kurve von der Strecke ab und verlor so nach knapp zehnminütigem Boxenstopp den sicher geglaubten Sieg.
Den schnappten sich Romain Dumas, Jörg Bergmeister, Martin Ragginger und Wolf Henzler im BMS Scuderia Italia-Porsche vor dem ersten der beiden IMSA Performance Matmut-Porsche (Narac/Long/Pilet/Lietz) und schließlich dem BMW von Werner/Müller/Adorf, die damit die GTN-Klasse gewannen, was aber den verlorenen Gesamtsieg nicht aufwiegen kann. Der zweite BMW (Müller/Lamy/Alzen) folgte mit sechs Runden Abstand.
Auf Rang 5 eine halbwegs große Überraschung: der #1 AF Corse-Ferrari mit Nicola Cadei, Marco Cioci und NASCAR-Fahrer Michael Waltrip sowie seinem Sprint Cup-Team-Co-Owner Robert Kauffmann. Zitat Waltrip: “I’m supposed to be in Poceno where there are only 3 turns, y’all got like 20. So I spent most of my time trying to orientate myself with what to expect. But I did learn something very valuable, and that’s when it rains, you’re supposed to stay off line, and I’ve spent most of my career offline, so I was very comfortable in the rain.”
Geregnet hat es nämlich auch, mal mehr, mal weniger, wie für Spa üblich. Vielleicht hat die Orts- und Wetterkenntnis auch dem in der Nachbarschaft angesiedelten Mühler-Team geholfen, das mit Häring/Konstantinou/Peyroles/Vannelet auf Gesamtrang 6 den Sieg in der GT3-Klasse einfuhr, vor dem belgischen MarcVDS-Ford GT (Leinders/Martin/Duez) und den beiden besten Audi R8. Die gehörten überraschenderweise aber nicht dem starken Phoenix-Team, sondern dem amerikanischen United Autosports mit seinen drei ehemaligen F1-Piloten: Blundell/Brown/Dean/Cheever schafften es noch aufs Podium, Johannson/Li/Patterson/Assentato auf Rang 4.
In der mit nur vier Fahrzeugen besetzten GT4-Klasse gewann die Jota-Mannschaft mit Dolan, Hancock, Wills und Twyman.
Rückblick: GT1-WM – Spa-Francorchamps
Auch hier gab es einen Abstauber-Sieg, und zwar für Reiter Engineering, die zwar schnell waren, aber eigentlich nicht schnell genug für P1. Die im Qualifikationsrennen siegreiche Mad Croc-Corvette von Maassen/Menten, die am Start des Hauptrennens die Führung verlor, sie aber bald wieder zurückholte, hatte nach einem Reifenschaden in der Eau Rouge keine Chance mehr auf ein gutes Resultat.
Und der zweite Reiter-Lamborghini von Kox/Haase, die eigentlich schneller waren als Kechele/Zonta im Schwesterauto und nach dem Boxenstopp-Fenster führten, mussten mit einem technischen Problem aufgeben, sodass aus diesem Dreierpakat, das in der ersten Rennhälfte viel Spannung bot, nur Kechele und Zonta übrig blieben und ungefährdet gewannen. Für Kechele bedeutet das gute Rennwochenende wohl auch weitere Auftritte in der GT1-WM.
Zweite wurden Heger/Müller im besten Maserati mit dem zweiten Podest in Folge, Dritte das neu zusammengestellte Matech-Duo Mutsch/Westbrook; und Enge/Turner brachten mit Platz 6 das Young Driver Aston Martin-Team in den Paderborner Lokalsport-Teil des Westfalen-Blattes; erst dahinter kamen die Meisterschaftsführenden Bertonlini/Bartels ins Ziel, was aber nach einem frühen Ausfall im Qualifikationsrennen und dem entsprechenden Start vom hinten ein großer Erfolg ist.
