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Formula E: Vorschau auf die Saison 2019-20 und des Ad Diriyah ePrix

von StefanTegethoff
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Schon heute, am Freitag (!) startet die Formula E in ihre sechste Saison – mit zwei neuen (deutschen) Herstellern und einem insgesamt sehr vielversprechenden Fahrerfeld.

Erinnert sich noch jemand an die Superleague Formula mit ihren V12-Boliden in Fußball-Lackierungen? Wenn es nach Allan McNish geht, startet an diesem Woche die „Bundesliga“ des Motorsports. So ist jedenfalls der Eindruck des Audi-Veteranen bei nun vier deutschen Herstellern, denn Mercedes und Porsche steigen – lange angekündigt – nun auch in die unter Racing-Fans oft umstrittene, aber doch oft spaßige Elektro-Motorsport-Serie ein. Audi war dabei der Vorreiter, ist seit Anfang an mit Abt und Schaeffler am Start, hat aber sein werksseitiges Engagement über mehrere Jahre ausgebaut; ähnlich hat es BMW gemacht, bei denen der Markenname erst seit letztem Jahr vor dem des Einsatzteams Andretti steht.

So schwer sich die deutsche Automobilbranche also in Bezug auf marktgängige Fahrzeuge mit der Elektromobilität tut, so gern springt man auf den Marketing-Schnellzug „Formula E“ auf. Hier gibt es viel Publicity, bei allen Schwächen der E-Mobilität in Zeiten der Klimadebatte meist positiv besetzt, und vor allem gibt es diese Publicity zum deutlich günstigeren Preis als z.B. in Le Mans. Denn in der Formula E kommen nach wie vor viele Teile aus der gleichen Fabrik, sowohl das Chassis als auch die Batterien werden zentral entwickelt und bereitgestellt, sind für alle Teams gleich. Die Unterschiede liegen in den weiteren Komponenten des Antriebsstranges (E-Motoren, Inverter, Getriebe) und – so haben wir letzte Saison gelernt – in der Software für die Motorsteuerung.

Änderungen im Reglement

Das sind natürlich Bereiche, die sich nicht ganz leicht nach außen präsentieren lassen, und so habe ich mich über die vergangenen Jahre hier immer wieder beklagt, dass zu wenige technische Infos veröffentlicht werden und dass zu wenig erklärt wird vom Wettbewerb der Ingenieure hinter den Kulissen. Das bleibt wohl leider auch so. Die Rahmendaten jedenfalls sind dieselben wie im Vorjahr, es ist die zweite Saison der Gen2-Boliden: 250 kW im Qualimodus und mit Fanboost (ja, den gibt es weiterhin), 200 kW im Rennmodus. Die Batteriekapazität von 54 kWh reicht für ein Rennen ohne Fahrzeugwechsel oder Nachladen.

Und dann gibt es noch den Attack Mode, der im Vorjahr sein Debut hatte: wenn die Fahrer eine bestimmte Linie in einem bestimmten Streckenbereich fahren, schalten sie für einige Minuten Extra-Leistung frei. Bislang waren das 25 kW, zukünftig 35. Damit soll das Instrument etwas schlagkräftiger gemacht werden. Der Attack Mode bot hier und da durchaus interessante Möglichkeiten und hat den einen oder anderen Zweikampf aufgepeppt –  und in einem meines Erachtens sehr wichtigen Punkt hat man am Reglement für den Einsatz gefeilt: Während Safety Car-Phasen oder Full Course Yellows kann der Modus zukünftig nicht mehr aktiviert werden können.  Zu oft fuhren in der vergangenen Saison gegen Ende einer Gelbphase alle Piloten im Gänsemarsch durch die Aktivierungszone, sodass der Effekt total verpuffte…

Twin-Motoren sind nicht mehr erlaubt, wobei dafür auch die natürliche Auslese gesorgt hätte, denn dieses Konzept hat sich in den letzten Saisons nicht mehr gegen Single-Motoren durchsetzen können. Auch bei den Getrieben hat das Darwin’sche Prinzip zur Ausdünnung der Varianten geführt, die meisten Teams schienen zuletzt auf 1-3 Gänge zu setzen, fünf Gänge sind out, die braucht man beim E-Motor wegen des Drehmoments nicht und mehr Teile bringen mehr Komplexität und mehr Gewicht.

