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Kommentar: Das ADAC GT Masters als neue Motorsport-Nummer eins in Deutschland?

von Philipp Körner
2 Kommentare

In Anbetracht der am Dienstag veröffentlichten Teilnehmerliste für das Jahr 2018 dürfte dieser Gedanke bei vielen durch den Kopf gegangen sein. Mit 37 Nennungen steigt das deutsche Championat zu einer der wichtigsten GT-Veranstaltungsreihen Europas und der ganzen Welt auf. Diesen Vertrauensvorschuss der Teilnehmer gilt es nun ab Mitte April zu rechtfertigen. Wir werfen einen Blick auf das Potential dieser Entwicklungen.

Die Pressemitteilung des ADAC übertraf alle noch so optimistischen Erwartungen. Begeisternde 37 Boliden von insgesamt acht Marken sind für die motorsportliche Speerspitze des Automobilclubs eingetragen worden. Darunter ist unter anderem Honda Racing, das sich das GT Masters als erste europäische Heimat für den neuen NSX GT3 ausgesucht hat – ein sehr positives Zeichen für eine nationale Serie. Zusätzlich dazu wird Ferrari in die Meisterschaft zurückkehren, was auf einer Initiative von HB Racing und Rinaldi Racing beruht. Außerdem feiern Car Collection Motorsport und die DTM-Teams Rosberg sowie Phoenix Racing ihr Comeback. Neben weiteren interessanten Debütanten wie TEAM RING POLICE fällt hauptsächlich auf, dass viele Marken wieder auf ihre Semi-Werksteams vertrauen können.

Passende Beispiele hierfür sind Land-Motorsport (Audi), Schnitzer Motorsport (BMW), das GRT Grasser Racing Team (Lamborghini), HTP Motorsport (Mercedes) und das KÜS Team75 Bernhard (Porsche). Jedoch formen die reinen Kundensportteams eine nicht zu unterschätzende Opposition, die heuer so stark wie nie zuvor erscheint. Glücklicherweise gibt es auch wieder zwei Corvette C7 GT3-R zu sehen, die beide von Callaway Competition vorbereitet werden. Das stark befürchtete Komplett-Abwandern in die USA blieb somit aus. Mit diesem historischen Feld eröffnen sich nun diverse Chancen für das GT Masters. Doch reicht dies auch zu einem großen Sprung in Sachen Aufmerksamkeit?

Chancen

Das GT Masters setzt auch 2018 wieder auf altbekannte Konstanten. Mit SPORT1 bleibt man dem für sie bestmöglichen Sender für den deutschen TV-Markt treu, was auch den Rahmenserien (ADAC Formel 4 sowie ADAC TCR Germany) zugutekommt. Als ausschließlicher Sportsender kennt man die Bedürfnisse von Live-Veranstaltungen und bewies schon wiederholt, wie man mit besonderen Situationen (z.B. Rotflaggenunterbrechung) umgehen muss. Das krasse Gegenteil dazu lieferte die ARD beim zweiten Norisringlauf der DTM ab. Deren neuer TV-Partner SAT.1 (via ran) muss sich erstmal beweisen und die Vermarktung eines äußerst schwierigen Produktes übernehmen.

Des Weiteren hat SPORT1 ein weitestgehend gelungenes Personal in ihren Reihen (v.a. Patrick Simon) und man kann auf genügend Produktions-Know-how im Hintergrund zurückgreifen. Dies gilt zwar natürlich auch für die DTM, aber im GT3-Bereich ist dies zweifelsohne kein Standard. Dafür bieten die meisten großen GT3-Serien naturgemäß Streams in englischer Sprache an – allen voran die Blancpain GT Series. Nachdem das GT Masters Jahre lang überhaupt nicht im internationalen Kontext existierte, erkennt man mittlerweile die Zeichen der Zeit und bietet englische Streams sowie Social-Media-Produkte an. Das Aufholpotential ist hier noch riesig, vielleicht sogar das größte in der gesamten GT3-Szene.

Auch im sportlichen Kontext setzt man viele Dinge fort. Der Standard-Reifenpartner Pirelli und eine größtenteils geschulte BoP-Kommission (vielleicht sogar wieder die SRO-BoP, wenn man einigen Seiten mit miserabler Quellenarbeit trauen darf) bilden anhaltend die Säulen des Wettbewerbs. Außerdem bereist man bis auf den Lausitzring (Autodrom Most stattdessen) die traditionellen Standorte der jüngeren Vergangenheit. Vor allem die gesunde Anzahl an Gastspielen in den direkten Nachbarländern ist ein großes Erfolgskriterium. Der baldige Auftritt in Tschechien lockte sogar mit I.S.R. Racing ein lokales Team an.

