Die acht Stunden von Laguna Seca bestätigten über sieben Stunden hinweg nahezu alle Befürchtungen. Bis auf Situationen beim Start und nach drei Wiederfreigaben war sehr wenig auf der Strecke geboten. Doch mit dem Anbrechen der letzten 60 Minuten nahm der dritte Lauf der Intercontinental GT Challenge massiv an Fahrt auf. Das vergangene Wochenende sah außerdem den Saisonabschluss der Blancpain GT Series Asia auf dem verregneten Zhejiang Circuit.
Intercontinental GT Challenge
Der Kontrast zum vorherigen IGTC-Lauf hätte kaum größer sein können. Während bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps ganze 60 GT3-Autos um Klassensiege kämpften, waren es in Laguna Seca gerade mal erbarmungswürdige zehn. Demnach war früh absehbar, dass kein allzu großes GT3-Festival erwartet werden konnte. Ein größerer Lichtblick sollten immerhin die acht werksunterstützten Nennungen gewesen sein, die neben großer Expertise auch einige der besten Fahrer der Szene umfassten. Bereits in den Trainings konnten vor allem die drei Vertreter von Audi Sport ihren Anspruch auf den Gesamtsieg formulieren. Am stärksten präsentierte sich der #29 Audi Sport Team Land R8 LMS (Christopher Haase-Christopher Mies-Connor de Phillippi). Die Truppe von Land-Motorsport war mit Rückenwind in den Heimatbundesstaat ihres Piloten Connor de Phillippi gereist, nachdem man am vorherigen Wochenende das Petit Le Mans der IMSA gewinnen konnte.
Dieser positive Lauf hielt bis in die Super-Pole-Sitzung am Samstag an, in der Christopher Haase den ersten Startplatz herausfahren konnte. Nur dem Kulmbacher gelang dabei eine Zeit unter 1:24 Minuten. Auch der zweite Startplatz ging an einen Vertreter Ingolstadts. Die (unfreiwillige) Formel-1-Legende Markus Winkelhock positionierte den #44 Audi Sport Team Magnus R8 LMS (Pierre Kaffer-Kelvin van der Linde-Markus Winkelhock) in der ersten Startreihe. Rang drei ging an den #58 Porsche Motorsport North America by Wright Motorsports 911 GT3 R (Patrick Long-Jörg Bergmeister-Romain Dumas), der vom Lokalmatador Patrick Long bewegt wurde. Obwohl die Super Pole meist als ein großes Wochenendhighlight gilt, war die erste Ausgabe in Monterey eine grobe Enttäuschung. Im Endeffekt war es nur eine weitere Qualifikationssession, da ein „Nacheinanderlosfahren“ gänzlich fehlte. Selbst der Kommentator schien ein Shootout erwartet zu haben und kündigte es deshalb mehrmals an – vergeblich.
Top 3 der Startaufstellung sowie die beste GT3-Pro-Am-Nennung:
1) #29 Audi Sport Team Land R8 LMS (Christopher Haase-Christopher Mies*-Connor de Phillippi)
2) #44 Audi Sport Team Magnus R8 LMS (Pierre Kaffer*-Kelvin van der Linde-Markus Winkelhock)
3) #58 Porsche Motorsport North America by Wright Motorsports 911 GT3 R (Patrick Long*-Jörg Bergmeister-Romain Dumas)
GT3-Pro-Am| 7) #54 Black Swan Racing Porsche 911 GT3 R (Jeroen Bleekemolen-David Calvert-Jones-Tim Pappas*)
*Startfahrer
Rennen
Durch die Ansetzung des Debütstartes um 09:15 Uhr Ortszeit am Sonntag zog das Feld bei der Freigabe noch lange Schatten hinter sich her. Trotz der breit aufgefächerten Spitze kam es wider Erwarten zu keinen nennenswerten Zwischenfällen in den ersten Kurven. Die erste Safety-Car-Unterbrechung des Rennens war jedoch nach nur sechs Minuten erforderlich, da ein GT4-Aston seinen Piloten im Stich ließ und stur die Arbeit verweigerte. Der Restart nach der Bergung des gestrandeten Engländers sah ein ruppiges Herangehen von Peter Kox im #93 RealTime Racing Acura NSX GT3 (Peter Kox-Mark Wilkins-Jules Gounon). Der Niederländer ließ sich in der Andretti-Haarnadelkurve viel zu weit raustragen und drückte somit Sven Müllers #17 GMG Racing Porsche 911 GT3 R (Alec Udell-Wolf Henzler-Sven Müller) unsanft von der Strecke. Aufgrund der neuen härteren Linie der SRO-Rennleitung war eine Durchfahrtsstrafe dafür unumgänglich. Scheinbar reichte dies für das Karmakonto aber nicht aus. Danach fingen die Kameras nämlich wiederholt ein, wie der NSX GT3 Flüssigkeit verlor. Schlussendlich musste er wegen Kühlungsproblemen aus dem Rennen genommen werden.
