Zwei Wochen nachdem der Lauf auf dem Autopolis Circuit wegen Starkregen sowie Nebel sprichwörtlich ins Wasser fiel, begibt sich die Super Formula für ihren dritten Saisonlauf ins Sportsland Sugo, eine der schönsten wie auch anspruchsvollsten Rennstrecken Japans. Erstmals mit dabei: Red-Bull-Nachwuchs Dan Ticktum, der als Ersatz für Nirei Fukuzumi ins Mugen-Cockpit klettert.
Vor zwei Wochenenden hätte man meinen können, das Eifel-Wetter habe sich nach Kyūshū in den Westen Japans verlagert. Nach schönstem Sonnenschein am Samstag zerstörte Starkregen sowie sehr dichter Nebel jegliche Hoffnungen auf Fahrtaktivtäten am Sonntag. Nach mehreren Verschiebungen und dem Versuch eines Warm-ups kam kurze Zeit später die unvermeidbare Absage. Als Trost lud die Japan Race Promotion (JRP) alle angereisten Fans ins Fahrerlager zu einer exklusiven Autogrammstunde mit allen Fahrern ein. Obgleich die Absage insbesondere wegen des Nebels, der unter anderem die Sicht auf der Start- und Zielgeraden stark beeinträchtigte, nachvollziehbar war, trauerten Fahrer wie Nick Cassidy der verpassten Chance hinterher. Der Neuseeländer qualifizierte sich auf Position vier und malte sich für das Rennen starke Siegchancen aus. Ryo Hirakawa gewann den Bonuspunkt für die Pole-Position. Am Rennsonntag wäre der Impul-Pilot eigentlich um drei Plätze in der Startaufstellung wegen des Unfalls in Suzuka mit seinem Teamkollegen Yuhi Sekiguchi zurückversetzt worden. Wegen der Absage trat diese Strafe allerdings noch nicht in Kraft. Obgleich ein offizielles Statement noch aussteht, darf davon ausgegangen werden, dass Hirakawa die Strafe nun im Sportsland Sugo absetzen muss.
Japans wohl anspruchsvollste Rennstrecke liegt in einer sehr gebirgigen Gegend in der Miyagi-Präfektur, angrenzend an die Stadt Murata sowie keine 20 respektive 40 Kilometer von den Städten Natori und Sendai entfernt, jener Teil der Tohoku-Region, der im März 2011 vom katastrophalen Erdbeben sowie Tsunami am schwersten getroffen wurde. Neben viel hübscher Landschaften schwirren in der Gegend auch viele Käfer umher. Das Besondere am Standort ist allerdings, dass das Wetter binnen Sekunden umschlagen kann. Sonne, Regen, teilweise sogar Nebel, anschließend wieder Sonne und Regen sind selbst im Sommer möglich. So staunten die Super Taikyu-Teams nicht schlecht, als der Saisonstart im März 2013 wegen starken Schneefalls abgesagt wurde. Statt Autos gab es damals selbstgebaute Schneemänner in der Boxengasse zu beobachten. Nordschleifen-Feeling in Japan sozusagen. Das teilweise unberechenbare Wetter stellt die Teams und Fahrer selbstredend vor eine besondere Herausforderung.