Diese sechs Punkte brauchten die beiden auch zum Erhalt der Führung, wo man nun mit 83 Punkten vor Thomas Mutsch (77) liegt. Romain Grosejan liegt nach einem punktelosen Wochenende mit 62 Zähler auf P4, dahinter bereits Frank Kechele (46 Punkte), dessen Abstand zwar etwa größer ist, aber die Leistung um so bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass er nur an drei der fünf Rennwochenenden fuhr.
Vorschau: ALMS – Mid-Ohio
Große Überraschung hier: ein neuer Teilnehmer in der LMP-Klasse, wenn auch nur ein weiteres chancenloses Privatiers-Team. Ian Dawson, der in der Vergangenheit erfolgslos versuchte, mit dem ECO Racing-Team in die Serie einzusteigen, versucht es nun unter dem Namen „Libra Racing“ mit einem Radical-Chassis mit IES/Nissan-Motor und den Fahrern Chris Buncombe und Andrew Prendeville.
Favorit ist wie immer Highcroft Racing, denen nur Dyson, CytoSport und mit viel Glück Drayson vielleicht in die Suppe spucken können. Die enge, kurvige Strecke von Mid-Ohio dürfte wie Lime Rock auch den LMP2-Boliden besser liegen.
In der GT-Klasse unterstützt dieses Mal Patrick Pilet das Flying Lizard-Team, gemeinsam mit Seth Neiman steuert er den zweiten Porsche 911. Auch Toni Vilander und Giancarlo Fisichella sind wieder mit von der Partie und haben im Risi-Ferrari Podiumschancen. Alle Top-Teams (Corvette, BMW, Risi und Flying Lizard) fahren übrigens mit dem E85 cellulosic ethanol-Kraftstoff, in dem engen Kampf um die GT-Krone wird also nicht der niedrigere Verbrauch durch einen geringeren Ethanol-Anteil entscheiden, den E10-Teams besitzen.
Der Mid-Ohio Sports Car Course nahe Lexington lässt sich am ehesten mit dem Hungaroring vergleichen: viele anspruchsvolle mittelschnelle Kurven und nur eine lange Gerade. Überrundungsmanöver werden also wieder eine ähnlich wichtige Rolle spielen wie in Lime Rock. Der Kurs ist wegen der spannenden Kurven und der kleinen, aber feinen Höhenunterschiede bei den Fahrern sehr beliebt, wie dieses Video zeigt:
Das 2:45h-Rennen am Samstagabend wird nicht von SpeedTV übertragen, sondern ist live in einem offiziellen Stream zu sehen, für den man sich im Vorfeld anmelden muss. Wer das schon für die 6h von Laguna Seca getan hat, brauch sich für den Service nicht noch einmal zu registrieren. Und auch wer zum Live-Schauen keine Zeit hat, kann sich anmelden, denn man kann die gestreamten Rennen dort auch on-demand nachträglich schauen.
2 Kommentare
Danke für die tolle Zusammenfassung der politischen Lage bei den Sportwagen. Habe die GTs nach langer Zeit jüngst für mich wieder entdeckt als ich auf der offiziellen GT1 Homepage auf die Datenbank mit den Videos aller Rennen gestossen bin. Alles in jeder Hinsicht sehenswerter als die DTM. Und da kam Dieser Artikel gerade richtig!
Es hat schon einmal eine Zeit gegeben, in der die GT Reglements von ACO und FIA (SRO) unterschiedlich waren. Als die GT1 Klasse dann angeglichen wurde und die Wagen in beiden Serien eingesetzt werden konnten, haben eigentlich alle davon profitiert. Vor allem die Teams, die ihre GTs vermieten und so ohne große Umbauten an den Fahrzeugen sowohl in der LMS als auch in den SRO Serien oder der GT-Open mit jeweils unterschiedlichen Fahrern starten können.
Die Frage ist, ob die Hersteller da mitspielen, oder im Hintergrund ihre eigenen Interessen vertreten.
Comments are closed.