In den ersten drei Rennstunden dominierte der #29 Land Audi das Geschehen. Mies, de Phillippi und Haase fuhren zusammen einen dermaßen großen Vorsprung heraus, dass ihn die Piloten des verfolgenden #44 Magnus Audis stellenweise nicht mal mehr sehen konnten. Den dritten Platz nahm der #43 RealTime Racing Acura NSX GT3 (Ryan Eversley-Tom Dyer-Dane Cameron) nach Stunde drei in Beschlag. Dies war maßgeblich auf den neuen Penske-Piloten Dane Cameron zurückzuführen, der befreit nach vorne fuhr. Ärgerlicherweise verschlief die Regie weite Strecken seines Hero-Stints.
Der eingewechselte Tom Dyer war anschließend nicht in der Lage, den #43 RealTime Racing Acura auf dem virtuellen Podium zu halten und musste den heranstürmenden #11 Belgian Audi Club Team WRT R8 LMS (Stuart Leonard-Jake Dennis-Robin Frijns) vorbeiziehen lassen. Damit hatte die Audi-Troika nach drei Stunden und sechs Minuten zueinandergefunden. Eine geschlossene Flucht nach vorne wurde aber von einem weiteren stehengebliebenen GT4-Aston vermasselt. Dessen Antrieb versiegte kurz nach der Boxenausfahrt, was die zweite Neutralisierung des Laufs provozierte. Trotz der Komprimierung war kein Verfolger in der Lage, das Trio beim Restart zu sprengen.
Ein Vorbote der absurden Schlussstunde sollte ein durch die Corkscrew kullernder Reifen bei noch 3:15 h gewesen sein. Dieser wurde aus dem Bündel nahe des oberen Scheitelpunkts rausgerissen. Da der Pneu die ganze Sektion runterrollte, musste sogar das Safety Car zum dritten Mal ausrücken. In der damit verbundenen, sensiblen Boxenstoppphase wurden der #43 RealTime Racing Acura und der #58 Wright Motorsports Porsche nach hinten durchgereicht. Vor allem für letzteren entwickelte sich das Rennen immer mehr zu einer Katastrophe. Der beste Nicht-Audi war nun der #9 K-PAX Racing McLaren 650S GT3 (Álvaro Parente-Bryan Sellers-Ben Barnicoat), welcher sich weitestgehend unauffällig präsentierte. Da der McLaren 650S GT3 besonders reifenfressend agierte, wählte man spätestens ab der Rennhalbzeit eine konservative Herangehensweise.
An dieser Ausgangslage änderte sich in den nächsten zwei Stunden nichts. Das Rennen war zeitweise so langweilig, dass sich viele Beobachter mehr für eine immer intensivere Rauchwolke im Umfeld der Strecke interessierten. Selbige wurde durch einen Waldbrand hervorgerufen, der mehrere Stunden anhielt. Der Auslöser der feurigen Misere ist ein kokelnder Zigarettenstummel gewesen. Zwar waren die Anlage und die Fans nie gefährdet, aber die verdunkelte Sonne hatte tatsächlich leichte Auswirkungen auf die Performance der Fahrzeuge. Auf diese Erkenntnis hätten jedoch höchstwahrscheinlich alle im Monterey County verzichten können.
Here’s a look at the #YorkFire burning near Monterey in Fort Ord. ( photo by @JohnJDevine) pic.twitter.com/uEK1rHECpX
— Tom Wright (@WrightScribe) October 15, 2017
Der schon beschworene Wahnsinn der letzten Stunde fand seinen Ursprung im finalen Boxenstoppzyklus. Hierfür hatte sich Audi Sport einen besonderen Kniff ausgedacht. Während die Konkurrenten brav die 117 Sekunden Mindeststandzeit (via neuem Bulletin ausgegeben) beachteten, entschied man sich bei Land-Motorsport und beim Belgian Audi Club Team WRT vorher die Boxenstraße zu verlassen. Ihnen war dabei voll und ganz bewusst, dass eine Durchfahrtsstrafe folgen würde, aber die Kosten-Nutzen-Rechnung war trotzdem positiv. Einige Fans waren deswegen enttäuscht sowie sauer und beschuldigten Audi des Betrügens. Dies passt jedoch keinesfalls zur Wahrnehmung des Reports. Motorsport ist seit jeher auch ein Lückensport, sprich: wer eine Schwäche im Reglement findet, sollte sie auch ausnutzen. Somit standen die Handlungen zwar klar im Gegensatz zum Reglement – aber nicht zum Sport selbst. SRO-Regelmacher: setzen, sechs!
