Am Dienstag haben wir uns bereits mit einem Ausblick auf den diesjährigen Enduro Cup der Supercars beschäftigt. Heute folgt wie angekündigt die Vorschau auf das Sandown 500. Dabei wird aber nicht nur das kommende Rennen im Mittelpunkt stehen, sondern auch die Geschichte des Rennens und die der ältesten noch bestehenden permanenten Rennstrecke auf dem australischen Kontinent.
Doch zunächst bleiben wir in der Gegenwart, und die sieht einen spannenden Meisterschaftskampf zwischen den beiden Neuseeländern Shane van Gisbergen und Scott McLaughlin. Die beiden trennen nach 23 von insgesamt 31 Rennen in der Gesamtwertung gerade einmal 19 Zähler, wobei das so oft beschworene Momentum bei van Gisbergen liegt, denn der Triple-Eight-Pilot reist mit vier Siegen aus den letzten sieben Läufen nach Sandown. Mit 362 Zählern Rückstand liegt sein Teamkollege Jamie Whincup auf dem dritten Rang, gefolgt vom dritten Triple-Eight-Angestellten Craig Lowndes und David Reynolds von Erebus Motorsport. Das Quintett sehe ich auch als die Favoriten für das Sandown 500.
Aber auch McLaughlins DJR-Penske-Kollegen und Landsmann Fabian Coulthard sollte man nicht außer Acht lassen, auch wenn er in diesem Jahr erst einen Laufsieg (in Winton) einfahren konnte. Ebenfalls bei einem Sieg steht Rick Kelly, der zuletzt in Tailem Bend einen starken zweiten Platz einfahren konnte. Den Nissan-Piloten sehe ich zwar nicht als Top-Favoriten, räume ihm aber zumindest Außenseiterchancen ein. Wenn die Qualifikation und die beiden Quali-Heats gut verlaufen, könnten ihm und seinem Co-Driver Garry Jacobson eine Überraschung gelingen, ähnlich wie es im vergangenen Jahr Cameron Waters und Richie Stanaway (damals Prodrive) schafften. Schließlich sollte auch Chaz Mostert genannt werden. Dessen Team Tickford Racing hat zwar kein gutes Jahr erwischt, doch Mostert hat in Sandown zuletzt zwei dritte Plätze einfahren können, was ich auch in diesem Jahr für machbar halte.
“Hey Rick can I have a turn now?”
“Nah mate, I’m all good here” pic.twitter.com/esOmtXQ28V— Garry Jacobson (@GarryJacobson) September 4, 2018
Sandown Raceway
Der Sandown Raceway liegt im Südosten der Stadt Melbourne. Die Strecke wurde 1962 auf dem Areal einer Pferderennbahn eröffnet, die es seit 1888 gibt und heute im Inneren der Strecke liegt. Zwischen 1931 und 1961 wurde das Gelände allerdings nicht genutzt, da es einem Rationalisierungsprogramm der Regierung zum Opfer fiel und schließen musste. Anfang der 1960er schlossen sich drei Reitclubs zusammen und erwarben das Gelände, nicht nur, um dort wieder Pferderennen auszutragen, sondern auch, um die Anlage für den Motorsport nutzbar zu machen. Da die Rennstrecke bereits 1962 fertiggestellt wurde, fand das erste Rennen mit mechanischen Pferdestärken drei Jahre vor dem ersten Wettbewerb auf der neuen Pferderennbahn statt. Der erste Sieger des Sandown International Cup (später in die Tasman Series eingegliedert) war niemand Geringeres als Jack Brabham auf einem Cooper T55. Er gewann das Rennen vor John Surtees und Bruce McLaren. Ein weiterer Teilnehmer war Lex Davison, Großvater der Rennfahrer Will, Alex und James.
Doch das Interesse an den Single Seater schwand, und als 1966 der Light Car Club of Australia (LCCA) übernahm, rückten Tourenwagenrennen in den Mittelpunkt (siehe unten). Bis in die 1980er-Jahre blieb die Strecke anschließend unverändert. Die enge Boxengasse lag nicht auf der Start-Ziel-Geraden, sondern zwischen den heutigen Turns 1 und 4, und die „Sicherheitsvorkehrungen“ bestanden größtenteils aus einer ungeschützten Brücke und blanken Mauern. Auch die schnellen „Esses“ (heute Turns 6 bis 8) wurden für die immer schneller werdenden Rennwagen gefährlich.
Der LCCA entschloss sich schließlich, die Anlage auf Vordermann zu bringen, um internationale Rennserien wie die Formel 1 anzulocken. Dafür bekam der Verband sogar Geld von der Regierung. Mit diesen Mitteln konnte die Brücke abgerissen und ein Infield Loop gebaut werden. Dieser bestand aus sieben zusätzlichen Kurven, die teilweise die Pferderennbahn kreuzten, und konnte nun anstatt der Esses durchfahren werden. Zudem wurde die Boxengasse auf ihre heutige Position verlegt. Im Gegensatz zu ihr existiert der Loop heute allerdings nicht mehr. All dies kostete damals 600.000 AU$ (heute umgerechnet 1,17 Mio. €), doch obwohl man die Investitionen mitfinanzierte, legte der Bundesstaat Victoria doch noch ein Veto gegen die Bewerbung für einen Formel-1-Grand-Prix ein und Adelaide bekam bekanntermaßen den Zuschlag.