Als letzte wesentliche Regeländerung sind die Bonus-Punkte für die Gruppen-Besten in der Qualifikation zu nennen. Das ist schonmal ein Ansatz, ich hätte es jedoch begrüßt, wenn man endlich das unfaire Gruppen-Qualifying anders strukturiert hätte: Auf den improvisierten Stadtkursen ist der Belag oft so dreckig und arm an Grip, dass die Chancen, in den frühen Quali-Gruppen eine Top-Zeit zu fahren, schlechter sind. Von der Möglichkeit temporären Regens möchte ich erst gar nicht anfangen. Weiter läuft es seit letzter Saison so, dass darum in der ersten Gruppe die Top-Platzierten des Klassements ranmüssen. Hier macht man sich die Schwäche des Systems als „Gleichmacher“ zu Nutze, denn so stehen öfter mal Spitzenpiloten weiter hinten im Grid. Wobei die Formula E bisher sowieso meist recht abwechslungsreich und schwer vorherzusagen war, insbesondere in der letzten Saison, als wir in den ersten acht Läufen acht verschiedene Polesetter und acht verschiedene Sieger hatten.

Teams und Fahrer

Den Titel holte am Ende Jean-Eric Vergne – vielmehr verteidigte er sogar seinen Titel aus dem Vorjahr und war damit der erste Pilot in der Geschichte der Serie, dem das gelang. Er bleibt bei DS Techeetah Racing, bekommt jedoch einen neuen Teamkollegen: Antonio Felix da Costa kommt von BMW zu DS. Das ist sicherlich eine recht heißblütige Paarung, und bereits mit Lotterer hatte Vergne ja den ein oder anderen Zusammenstoß.

Denn Vergne bisheriger Teamkollege Andre Lotterer wird von TAG Heuer Porsche nach Hause beordert, er wird sich mit Neel Jani im Neueinsteiger-Team versuchen. So hat immerhin ein Pilot ordentlich Erfahrung in der Serie, wenn schon das Team frisch einsteigt. Jani hat bislang auch nur einen Doubelheader-Einsatz beim Hong Kong ePrix 2017 bestritten. Beide kennen sich auch schon vom Langstreckensport, haben sich 2017-19 für Porsche und Rebellion mehrfach ein Auto geteilt.

Mercedes-Benz EQ setzt auf die Erfahrung, die sein Stamm-Einsatzteam HWA im vergangenen Jahr bereits in Zusammenarbeit mit Venturi gesammelt hat. Als Fahrer behält man Stoffel Vandoorne im einen Auto, das andere bekommt mit dem frischgebackenen Formula 2-Champion Nyck de Vries ein vielversprechender junger Niederländer. Er hat zwar drei Saisons in der F2 gebraucht, doch dafür war der Titelgewinn in diesem Jahr sehr deutlich. Dass er in die FE wechselt, mag auch mit den wenigen verfügbaren Cockpits in der Formel 1 zu tun haben, aber es ist sicher auch eine Chance für ihn, sein Talent in einer stark besetzten Serie unter Beweis zu stellen, die zum Teil ganz eigene, spezielle fahrerische Anforderungen stellt.

ROKiT Venturi Racing wird nach der HWA-Kooperation im Vorjahr (als HWA Racelab mit Venturi-Motoren startete) in dieser Saison mit dem Mercedes-Antriebsstrang ausgestattet. Felipe Massa und Edoardo Mortara bleiben der Serie erhalten und greifen für das bisher selten hervorstechende monegassische Team am Steuer. Ob sie mit der Technik eines großen Herstellers mehr erreiche können als mit Eigenbauten, bleibt abzuwarten, dazu muss ja auch der Mercedes-Antrieb erstmal einschlagen.

Ebenfalls zwei Teams stattet Audi aus. Zum einen natürlich das Werksteam Audi Sport Abt Schaeffler für das im sechsten Jahr in Folge Lucas di Grassi und Daniel Abt an den Start gehen. Di Grassi muss man immer auf der Rechnung haben für die vorderen Plätze im Gesamtklassement, selbst wenn eine Saison mal harzig anläuft, wie 2017-18, als er nach zwei Zählern aus den ersten fünf Läufen noch Vize-Champion wurde. Daniel Abt ist dagegen leider nur klare Nummer 2, hier fehlt noch der große Durchbruch.