Jedenfalls erschlichen sich die währenddessen eingewechselten Mies und Frijns damit einen gravierenden Zeitvorteil. Dafür lagen sie aber nach den angetretenen Strafen sehr nahe beieinander. Der vom Formel-E-Ableger von BMW gekündigte Robin Frijns zirkelte seinen #11 WRT Audi ein bisschen schneller um den Kurs und konnte die verbliebene Lücke frühzeitig schließen. Bei noch 51 Minuten auf der Uhr sah der Niederländer eine Möglichkeit im Überrundungsverkehr und wählte dafür die Häkkinen-Taktik. Blöderweise war das Endresultat anders als erhofft, da beide Werksaudis danach durch das staubige Kiesbett pflügten. Mies schaffte es noch, wieder auf die Strecke zurückzukehren, aber der grau-gelbe WRT-R8 hatte sich bereits festgegraben. Die vierte und letzte Neutralisierung des Rennens wurde dadurch provoziert.
Der Land-Audi gewann trotz leicht beschädigter Front den Restart und blieb vorerst in Führung. Doch dieses Manko machte sich kurze Zeit später verstärkt bemerkbar und ließ den #44 Magnus Audi in den Händen von Kelvin van der Linde aufschließen. Für Magnus Racing ist das vorangegangene Durcheinander also ein Segen gewesen und hielt sie auch ohne Strategiekniff im Siegeskampf. Teambesitzer John Potter sagte im Nachhinein, dass man als Audi-Team natürlich die Idee kannte, aber sich aus diversen Gründen zurückhielt. Unter anderem brauchten die Tätigkeiten in der Box ein perfektes Timing, was man als IGTC-Neuling möglicherweise noch nicht hatte.
Das schlussendliche Siegesmanöver gelang van der Linde in Turn 4. Sein N24h-Teamkollege Mies klammerte sich noch ein paar Minuten im Windschatten fest, aber musste den Südafrikaner Richtung Sieg enteilen lassen. Das Podium wurde vom #9 K-PAX McLaren komplettiert, dessen Strategie der Gleichmäßigkeit also fruchtete.
Top 3 der „California 8 Hours“ sowie die besten Klassennennungen:
1) #44 Audi Sport Team Magnus R8 LMS (Pierre Kaffer-Kelvin van der Linde-Markus Winkelhock)
2) #29 Audi Sport Team Land R8 LMS (Christopher Haase-Christopher Mies-Connor de Phillippi)
3) #9 K-PAX Racing McLaren 650S GT3 (Álvaro Parente-Bryan Sellers-Ben Barnicoat)
GT3-Pro-Am| 5) #54 Black Swan Racing Porsche 911 GT3 R (Jeroen Bleekemolen-David Calvert-Jones-Tim Pappas)
INV| 9) #193 MARC Cars Australia Mazda 3 V8 (Jake Camilleri-Hadrian Morrall-Morgan Haber)
GT4| 11) #26 Rearden Racing Porsche Cayman GT4-R (Jeff Kearl-Jeff Westphal-Sean McAllister)
Laguna-Seca-Notizbuch
- Das Debüt war unabhängig vom „Finale Furioso“ ein Reinfall. Für ein ordentliches IGTC-Rennen braucht man mindestens doppelt so viele GT3-Renner, um eine strategische Vielfalt zu schaffen. Ein weiterer Indikator ist das Endergebnis. Trotz einer späten Neutralisierung waren nur drei Autos in der Führungsrunde (sieben innerhalb zwei Runden).
- In der IGTC-GT3-Herstellerwertung führt Audi nun mit insgesamt 87 Punkten. Der nächste Verfolger ist Porsche mit 48 Zählern. Demnach sollte eine Titelverteidigung der Ingolstädter sehr wahrscheinlich sein.
- Dafür ist der GT4-Titel den Zuffenhausenern quasi nicht mehr zu nehmen.
- In der Fahrermeisterschaft ist wiederum ein Audi-Titelträger sehr wahrscheinlich. Aktuell führt Markus Winkelhock mit exakt 50 Punkten. Sein Spa-Kollege Christopher Haase liegt nur sechs Zähler dahinter. Mit 29 Wertungseinheiten ist Christopher Mies bereits abgeschlagen. Erster Nicht-Audianer ist David Calvert-Jones (28 Punkte). Selbiger ist jedoch ein Amateur und allein dank seiner bloßen Anwesenheit in Bathurst und Laguna Seca so weit oben.