Sicherlich sollte man die Dynamiken eines derart riesigen Feldes nicht unterschätzen, doch es gilt wie immer im Motorsport/Leben: lieber zu viel als zu wenig. Letzteres trifft leider mittlerweile auf die DTM zu, die aktuell einen Class-One-Hersteller sucht, der zumindest den Mercedes-Austritt kompensieren (!) kann und sich in das Haifischbecken von Audi und BMW wagt. Bei acht Herstellern wird es in der GTM sicherlich auch hoch hergehen, dank der BoP und der puren Menge sind politische Machtkämpfe nach DTM-Vorbild jedoch unmöglich. Apropos Marken: Nichts anderes zieht die Fans dermaßen an die Rennstrecken – umso besser, wenn es viele davon gibt. Die Fans verwöhnt man obendrauf noch mit relativ günstigen Tickets und dem bereits geschilderten Rahmenprogramm, welches durch den Porsche Carrera Cup Deutschland weiterhin ausgebaut wird.

Das GT Masters hat also etliche gute Argumente auf seiner Seite:

  • Toller und enger GT-Sport mit großen Namen
  • Attraktiv-kompaktes Format für „Normalos“
  • Solider Free-TV-Vertrag mit akzeptablem Wissenshintergrund
  • Stark steigende internationale Wahrnehmung
  • (Indirektes) Hersteller-Engagement
  • Gutes Fan-Paket

Jedoch hatte man diese auch schon im letzten Jahr in leicht abgeschwächter Form, was einige Grenzen aufzeigt.

Grenzen

Wie in den meisten Ländern mit Motorsportszene dominiert auch hier (formal) der Tourenwagensport in der rein nationalen Wahrnehmung. Dieser ist natürlich gewachsen und kann sich auf eine lange Geschichte berufen (vgl. BTCC und VASC). Im Vergleich zu diesen vielen Jahrzehnten wirkt eine nicht mal „volljährige“ GT-Meisterschaft ziemlich jung und teils sogar noch fremd. Beim GT Masters hat sich mittlerweile eine gewisse Akzeptanz entwickelt, die trotzdem noch weit weg vom Status der DTM ist und das Prädikat „Nische“ weiterhin vor sich her trägt.

Diesbezüglich hilft dann auch das Auftreten bei SPORT1 nur bedingt. Zwar ist man dort perfekt aufgehoben, doch die Strahlkraft der ARD ist sehr weit entfernt. Dies zeigt sich auch bei den erwarteten Zuschauereinbrüchen für die DTM, die ja notgedrungen ins Private abwandert. Möglicherweise kommt man sich nun in Sachen TV-Quote sogar näher, als man es in Stuttgart gerne hätte (dank eines netten Hinweises aus der Community sei an dieser Stelle ergänzt, dass die Verbindung zu Wiesbaden quasi nicht mehr existiert (nur noch Registereintragung etc.) und dass man eher in Stuttgart resignieren würde, wo der kommerzielle Zweig mittlerweile beheimatet ist).

Um verstärkt aus dem Nischen-Dasein ausbrechen zu können, bedarf es eindeutig einer viel größeren PR-Anstrengung aller GTM-Akteure. Hauptsächlich die deutschen Hersteller könnten ihren Einsatz massiv vergrößern, was schlussendlich ja auch ihre Kunden finanziell fördert (z.B. mehr Sponsorenaufmerksamkeit). Der noch viel größere Schritt wird vom ADAC abverlangt, der die GTM eher als erweitertes Werbemittel sieht, obwohl ihr etwas mehr Unabhängigkeit guttun würde. Doch bietet die „ADAC Motorwelt“-Denke derart viel Spielraum für solch mutige Entscheidungen?

Fazit

Dem ADAC GT Masters gelang am Dienstag ein gewaltiger Erfolg. Sein Feld ist selbst ohne alle Fahrernennungen (viele Ankündigungen stehen noch aus) grandios besetzt und kann Fans auf diversen Ebenen ansprechen. Ob man aus dem Straucheln der DTM Profit ziehen kann, ist hingegen fraglich. Deren historischer und kommerzieller Vorsprung ist aktuell zu groß. Für einen ambitionierten Angriff auf die Vormachtstellung müssten der ADAC und seine Stakeholder eine offensiv-visionäre Strategie entwickeln, die bereits Dienstag-Nachmittag noch etwas riskanter wurde: Die DTM könnte nämlich schon sehr bald selbst eine GT(E)-Serie sein.