International eher unbekannt, obwohl zwischen 1988 und 2003 die Superbike-Weltmeisterschaft im Sportsland Sugo gastierte, ist der mit 3,737 km kürzeste Kurs im Kalender eine kleine Achterbahnfahrt – im wahrsten Sinne des Wortes. So ist die Start- und Zielgerade nicht eben, sondern führt zunächst bergauf. Die Steigung von 10% wird dabei, anders als bei anderen Strecken, gut von den TV-Kameras eingefangen. Die Gegengerade führt hingegen wieder bergab. Die spannendste der insgesamt zwölf Kurven ist die langgezogene 110R, die direkt wieder auf Start/Ziel führt und gerne auch als Mutkurve bezeichnet werden darf. Side-by-Side-Duelle sind hier zwar möglich, erfordern aber höchste Konzentration beider Fahrer, damit der Wagen auf der äußeren Linie nicht in die Reifenstapel rutscht. Die Charakteristik der Strecke gilt als besonders anspruchsvoll fürs Material, da Motor sowie die Bremsen stark belastet werden. Das Sportsland Sugo lässt sich somit als eine „typisch japanische“ Rennstrecke bezeichnen, obgleich sie wegen der kleinen Auslaufzonen einige gefährliche Stellen bietet. Besagte 110R wurde Anfang des letzten Jahres leicht entschärft, indem das Kiesbett asphaltiert wurde. Wunderschön in die Natur eingebettet, mit vielen schwungvollen Kurven sowie Steigungen. Eine echte Herausforderung für Mensch und Maschine, die keine Fehler verzeiht.
Im Folgenden eine Onboard-Runde mit dem letztjährigen Polesitter Nick Cassidy:
Obgleich wegen dem Monaco-Grand-Prix der Formel 1 sowie den Indianapolis 500 die meisten Motorsport-Augen an diesem Wochenende gen Europa sowie der USA gerichtet sein werden, so dürften einige auch in die Miyagi-Präfektur blicken. Der Grund ist das Debüt von Red-Bull-Nachwuchs Dan Ticktum. Der Brite wird an diesem sowie dem kommenden Rennwochenende am Fuji Speedway in das von den roten Bullen gesponsorte Mugen-Cockpit von Nirei Fukuzumi klettern. Der Japaner muss bekanntlich gleich drei Super-Formula-Läufe wegen Terminüberschneidungen mit der Formel-2-Meisterschaft auslassen. Vor zwei Wochen sprang Landsmann Sena Sakaguchi ein, der wegen der Absage zwar keinen Einsatz im eigentlichen Rennen erhielt, bei seinem Debüt mit Platz elf in der Qualifikation aber dennoch eine starke Visitenkarte abgab. An diesem Wochenende ist Sakaguchi zwar auch im Fahrerlager anwesend, wird sich allerdings auf Wunsch von Honda auf seinen Kampf um den Titel in der Formel 3 konzentrieren.
Der jetzige Einsatz von Dan Ticktum ist eine Bestätigung für die gemeinsamen Zukunftspläne von Honda und Red Bull, die fortan das zweite Mugen-Cockpit mit Nachwuchstalenten aus beiden Häusern besetzen möchten. Für den letztjährigen Macau-Grand-Prix-Sieger Ticktum, der heuer in der europäischen Formel-3-Meisterschaft für Motopark ins Lenkrad greift, werden die Super-Formula-Kilometer natürlich besonders wertvoll, zählt der SF14 von Dallara doch zum schnellsten Boliden, den er bis dato pilotieren durfte. Zwar ist davon auszugehen, dass der Red-Bull-Youngster kommende Saison den Schritt in die Formel 2 wagen wird. Eine zukünftige Nachfolge von Pierre Gasly sowie Nirei Fukuzumi dürfte angesichts der Kooperation zwischen Red Bull und Honda jedoch ebenfalls eine Option sein. Eine seiner Herausforderung an diesem Wochenende: Das kurzfristige Gewöhnen an einen für ihn unbekannten Rennwagen auf einer der anspruchsvollsten Strecken Japans. Ähnliche Erfahrungen sammelte auch Tom Dillmann vor zwei Wochen, der auch dieses Mal wieder für den verletzten für Pietro Fittipaldi einspringt. Dillmann überzeugte insbesondere auf den weichen Reifen, hatte wie Teamkollege Kazuya Oshima jedoch mit starken Balance-Problemen mit den Medium-Pneus zu kämpfen.