- Der Saisonabschluss der eher problematischen zweiten IGTC-Saison findet vom 09. bis 10. Dezember auf dem Sepang International Circuit statt. Auch wenn die Meisterschaften mehr oder weniger entschieden sind, erwartet uns ein thematisch spannendes Rennen. So haben zum Beispiel die japanische GTA und die SRO wieder ein Abkommen geschlossen, dass alle Teilnehmer der GT300 zulässt. Nach den Prius-Problemen im Jahr 2016 können die JAF GT hoffentlich während den diesjährigen zwölf Stunden überzeugen. Eine gute Übung für das Debüt der zehn Stunden von Suzuka wäre es allemal.
Blancpain GT Series Asia
- Der Saisonabschluss auf dem Zhejiang Circuit bot gleich mehrere Überraschungen. Unter anderem war die neue Anlage in der erweiterten Metropolregion Shanghai ein Lichtblick in einer tilkesken Welt. Die um einen Hügel herum gebaute Strecke bietet einige schöne Kombinationen und eine clevere Boxenausfahrtlösung. Beim ersten Lauf gelang dem #86 OD Racing Team Audi R8 LMS (Patel/Gilbert) der zweite Saisonerfolg auf rutschigem Geläuf. Damit bewiesen sie, dass der R8 LMS das erfolgreichste Auto der jungen Serie ist, wenn es um Laufsiege geht.
- Im zweiten Lauf triumphierte zwar ebenfalls der #86 OD Racing Audi, aber jemand anderes stahl ihnen die Show. Der Engländer Hunter Abbott (#999 GruppeM Racing Team Mercedes AMG GT3) gewann nämlich mit einem Punkt Vorsprung den Fahrertitel. Dadurch erlebte bereits die erste Meisterschaftsentscheidung eine Einzelfahrer-Ausnahme. Für den Titel kann sich der Engländer vor allem bei den Fahrerkoordinatoren von Mercedes-AMG Customer Racing bedanken, die ihm Maximilian Buhk und Maximilian Götz an die Seite gestellt haben. Auf diesem Wege gewann Abbotts Team GruppeM Racing zudem die zweite relevante Wertung.
Saisonfazit
Die Debütsaison der Blancpain GT Series Asia war insgesamt gesehen ein Erfolg. Feldergrößen um die 20 Autos, weitestgehend spaßige Strecken und eine Mischung aus Profis sowie Amateuren fusionierten zu einem sehenswerten Mix. Abgerundet wurde selbiger vom typischen SRO-Stream, der meistens vom brillanten David Addison kommentiert wurde. Mit dem Hauptprodukt des Blancpain GT Series Sprint Cup kann man zwar nicht mal ansatzweise konkurrieren, aber die Kosten-Nutzen-Rechnung stimmt. Durch diese offensive Herangehensweise zerstörte man ja bereits vor Saisonbeginn die Marktstellung der GT Asia Series, welche gezwungenermaßen mit der China GT zusammenspannte. Da diese momentan ebenfalls boomt, profitierten schlussendlich sogar beide Organisationen von der Einführung der BGTS Asia. Das hätte vor zehn Monaten wirklich keiner gedacht.
Am jetzigen Wochenende…
…ist keine Serie des Report-Portfolios unterwegs. Dafür steht am darauffolgenden Wochenende das Finale der International GT Open auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya an (der Report berichtete). Zusätzlich dazu beginnt die Australian GT ihre Neuseeland-Langstreckenreise, die im Vorfeld von schiefen Tönen gestört wurde. Der australische Motorsportverband CAMS weigerte sich nämlich, einem Joint Venture mit den Supercars zuzustimmen. Mehr dazu folgt in den kommenden Wochen.
Nächste Rennen mit GT3-Beteiligung:
20. – 22. Oktober 2017: Michelin Le Mans Cup (Autódromo Internacional do Algarve); VLN (42. DMV Münsterlandpokal)
27. – 29. Oktober 2017: Australian Endurance Championship (Hampton Downs International Motorsport Park); International GT Open (Circuit de Barcelona-Catalunya)
03. – 05. November 2017: V de V (Circuito do Estoril)
[Fokus auf Veranstaltungen des Report-Portfolios; wird fortlaufend ergänzt]
Bilderquelle / Copyright: Intercontinental GT Challenge sowie Blancpain GT Series Asia (jeweils SRO)