Zweites Audi-Team ist Envision Virgin Racing, das Ex-DS-Werksteam. Auch als Kundenteam haben sie im Vorjahr ihre gute Performance beibehalten können, wurden erneut Dritte im Team-Klassement, aber es fehlt das letzte Quäntchen für mehr als vereinzelte Siege, und das leider schon seit Jahren.  Sam Bird hat bisher in jeder Formula E-Saison einen oder zwei Siege für das Team eingefahren, Robin Frijns im Vorjahr als neu hinzugestoßener Kollege ebenfalls zwei. Aber das reichte eben bisher nie für „ganz oben“…

Das zweite britische Team neben Virgin ist Panasonic Jaguar Racing, die sich mit ihrem Werkseinsatz in den vergangenen Jahren relativ stetig steigern konnten. Das zeigte im Vorjahr zumindest Mitch Evans, der sogar den ersten Sieg für das Team einfahren konnte und folgerichtig im Team bleibt, während Nelson Piquet jr. eine miese Saison erwischte, dann gegen Halbzeit ausstieg und durch Alex Lynn ersetzt wurde. Der bleibt nun aber auch nicht an Bord, stattdessen kommt der Brite James Calado, der sich in den vergangenen Jahren als Ferrari-GT-Pilot einen Namen gemacht hat und 2019 den Klassensieg in Le Mans holte.

Briten gibt es noch einige im Feld, darunter auch Oliver Rowland, der in seiner ersten Saison mit zwei zweiten Plätzen und zwei Poles durchaus Leistung brachte, aber natürlich noch nicht mit seinem Teamkollegen Sebastien Buemi mithalten konnte. Ex-Champion Buemi fuhr eine lange sehr unauffällige Saison, erst in den letzten vier Rennen schaffte er es viermal aufs Podium, darunter einmal nach ganz oben. Dieses Duo bleibt beim Nissan e.dams-Team auch in der kommenden Saison zusammen.

Der nächste Brite fährt im letzten noch verbleibenden Werksteam eines deutschen Herstellers, BMW i Andretti Motorsport: Alexander Sims. Der zeigte in seiner Debutsaison lichte, aber auch schattige Momente. Der Crash mit dem Teamkollege in Marrakesch ist ihm nicht allein anzulasten, aber clever war sein Angriff dort nicht. Sein neuer Teamkollege ist ein deutscher Jungspund, Maximilian Günther, der die letzten Saison als Teilzeit-Pilot für Dragon Racing begann, für einige Rennen ersetzt, aber dann zurückgeholt wurde. Aufgrund solider Leistungen – auch wenn sie sich nicht immer in Ergebnissen niederschlugen – wurde er immer weiter verpflichtet und rückt nun in ein Werksteam auf. Nach einer schwierigen F2-Saison 2018 ist das seine große Chance.

Geox Dragon Racing, das Team von Jay Penske, konnte im Vorjahr nicht überzeugen. Die Platzierungen in der Teamwertung seit der Debütsaison: 2 – 4 – 8 – 9 – 10.  Es steht Arbeit bevor für das amerikanische Team, das seine Motoren auch in Eigenregie baut und nicht als Kunde bezieht. Jedenfalls versucht man den Schritt vorwärts mit zwei brandneuen Piloten zu machen: Le Mans- und WEC-Champion Brendon Hartley und DTM-Vizemeister Nico Müller. Beide haben Potential, aber noch keine FE-Rennerfahrung, da steht aufgrund der Eigenheiten dieser Autos noch eine steile Lernkurve an.

Enttäuscht hat im Vorjahr auch das indische Mahindra Racing-Team, die in den Jahren zuvor oft um Siege und Podiumsplätze mitfuhren. Die Saison begann sogar gut, mit drei Podiumsplätzen und sogar einem Abstauber-Sieg in Marrakesch für Jerome d’Ambrosio nach dem Crash der beiden BMWs, aber danach wurde es sehr zäh, als die anderen Teams und Hersteller sich besser auf das Gen2-Fahrzeug einstellten. Der Belgier bleibt an Bord, ebenso Pascal Wehrlein, der in seinem Debütjahr auch einige starke Rennen zeigte und insgesamt sogar solidere Ergebnisse einfuhr als Veteran d’Ambrosio. Fahrerisch ist das ein starkes Duo, jetzt muss nur die technische Seite wieder passen.

