Die BTCC-Läufe in Silverstone brachten Colin Turkington wieder einen kleinen Vorteil in Sachen Meisterschaftskampf, der nun zwischen ihm, Teamkollege Andrew Jordan und Honda-Pilot Dan Cammish beim Saisonfinale in die letzte Runde geht. Tom Ingram holte sich bei schwierigen Wetterbedingungen zwei Siege im neuen Toyota Corolla, während den dritten Lauf überraschend Jack Goff nach einer klugen Reifenentscheidung gewann.
Der Traditionskurs von Silverstone sorgte mit wechselhaften Wetterbedingungen für drei äußerst sehenswerte Rennen, die sowohl für sich selbst genommen als auch mit Blick auf den Meisterschaftskampf viel Spannung und Unterhaltung boten. Da zum Ende der Saison die Titelentscheidung das wichtigere Thema ist, gehe ich bei meiner Rückschau vor allem auf den Kampf der drei Titelaspiranten ein und vernachlässige ein wenig die vielen anderen interessanten und spannenden Geschehnisse, die sich über den Tag boten. Wer das ganze Spektakel noch nicht genossen hat, dem empfehle ich, sich alle drei Läufe noch mal in der Nachschau komplett anzusehen ;-)
Lauf 1
Nachdem die Rennen in Knockhill nicht gerade nach Plan verliefen, war Colin Turkington mit gerade einmal 10 Punkten Vorsprung auf Andrew Jordan und elf auf Dan Cammish zur vorletzten Saisonstation nach Silverstone gereist. Weiteren Boden auf Turkington gut zu machen, war also das klare Ziel der Verfolger, aber der amtierende Champion ließ bereits in der Qualifikation seine Klasse aufblitzen und qualifizierte sich trotz des höchsten Zusatzgewichts im Auto als bester der drei Meisterschaftsanwärter auf Startplatz sechs. Knapp dahinter hielt sich Dan Cammish mit Startplatz sieben in Schlagdistanz, während es für Andrew Jordan nur zu Startplatz 14 reichte.
Die Pole Position für den ersten Lauf hatte sich Jason Plato knapp vor Chris Smiley, Matt Neal und Tom Ingram gesichert. Und während es weiter hinten beim Kampf um den Titel turbulent werden sollte, ist die Geschichte an der Spitze des ersten Laufs schnell zusammengefasst: Jason Plato schaffte es, seine Führung beim Start auf leicht feuchter Piste (es starteten trotzdem alle auf Slicks) zu behaupten, während dahinter Tom Ingram direkt auf den zweiten Platz vorpreschte und Chris Smiley mehrere Positionen verlor.
In der fünften Runde setzte Ingram dann eine erfolgreiche Attacke auf Plato und eroberte die Führung, die er bis zur Zielflagge auch nicht mehr abgeben sollte. Bemerkenswert an Ingrams Sieg war, dass er im Gegensatz zu den direkten Konkurrenten auf dem härteren Medium-Reifen unterwegs war, der bei den feucht-kalten Streckenbedingungen eigentlich die schlechtere Wahl gegenüber den weicheren Soft-Reifen ist. Wie aber bereits Ingrams Pole Position und Sieg in Snetterton gezeigt hatten, liegen dem neuen Toyota offenbar vor allem flache, ebene Kurse.
R25: Ingram battles with Plato to take the lead #BTCC
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— BTCC (@BTCC) September 29, 2019
Für Jason Plato, der weiterhin auf seinen 97. BTCC-Sieg warten muss, blieb am Ende immerhin Platz zwei vor Chris Smiley, der sich im Rennverlauf die verlorenen Positionen gegen Tom Oliphant und Matt Neal zurückerobern konnte. Neal war ebenfalls auf dem Medium-Reifen gestartet, konnte diesen aber im Gegensatz zu Ingram überhaupt nicht ans Arbeiten bringen und wurde am Ende nur Sechster.
Im Rennen der Meisterschaftsanwärter hatte Colin Turkington in der ersten Runde Positionen an Josh Cook, Mike Bushell und Ash Sutton verloren, konnte aber gleichzeitig Dan Cammish hinter sich halten und damit zunächst die Oberhand behalten. Im weiteren Verlauf des ersten Rennviertels fielen aber sowohl Turkington als auch Cammish unbeobachtet von den Kameras mehrere Positionen zurück und lagen gegen Rennhalbzeit sogar hinter Andrew Jordan. In der neunten Runde schwang das Meisterschaftspendel dann heftig aus, als Turkington in einen Kampf zwischen Adam Morgan und Rob Collard verwickelt wurde und nach Berührung durch Collards Vauxhall einen Dreher in Luffield hinlegte, der ihn weit außerhalb der Punkteränge warf.