Bilderquelle/Copyright: ADAC Motorsport

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2 Kommentare

nona 7 Februar, 2018 - 10:29

Re: Sport1 … :
Der „reine Sportsender“ ist natürlich Sport1+ (Plus), denn da läuft wirklich nur Sport. Sport1 ist ein „männer-affiner Sender“ auf dem irgendwo zwischen Reality TV, Porno, Shopping und Hütchenspieltelefonabzocke zufällig auch manchmal Sport läuft. :) Sie machen einen soliden Job, verstehen sich – vermutlich vertragsbedingt – aber leider immer viel zu sehr als Broadcasting Partner (der Rennserie bzw. des ADAC), betreiben insofern vornehmlich PR und benutzen Marketing-Sprech im Sinne des Partners. Was echt nerven kann. Hardcore Sportjournalismus ist gerade im Umfeld der GT-Masters und der Rahmenrennen auf Seiten von Sport1 weitgehend Fehlanzeige. Dementsprechend dünn werden Probleme des Hintergrundes, einzelner Teams oder Fahrer beleuchtet, Kontroversen sieht man doch eher ungern, Gründe für Einstiege, Ausstiege oder Umstiege z.B. bleiben häufig ungenannt oder werden maximal verschämt angedeutet (wenn der Zuschauer sie überhaupt mitbekommt). Es bleibt vieles unausgesprochen, was journalistisch betrachtet eigentlich ausgesprochen werden müsste. Was natürlich eine generelle und sehr zu kritisierende Tendenz allenorten ist, nicht zuletzt dadurch dass viele Rennserien (wie auch Vereine und Ligen anderer Sportarten) über Streams und dergleichen sich zunehmend selbst vermarkten, und Kritik, Probleme und Kontroversen so gleich selbst rausfiltern. Aber von einem unabhängigen Sender erwarte ich als Zuschauer auch eine unabhängige journalistisch wertvolle Berichterstattung. Und bei aller Kenne, Souveränität, und Enthusiasmus, was Patrick Simon erwiesenermassen durch seinen Background alles mitbringt, er braucht nach wie vor ganz dringend mal eine vernünftige Sprechausbildung. Sowas kann man lernen und trainieren. Latent defektes Sprechen ist für das Berufsfeld „Sprecher“ ungünstig.

Re: „Apropos Marken: Nichts anderes zieht die Fans dermaßen an die Rennstrecken – umso besser, wenn es viele davon gibt.“ … :
Steile These, wie ich finde. Die *Vielfalt* der Marken macht die Sache attraktiver, ja, natürlich. Marken per se sind traditionell nicht das A und O im Motorsport, insbesondere was das längerfristige Binden neu gewonnener Zuschauer betrifft. Normalerweise sind das eher die Persönlichkeiten, die Menschen, sprich: die Fahrer, und ihr Wettstreit gegeneinander. Und da muss man sagen, viel hilft nicht viel. Dass im GT-Sport fast immer mehrere Fahrer auf einem Auto sitzen, ist in der externen Wahrnehmung eher ungünstig, denn es macht die Sache willkürlicher, gesichtsloser. Es gibt international nicht nur eine (der Übersicht eher abträgliche) Schwemme an GT-Serien, es gibt auch eine so grosse Vielzahl an Fahrern, die auch noch kreuz und quer in der Welt mit wechselnden Partnern in mehreren Serien antreten, dass es selbst für Enthusiasten wie uns hier schwierig sein kann, den Überblick über die Individuen und deren Karrieren und Charakteristiken zu behalten. Wie soll es da erst dem eher nicht so bewanderten Zuschauer gehen? Wenn man schon unbedingt so irre kurze Sprintrennen austragen muss (man will ja ins TV-Format passen…), dann wäre es mittelfristig ein erstrebenswertes Ziel, sich auf einen Fahrer pro Wagen zu beschränken. Bei 37 Fahrzeugen (was super ist) sind das jetzt 74 Fahrer. In einem Sprintrennen. Alle paar Wochen. Wie will man das dem casual viewer noch inhaltlich vermitteln oder sportlich wertvoll einordnen? Wenn wenigstens die Rennen länger wären, 90 oder 120 Minuten oder so…