Stattdessen stattete die World Sportscar Championship mit ihren Gruppe-C-Sportwagen dem Sandown Raceway einen Besuch ab und trug dort ein 1000-Kilometer-Rennen aus, welches sich allerdings als totaler Reinfall erweisen sollte. Da das Sandown 1000 nicht zur Meisterschaft gehörte, entschied sich Lancia gegen die weite Anreise. Durch das neue Infield, das auch unter den Fahrern nicht auf Gegenliebe stieß, hatte man der Strecke ihre spektakulärste Stelle genommen, und als wäre das schon nicht genug, brachen die Gruppe-C-Monster stellenweise den Asphalt auf. Das Event, das auch noch ohne die Unterstützung eines Sponsors auskommen musste, lockte gerade einmal knapp 14.000 Zuschauer an. Ein finanzielles Desaster für die Betreiber. Nach sechs Stunden, die Distanz von 1000 Kilometern verfehlte man um 50 Runden, gingen übrigens Stefan Bellof und Derek Bell als Sieger hervor, die das Rennen vor Jochen Mass / Jacky Ickx und Jonathan Palmer / Jan Lammers (allesamt Porsche 956) gewannen.
Eigentlich waren noch zwei weitere Ausgaben der 1000 Kilometer von Sandown vorgesehen, doch man beendete den Vertrag vorzeitig. Erst 1988 unternahm der LCCA einen zweiten Versuch, ein internationales Event auszutragen. Die Sportwagenweltmeisterschaft kehrte für einen 360-Kilometer-Sprint nach Sandown zurück. Das bis heute letzte internationale Event in Sandown gewannen Jean-Louis Schlesser und Jochen Mass in einem Sauber Mercedes C9 vor ihren Teamkollegen Mauro Baldi und Stefan Johansson. Schlesser stellte damals mit einer Zeit von 1:33.580 auch den Rundenrekord für diese Konfiguration (3,878 km) auf.
Heute besteht der Sandown Raceway aus 13 Kurven, verteilt auf 3,15 Kilometer. Schlüsselstellen sind die beiden langen Geraden, auf denen ein hoher Top Speed wichtig ist. Zudem bergen die Esses am Ende der Gegengeraden weiterhin großes Gefahrenpotenzial, wie die Unfälle von Todd Hazelwood, Taz Douglas oder Lee Holdsworth in den vergangenen Jahren zeigten. Die besten Stellen zum Überholen bieten sich in den Turns 1, und eventuell 4 und 9.
Sandown Raceway – Zahlen und Fakten
Strecke: Sandown Raceway
Länge: 3,15 km
Schnitt: 142 km/h
Top Speed: 261 km/h
Rundenrekord: 1:09.0987 (Chaz Mostert, 2017)
Sieger 2017: Cameron Waters / Richie Stanaway
Sandown 500
Die Geschichte des Sandown 500 begann 1964 als ein 6-Stunden-Rennen für seriennahe Tourenwagen. Sowohl die erste Ausgabe (Ralph Sach / Roberto Bussinello) als auch die zweite im Jahr 1965 (Frank Gardner / Kevin Bartlett) gewann ein von Alec Mildren Racing eingesetzter Alfa Romeo Giulia. Es folgten zwei Jahre Pause, ehe das Rennen 1968 ein Comeback feierte, nun aber als ein Drei-Stunden-Event. Seriennahe Fahrzeuge waren noch bis 1972 zugelassen und in diese Zeit fallen auch die ersten beiden Sandown-Siege Allan Moffats (1969, 1970), die er auf einem Ford Falcon einfahren konnte. Es sollten noch vier weitere folgen: 1974 ebenfalls mit einem Falcon, 1982 und ’83 mit einem Mazda RX-7, sowie 1988 auf einem Ford Sierra RS500.
FAST FACTS! Peter Brock holds the record for the most wins in the history of the Sandown endurance event with nine. The most wins by an active driver is five by Craig Lowndes. #VASC #Sandown500 pic.twitter.com/WynfFxL5MQ
— Supercar Xtra Magazine (@SupercarXtra) September 10, 2018
Ab 1973 wurde das Sandown 250 (250 Meilen / 400 Kilometer; obwohl das metrische System in Australien bereits eingeführt war, wurde es erst ab 1974 auf den Straßen und in neuen Fahrzeugen umgesetzt) für die neu eingeführte Kategorie der Group C Touring Cars geöffnet. Diese ersetzten die Group C Improved Production Touring Cars und die Group E Series Production. Gleichzeitig begann die Ära des legendären Peter Brock, der das Rennen in der Folge bis 1984 insgesamt neunmal (1973, 1975-81, 1984; alle auf Holden) gewinnen konnte und damit bis heute Rekordsieger ist.