R25: Colin Turkington spins #BTCC
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Bis Rennende hatte sich Turkington zwar immerhin wieder bis auf den 14. Platz nach vorne gearbeitet, aber sowohl Jordan als auch Cammish sahen auf Platz acht und elf vor ihm die Zielflagge. Für Jordan wurde daraus ärgerlicherweise nur der zehnte Platz, da er wegen einer zu harten Attacke auf Tom Chilton nachträglich eine Zeitstrafe erhielt. Dennoch war Turkingtons Vorsprung in der Meisterschaft auf sechs Punkte gegenüber Jordan und acht gegenüber Cammish geschrumpft. Außerdem schien aus dem Dreikampf in der Meisterschaft langsam ein Vierkampf zu werden, denn mit Platz vier im ersten Lauf hatte sich Josh Cook im BTC Honda auf Tabellenplatz vier geschoben und seinen Rückstand auf die Spitze von 30 auf 19 Punkte reduziert.
Lauf 2
Start, Tom Ingram (GBR) Speedworks Motorsport Toyota Corolla leads
Der zweite Lauf startete auf zunächst trockener Piste, aber die Bedingungen sollten sich schlagartig ändern als in Runde zehn Regen einsetzte und die allesamt auf Slicks gestarteten Piloten zu einer Schlitterpartie aufforderte. Tom Ingram konnte seine Führung zunächst erfolgreich gegen Jason Plato verteidigen. Auf Position drei arbeitete sich in den ersten Rennrunden Tom Oliphant vor, während sich dahinter ein Honda-Trio bestehend aus Josh Cook, Matt Neal und Dan Cammish gebildet hatte. Im Rückspiegel jenes Trios tauchte ungefähr zum Zeitpunkt des einsetzenden Regens Colin Turkington auf, der mit komplett gewichtsbefreitem Auto und auf Soft-Reifen durchs Mittelfeld geflogen war und dabei unter anderem auch Andrew Jordan mühelos passiert hatte.
Während Cammish und Turkington dank einer missglückten Attacke von Neal auf Cook zwei weitere Positionen gewannen, kollidierten an der Spitze Jason Plato und Tom Ingram, wodurch Tom Oliphant an beiden vorbei in Führung gehen konnte. Während der Regen immer stärker wurde, probierte Cammish sogleich an dem zurückgefallenen Plato vorbeizugehen, was aber misslang und es Turkington ermöglichte, an beiden vorbei auf Platz drei zu gehrn. Cammish verlor unterdessen eine weitere Position ausgerechnet an Andrew Jordan, der durch den missglückten Kampf von Cook und Neal ebenfalls nach vorne gekommen war.
Tom Oliphant takes the lead after Plato and Ingram clash #BTCC
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Eine Safety Car-Phase wegen des gestrandeten Mercedes von Adam Morgan versprach eigentlich etwas Ruhe ins Feld zu bringen, wurde aber stattdessen davon bestimmt, dass sich Cammish und Jordan nicht einig darüber waren, wer von beiden beim Ausruf der Safety Car-Phase vorm jeweils anderem gelegen hatte. Nachdem beide zunächst Seite an Seite hinter dem Safety Car um die Strecke gefahren waren, um jeder für sich seine Vormachtstellung deutlich zu machen, spitze sich die Situation drastisch zu, als Cammish Jordan kurzerhand ins Auto fuhr. Dass das nicht die klügste Entscheidung war, ist logisch und so erntete der Honda-Pilot nach dem Rennen eine Geldstrafe und drei Strafpunkte auf seine Lizenz für die Kollision plus eine mündliche Verwarnung fürs Überholen unter dem Saftey Car.
Die Nerven waren also merklich gereizt, die Strecke nass und die Slicks kalt, als das Safety Car das Feld in die letzten Rennrunden entließ. Als erstes knickte Tom Oliphant ein, der ausgangs Copse zu weit nach außen geriet und die Führung wieder an Tom Ingram verlor. Direkt danach machten sich auch Turkington, Plato, Cammish und Cook über den strauchelnden BMW her, der mit den härteren Medium-Reifen, die durch die Safety Car-Phase komplett kalt waren und wegen des bei den nassen Bedingungen kaum zu kontrollierenden Heckantriebs, mehr oder weniger chancenlos war. Das gleiche Schicksal ereilte auch Andrew Jordan, der ebenfalls auf den Medium-Reifen unterwegs war und nach dem Restart mehrere Positionen zurückfiel.