Es ist das erste Mal, dass die neue Soft-Mischung auch im Sportsland Sugo zum Einsatz kommt. Ähnlich der Autopolis können die Teams somit nicht auf Erfahrungswerte aus der Vergangenheit zurückgreifen. Hinzu gesellt sich, dass der diesjährige Sugo-Besuch früher als üblich stattfindet. Ursprünglich die vorletzte Saisonstation, rückte die Strecke 2018 an die dritte Position im Kalender. Dies bedeutet vor allem leicht kühlere, aber dennoch schwüle Außentemperaturen. Nachdem die Fahrer am Freitag mit rund 29 Grad begrüßt wurden, sollen es am Samstag wie auch Sonntag lediglich um die 20 Grad werden. Das Sportsland Sugo zählt zu einem der reifenschonendsten Strecken im Super-Formula-Kalender. Dies stellt die Teams natürlich vor die Wahl, wie lange der rotmarkierte Soft-Reifen von Serienausstatter Yokohama während der insgesamt 65 8unden (rund 251 km) zum Einsatz kommen soll. Vorteil: Da der Autopolis-Auftritt abgesagt wurde, konnten alle Teilnehmer gleich mehrere Sätze an Pneus sparen. Es wäre deshalb nicht überraschend, wenn ein großer Teil zwei weiche Sätze aus dem vorherigen Lauf übernimmt. Zur Erinnerung: Per Reglement müssen alle Teams zwei gebrauchte Reifensätze aus dem vorherigen Rennwochenende übernehmen. Für die Autopolis entschieden sich alle Teilnehmer für jeweils einen gebrauchten Soft- wie auch Medium-Satz.
Vergangenes Jahr war kein Boxenstopp im Sporstland Sugo vorgeschrieben, weshalb Felix Rosenqvist, Kamui Kobayashi, Naoki Yamamoto sowie Kazuya Oshima versuchten, ohne Tankstopp über die Runden zu kommen. Letztlich gelang dies lediglich dem Schweden sowie Kamui Kobayashi, der auf den letzten Tropfen noch Punkte erbte. Mit der aus der Formel 1 sowie IndyCar bekannten Regel, beide Reifenmischungen im Rennen verwenden zu müssen, dürfte wohl keiner der 19 Fahrer dieses Jahr beim Gummiwechsel aufs Betanken verzichten. Im Falle mehrerer Safety-Car-Phasen, die aufgrund der kleinen Auslaufzonen im Sportsland Sugo keine Seltenheit sind, könnte diese strategische Überlegung allerdings wiederaufkommen. Ein Tankverzicht resultiert in einem Gewinn von rund acht Sekunden beim Reifenwechsel. Dennoch erscheint die klassische Einstopp-Strategie als das realistischste Szenario für alle Teams. Das Boxenstoppfenster liegt zwischen den Runden 7 und 61. Überholen ist auf der 3,737 langen Naturbahn schwer. Die besten Gelegenheiten ergeben sich beim Sprintduell durch die 110R hin zur ersten Kurve sowie im Bereich der Rainbow Corner, wo die Piloten auch das Maximum aus dem Overtake System (OTS) herauskratzen können. Dies betrifft selbstredend auch das Qualifying. Insbesondere im ersten Teil (Q1) ist es schwierig, eine freie Runde auf der engen Bahn zu finden.
Im letzten Jahr gewann Yuhi Sekiguchi vor dem jetzigen Formel-1-Piloten Pierre Gasly sowie Kazuki Nakajima. Der Impul-Pilot wiederholte damit seinen Erfolg aus dem Vorjahr, als er das restliche Feld mit einer Jahrhundertleistung deklassierte. Von einer späten Safety-Car-Phase auf dem falschen Fuß getroffen, als nahezu alle anderen Piloten bereits beim Service waren, brannte der Japaner im letzten Renndrittel mehrere Schumacher-eske Qualifying-Runden in den Asphalt. Ihm gelang das nahezu unmögliche – den benötigen Abstand herauszufahren und das Rennen zu gewinnen. Nach der Zieldurchfahrt kam Teamchef Kazuyoshi Hoshino nicht mehr aus dem Jubeln heraus, meinte gar, dass Sekiguchi sein Talent in Japan vergeuden würde. Entsprechend gilt der derzeitige Tabellenzweite auch als großer Favorit an diesem Wochenende.