FROM THE ARCHIVES! The 1978 Holden A9X Torana and 1983 Holden VH Commodore raced by Garry Rogers in the Bathurst 1000 that inspired Garry Rogers Motorsport's Sandown retro liveries. #VASC #Sandown500 pic.twitter.com/kqIse4VSJb
— Supercar Xtra Magazine (@SupercarXtra) September 11, 2018
1984 wurde die Renndistanz auf 500 Kilometer festgelegt und ein Jahr später die Group C Touring Cars durch Group-A-Fahrzeuge, wie man sie auch in Europa kannte, ersetzt. Die ersten Sieger unter diesen Regularien waren Jim Richards und Tony Longhurst in einem BMW 635 CSi, was gleichzeitig den einzigen Erfolg der bayrischen Marke in Sandown darstellt. Es folgten vier Siege für Nissan (1986, 1987, 1989, 1991) und zwei für Ford (1988, 1990), ehe 1992, im letzten Jahr der Group A, Larry Perkins und Steve Harrington den ersten Holden-Erfolg beim Sandown 500 seit 1984 einfuhren.
1993 wurden die Regularien erneut geändert und aus der Group A wurde die Group 3A, was quasi als die Geburtsstunde der Supercars bezeichnet werden kann. Damals gab es allerdings noch zwei Klassen: die der Fahrzeuge mit fünf Litern Hubraum, aus der 1997 die V8 Supercars wurden, und die der Class II Touring Cars, die auf Zwei-Liter-Motoren begrenzt waren. Heute kennt man diese eher als Super Touring Cars. Im ersten Jahr der Group 3A in Sandown war Geoff Brabham (mit David Parsons) in einem Ford Falcon von Glenn Seton Racing siegreich. 1994 konnte Dick Johnson das Rennen nach zwanzig Jahren zum ersten Mal gewinnen. Diesen Erfolg sollten er und sein Co-Driver John Bowe ein Jahr später wiederholen. Anschließend folgten zwei Siege für Craig Lowndes (jeweils mit Greg Murphy) und ein dritter Erfolg für Larry Perkins 1998.
FAST FACTS! The 2018 https://t.co/jPQyZaedbF Sandown 500 is the 49th Supercars championship round held at Sandown. No other venue has hosted more championship rounds. #VASC #Sandown500 pic.twitter.com/IEHxB81NUk
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1999 wurde dann der Queensland Raceway eröffnet und mit Hilfe einer Initiative des Bundesstaats Queensland wanderte das Rennen von Sandown nach Ipswich, wo stattdessen das Queensland 500 ausgetragen wurde. Doch nach nur vier Ausgaben gingen die ursprünglichen Besitzer der neuen Strecke Bankrott, aus dem 500-Kilometer-Endurance-Rennen wurde ein Sprint und das Sandown 500 kehrte erneut in den Supercars-Kalender zurück. Doch 2008 wechselten die Promoter des Sandown Raceway und das Rennen musste ein weiteres Mal umziehen, diesmal nach Phillip Island. 2012 folgte schließlich das dritte Supercars-Comeback des Sandown 500.
Von den aktuell aktiven Fahrern ist Craig Lowndes mit fünf Siegen der erfolgreichste. Gewinnt er in diesem Jahr ein weiteres Mal, würde er mit Allan Moffat gleichziehen. Jamie Whincup kann drei Erfolge vorweisen und hat damit einen mehr als sein Co-Driver Paul Dumbrell, Tickford-Pilot Mark Winterbottom und Warren Luff von Walkinshaw Andretti United, die allesamt bei zwei Erfolgen stehen.
Ich hoffe, dass ihr damit einen Eindruck von der Historie dieses Rennens und der Strecke bekommen habt, und damit ihr auch wisst, wann ihr am kommenden Wochenende einschalten müsst, folgt an dieser Stelle noch der Zeitplan der wichtigsten Sessions.
Zeitplan
Samstag:
03:40 Uhr – Qualifying (20 Minuten, Startaufstellung für Race for Grid 1)
05:40 Uhr – Race for Grid 1 (20 Runden, Startaufstellung für Race for Grid 2, Co-Driver only)
08:15 Uhr – Race for Grid 2 (20 Runden, Startaufstellung für das Hauptrennen)
Sonntag:
05:20 Uhr – Sandown 500 (161 Runden, oder bis spätestens 08:50 Uhr)
(Alle Zeiten in MESZ und ohne Gewähr.)
Who will win the 2018 https://t.co/jPQyZaedbF Sandown 500? #VASC #Sandown500 pic.twitter.com/Wfpm7gjaRu
— Supercar Xtra Magazine (@SupercarXtra) September 10, 2018