Auch Colin Turkington, obwohl immerhin auf den etwas besseren Soft-Reifen unterwegs, hatte bei den immer nasser werdenden Bedingungen mit dem heckgetriebenen BMW seine liebe Mühe und geriet unter Druck von Dan Cammish, der kurz zuvor an Plato vorbei gegangen war. Als es gerade spannend zwischen den beiden Kontrahenten zu werden versprach, beendet die Rennleitung das doch allzu gefährlich gewordene Schauspiel, mit Slicks auf regennasser Piste ein Autorennen zu fahren, vorzeitig mit der roten Flagge. Tom Ingram holte sich somit Saisonsieg Nummer vier und Colin Turkington zeigte mit Platz zwei eine super Leistung, die ihn seinen Punktevorsprung wieder etwas ausbauen ließ. Während Dan Cammish mit Platz drei Schadensbegrenzung betrieb, verlor Andrew Jordan, der bis auf den achten Rang zurückgefallen war, deutlich an Boden. Und auch Josh Cook, der Fünfter wurde, verlor wieder einige Zähler auf Colin Turkington.
Eat. Sleep. Race. Win. Repeat. #BTCC pic.twitter.com/bME03GjHHm
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Lauf 3
War der zweite Lauf mit dem einsetzenden Regen schon spektakulär, war das nichts im Vergleich zum völlig verrückten dritten Lauf, der dem Renntag in Silverstone ein furioses Finale bescheren sollte. Ähnlich wie zum Start des ersten Laufs war die Strecke feucht, aber nicht wirklich nass und es regnete auch auch (noch) nicht. Slicks war logischerweise die Wahl aller Fahrer, aber bereits zur Einführungsrunde setzte leichter Nieselregen ein und Jack Goff, im VW CC von Team Hard ohnehin nur auf Startplatz 21, wagte den Poker und bog nach der Einführungsrunde in die Box ab, um sich Regenreifen aufziehen zu lassen.
Chris Smiley (GBR) BTC Norlin Honda Civic
An der Spitze kam es nach dem Rennstart derweil zunächst zu einem Kampf zwischen Pole Sitter Ash Sutton, Honda-Pilot Matt Simpson sowie Andrew Jordan. Simpson hatte es geschafft, die Führung von Sutton zu übernehmen, der auf der Gegengerade jedoch einen Konter setzte, während gleichzeitig auch Jordan, der in Sachen Meisterschaft im Zugzwang war, alles in die Waagschale legte und eine Attacke auf beide probierte. Es kam wie es kommen musste: Jordan kollidierte mit Simpson, der von der Strecke segelte und Jordan und Sutton verloren einige Positionen, wodurch die Führung zunächst an Meisterschaftsaspirant Nummer Vier, Josh Cook, fiel.
Die anschließende Safety Car-Phase zur Bergung von Simpsons Honda nutzten einige Piloten, darunter auch Jordan und Turkington, um angesichts des stärker werdenden Regens auf Regenreifen zu wechseln. Andere, darunter der Führende Josh Cook und auch Dan Cammish, blieben jedoch auf Slicks. Nach dem Restart gelang es Cammish, sich alsbald hinter Cook auf Position zwei zu setzen und mit dem BTC-Piloten um die Führung zu kämpfen. Da Turkington und Jordan wegen des Reifenwechsels weit zurück gefallenen waren, hatte Cammish zu diesem Zeitpunkt die virtuelle Meisterschaftsführung inne. Aber der Regen wurde immer stärker und von hinten näherten sich Jack Goff und Aiden Moffat, der im Infiniti eine Runde vor allen anderen während der Safety Car-Phase ebenfalls auf Regenreifen gewechselt hatte, der Spitze.
In der 14. Runde übernahm Jack Goff schließlich die Führung von Cook und auch Moffat, der zwischenzeitlich sogar mal vor Goff gelegen hatte, ging mit vorbei. Wie groß der Vorteil der Regenreifen mittlerweile war, zeigte sich kurze Zeit später, als Moffat sich ausgangs Copse drehte, wodurch Cook und Cammish wieder am Infiniti vorbei gingen. Nur einen Umlauf später hatte Moffat beide aber schon wieder eingeholt und war mühelos auf den zweiten Platz zurückgekehrt.
L14/25: Goff leads! The Team HARD man scythes past Cook, who's still running the Sport Maxx slicks, and Moffat follows.
Goff heads the way from Moffat, Cook, Cammish, Hill, Bushell, Jackson, Caine, Morgan and Neal.