Obgleich mit Ryo Hirakawa ein Toyota-befeuerter Pilot die Pole-Position in der Autopolis eroberte, waren es erneut die Honda-Teams, welche das Qualifying mit gleich drei Piloten innerhalb der Top-5 dominierten. Die Marke bestätigte damit ihre Leistung vom Saisonauftakt, als Mugen-Mann Naoki Yamamoto auf seiner Spezialstrecke gewann. Letzter Honda-Sieger im Sportsland Sugo war Tomoki Nojiri, der seinen bis dato einzigen Triumph in seiner Debütsaison 2014 einfuhr. Seitdem schrieben sich André Lotterer sowie zweimal Yuhi Sekiguchi in die Siegerliste ein. Erfolgreichster Fahrer im Sportsland Sugo seit 1996 ist der vierfache Champion Satoshi Motoyama, der insgesamt viermal auf der Bahn obsiegte.
Nach der Schlappe von Suzuka ist das Toyota-Lager natürlich auf Revanche aus. Dies trifft insbesondere auf Titelverteidiger Hiroaki Ishiura sowie Yuji Kunimoto zu. Während ersterer noch auf dem vierten Rang wertvolle Zäher sammelte, blieb Kunimoto nach einem Betankungsfehler seiner Crew punktelos. Auch TOM’s blieb hinter den Erwartungen zurück, da Kazuki Nakajima nicht über den achten Rang hinauskam, während James Rossiter bei seinem Comeback immerhin die schnellste Rennrunde in den Asphalt brannte. Die Traditionsmannschaft von Team LeMans bestätigte nach der Autopolis-Qualifikation hingegen, dass sie mit starken Balance-Problemen mit dem Medium-Reifen zu kämpfen haben – ein schwerwiegendes Problem, da die exklusive Nutzung besagter Mischung für den ersten Qualifikations-Teil vorgeschrieben ist.
Zu einem der Geheimfavoriten an diesem Wochenende zählt derweil Nick Cassidy, der mit dem Sportsland Sugo noch eine Rechnung offen hat. So ergatterte der Kondo-Racing-Pilot letztes Jahr in der Miyagi-Präfektur zwar seine erste Super-Formula-Pole-Position. Im Rennen lief es für den Neuseeländer hingegen weniger erfreulich. Nach einem verkorksten Start sowie einer Durchfahrtsstrafe kam er lediglich auf dem letzten Rang ins Ziel. Ebenfalls Garanten für die Top-Positionen sind Tomoki Nojiri und Nobuharu Matsushita sowie Koudai Tsukakoshi wie auch Takuya Izawa aus dem Honda-Lager. Letzterer obsiegte im Sportsland Sugo im Jahr 2012 und scheint das in den vergangenen Jahren strauchelnde Nakajima Racing zurück in die Erfolgsspur befördern zu können.
TV-Zeiten Sportsland Sugo
Wie gehabt wird die Premium-Plattform Motorsport.tv den dritten Saisonlauf der Super Formula auf ihrer Webseite am Sonntag live mit dem englischen Kommentar von Tom Gaymor streamen. In Japan wird der Pay-TV-Sender J Sports 2 die Qualifikation live ab 6:10 Uhr übertragen. Den Super-Motorsport-Sonntag leitet die Super Formula mit der Übertragung von J Sports 2 ab 6:45 Uhr ein. Der Rennstart erfolgt eine halbe Stunde um 7:15 Uhr deutscher Zeit. Der Free-TV-Sender BS Fuji wird das Rennen ebenfalls live in Japan übertragen.
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