(Ich weiss, mehr Fahrer pro Fahrzeug hat auch noch andere Vorteile, namentlich das Heranziehen von bronzefarbenen „Herren“- und sonstigen Amateur-Fahrern, und vor allem deren Geld und Sponsoren, was die Finanzierung des Ganzen fördert. Trotzdem: wir reden hier ja nicht von Langstrecke, sondern von albern mickrigen halbstündigen Stints pro Fahrer…)

Philipp Koerner 7 Februar, 2018 - 17:44

Da habe ich ja nun einiges, was ich aufarbeiten kann! Danke für den Kommentar!
Bezüglich Sport1: Man kann zwar wie Du tiefer in die Details einsteigen, doch das wird dem Argument nur bedingt gerecht. Der Free-TV-Sender baut sich hauptsächlich um den Markenkern Sport herum auf und füllt die Lücken mit fragwürdigem Inhalt. Das kann den GT Masters aber gänzlich egal sein, weil sie weder nachts noch unter der Woche fahren. So ist man am Wochenende auch größtenteils von Sportveranstaltungen eingerahmt – Ausnahmen bestätigen die Regel.
Wie jeder Sender, der sich in eine Serie „einkauft“, wagt man als „Broadcasting Partner“ zweifelsohne keine anspruchsvolle Kritik. Damit entspricht man dem Zeitgeist, der ja auch das Konzept dieser Seite auf den Plan gerufen hat. Es ist keine Besonderheit von Sport1 oder gar des Motorsports. Somit ändert es in der breiten Perspektive eher wenig – vgl. ARD und wahrscheinlich auch ran. Hier sei übrigens noch lobend auf den englischsprachigen Stream verwiesen, der schon alleine durch die auswärtige Perspektive etwas differenzierter erscheint.
Bezüglich Marken: „Normalerweise sind das eher die Persönlichkeiten, die Menschen, sprich: die Fahrer, und ihr Wettstreit gegeneinander.“ Damit füllst du meine These selbst mit Inhalt. Die „großen bzw. bekannten“ GT-Fahrer haben fast ausnahmslos eine Verbindung zu einer Marke. Auch an den Kommandoständen oder in den Boxen sieht es nicht anders aus, wenn man beispielsweise an einen Wolfgang Land denkt, der mittlerweile stark mit Audi verbunden ist. In den Kundensport kommt man nun mal über Herstellerprodukte. Jedoch verstehe ich Deinen Hinweis in seiner Gesamtheit, da die Herstellerverbindungen außerhalb der ominösen Szene indirekter wahrgenommen werden. Trotzdem ist die „große Zeit“ der Charaktere vorbei. Nicht nur im Motorsport!
Bezüglich des Sports: Auch hier sei auf den wirtschaftlichen Aspekt verwiesen, den du selbst ausführst. Es gibt nicht nur Land-Motorsport und Co., die mit Edelmetallen nur so um sich schmeißen. Die Amateure/Gentlemen/Privaten sind das Herz des GT3-Motorsports – auch wenn es in den Berichterstattungen nicht so transportiert wird. Das GTM-Grid wäre mindestens um ein Drittel kleiner. Und da ich mir ja wirklich die allermeisten GT3-Formate umfangreich zu Gemüte führe, kann ich Dir bestätigen, dass es kompliziert ist. Aber lieber kompliziert als kurz vor dem Exodus – Grüße an die DTM. Der Sport muss sich in diesem Aspekt treu bleiben – sonst wird er sich verlieren. „Zwei 30-minütige Sprintrennen pro Wochenende“ (rein aus der Fahrerperspektive) sind ein guter Kompromiss, ob es bei 90 oder gar 120 Minuten Gesamtrennzeit noch so wäre, mag ich kaum zu beurteilen. Die British GT liefert immerhin ganz interessante Daten dazu. Ich persönlich würde wohl ein 90-Minuten-Format anregen. Dann könnte man auch die Reifen tauschen (ja, das macht momentan zurecht keinen Sinn).
Dementsprechend sei wieder mal auf das Fazit verwiesen. Die Grenzen sind zu groß und man müsste einen gewaltigen Schritt gehen, um diese überwinden zu können. So würde man zwar nach einem gerechten Tode der DTM zur Verfügung stehen – aber würde es selbst dann reichen?

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