Jordan is currently P14. Turkington, P17.#BTCC pic.twitter.com/Abk660RAKN
— BTCC (@BTCC) September 29, 2019
Während Cook und Cammish ihren Kampf – nun um Platz drei – fortsetzten, kamen von hinten die anderen Piloten, die eine Runde später als Moffat auf Regenreifen gewechselt waren, näher. Jordan und Turkington duellierten sich dabei so hart, dass sie sich gegenseitig neben die Strecke schoben. Der Meisterschaftskampf war nun in vollem Gange, was auch Josh Cook zu spüren bekam, der nach einem Kontakt mit Cammish mit gebrochener Radaufhängung ausfiel. Für Cammish war der ganze Einsatz letzten Endes aber so gut wie vergeben, da der Regen stärker und stärker wurde und er in den letzten Rennrunden schließlich keine Chance mehr auf seinen Slicks hatte und aus den Top Ten herausfiel.
An der Spitze gelang Jack Goff die Sensation und er holte den ersten Sieg in der Teamgeschichte von Team Hard. Aiden Moffat fuhr dahinter den neuen Infiniti erstmals aufs Podium während Matt Neal Platz drei belegte. Von den Meisterschaftsaspiranten behielt Colin Turkington einmal mehr die Oberhand und sah die Zielflagge auf Platz sieben, eine Position vor Teamkollege und Rivale Andrew Jordan. Für Dan Cammish, für den es am Ende nur noch darum ging, seinen slickbereiften Honda irgendwie auf der Strecke zu halten, reichte es dagegen nur zu Platz zwölf.
WINNERS!!
So chuffed for the boys and girls @TeamHardRacing and to be able to get their first win in the @BTCC is special
This one is for all their hard work and for all the sponsors for making this a possibility.
Not been the easiest year, but we keep pushing#JG31 #BTCC pic.twitter.com/TQ0Ho9NSPJ
— Jack Goff (@jgmotorsport) September 29, 2019
WHAT A RACE 🏆🏁 Man I’ve missed this feeling! P29 to p2, amazing call from Federico 👏🏽 Also history made, first ever podium for @InfinitiUK in the @BTCC Love these pics celebrating it with my Mum and Dad, couldn’t do it without them 💙 pic.twitter.com/tScwm236yd
— Aiden Moffat (@AidenMoffat16) September 29, 2019
Meisterschaft und Ausblick
Bei all dem Chaos war es letzten Endes also einmal mehr Colin Turkington, der den größten Vorteil aus der Situation zog. Den unverschuldet schlechten ersten Lauf konterte der dreimalige BTCC-Champion mit zwei souveränen Vorstellungen in den beiden anschließenden Läufen und verteidigte seine Tabellenführung nicht nur, sondern baute sie sogar noch weiter aus. Mit 16 Punkten Vorsprung auf Dan Cammish und 17 auf Andrew Jordan geht Turkington am kommenden Wochenende in das Saisonfinale auf dem altehrwürdigen GP Kurs von Brands Hatch. Der einzige Nachteil, den Turkington auf seiner Seite hat, ist das hohe Zusatzgewicht, das er durch die Qualifikation und den ersten Lauf schleppen muss. Oberste Prämisse wird es sein, nicht zu viel Boden auf Cammish und Jordan zu verlieren und vor allem auf keinen Fall in einem der Läufe auszufallen.
Josh Cook hat auf Meisterschaftsrang vier mit 34 Punkten Rückstand noch Außenseiterchancen auf den Titel, sollte es unter dem Spitzentrio zu heiß hergehen. Rein rechnerisch könnte auch Tom Ingram mit 61 Punkten Rückstand) noch den Titel holen. Für Rory Butcher (69 Punkte Rückstand) ist nach der Meisterschaftszug nach einem enttäuschenden Rennwochenende in Silverstone dagegen abgefahren. Cook und Butcher werden ihr Augenmerk aber ohnehin vielmehr auf den Kampf um den Independent-Titel richten, in dem Cook mit 14 Punkten vor Butcher führt. Und für Butcher geht es auch noch um den Kampf in der Jack Sears-Trophy, in dem er derzeit knapp vor Tom Oliphant führt.
Die gesamten Meisterschaftsstände sowie die einzelnen Resultate der drei Läufe aus Silverstone können wie üblich auf der Website von TSL Timing noch mal genauer studiert werden.
Notizen am Rande
Nic Hamilton ist vor Silverstone überraschend das Sponsorgeld ausgegangen, wodurch seine Saison vorzeitig beendet ist. Den dritten Motorbase-Ford übernimmt Michael Caine, der in Silverstone direkt Punkte holen konnte.
Mike Bushell vertritt Sam Tordoff weiterhin am Steuer des zweiten AmD Tuning Hondas und behält den Platz bis Saisonende.
Dan Cammish hat seinen Vertrag beim Honda Werksteam Dynamics um zwei Jahre verlängert.
Bilder: btcc.net
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