Schlusslicht der vergangenen Saison war das chinesische NIO 333-Team, für das nur Oliver Rowland dreimal in die Punkte fahren konnte. Der Brite bleibt am Steuer, in der Hoffnung dass es aufwärts geht – vom schwierigen Twin-Motor-Konzept musste sich NIO gezwungenermaßen nun verabschieden. Neuer Teamkollege wird der Chinese Ma Quingha, der aus dem Tourenwagen-Bereich kommt und bei bisher neun FE-Gastrauftritten (für drei verschiedene Teams in drei Saisons) noch nicht in die Punkte gelangte, meistens nichtmal in die Nähe. Ob er helfen kann, die rote Laterne loszuwerden, bleibt abzuwarten.

Der Kalender 2019-20

Drei Städte bzw. Strecken aus dem Vorjahr werden wir dieses Jahr nicht im Kalender sehen: die Schweiz raus, nachdem es in Bern Kostenprobleme gab, Zürich nicht wieder wollte und Genf aktuell auch noch nicht, es könnte jedoch in den nächsten Jahren eine Rückkehr in den Alpenstaat geben. Monaco ist turnusmäßig raus, nächstes Jahr läuft dort wieder der Grand Prix Historique. Und Hong Kong hat man wegen der aktuellen Unruhen lieber vorsorglich aus dem Kalender gestrichen.

Neben Ad Diriyah (nahe Riad) bleiben also im Kalender: Santiago de Chile (wieder im O’Higgins-Park, wie im Vorjahr), Mexico City, Marrakesch, Sanya (man hat wohl nichts Besseres in China gefunden…), Rom, Paris, Berlin und New York, letzteres nur noch als Einzelrennen. Der Lauf in Sanya findet am selben Wochenende statt wie der WEC-Lauf in Sebring, einige Piloten wird das vor Probleme stellen – auch wenn in den USA schon am Freitag gefahren wird, wird es wohl kaum funktionieren, am Samstag rechtzeitig in China im Auto zu sitzen. Alle anderen Terminkollisionen wurden beseitigt, nachdem sie eigentlich mal ganz vermieden werden sollten, da so viele Piloten in gerade diesen beiden Serien Verpflichtungen haben.

Neu hinzu kommen Debütrennen in Seoul (Südkorea) und Jakarta (Indoniesien). Außerdem gibt es als Saisonfinale die lang erwartete Rückkehr nach London: dort wird ein Doubleheader in neuer Location ausgetragen, das ExCel-Messezentrum wird Austragungsort sein, man wird durch die Halle und über die Parkplätze und Zugangswege drumherum fahren. Auf die neuen Strecken werde ich dann zu gegebener Zeit mit besonderem Augenmerk eingehen. Auf das Problem übermäßig enger Bremsschikanen – wir erinnern uns an das Desaster in Bern – wollte man für die neue Saison eingehen, wir werden sehen, wie gut das funktioniert.

In diesem Kalenderjahr gibt es nur noch das eine Event in Saudi-Arabien, danach geht es Mitte Januar in Südamerika weiter, die Europatour wird diesmal durch Ausflüge nach Seoul und Jakarta im Mai sowie New York im Juli unterbrochen, das Saisonfinale steht dann erst Ende Juli an, so spät wie noch nie. Die einstige Winterserie nähert sich damit doch immer weiter einem herkömmlichen Motorsport-Kalender an, nur die ersten vier Events liegen außerhalb der üblichen Formel 1-Saison.

Der Ad Diriyah ePrix

Wie im Vorjahr wird der saudi-arabische ePrix wieder im historischen Vorort der Hauptstadt Riad ausgetragen. Politisch ist das für mich weiterhin keine schöne Angelegenheit, mit der Weltmeisterschaft in solche Staaten zu reisen, aber das Geld regiert eben auch die Racing-Welt. Die Strecke war durchaus nicht uninteressant, ob sie genug Spannung für einen Doubleheader, also gleich zwei Rennen an einem Wochenende bietet, werden wir sehen.

Der Kurs ist zweiteilig, zunächst geht es über einige gerade Passagen, unterbrochen durch eine Schikane (beste Überholmöglichkeit) und eine 90°-Kurve, dann folgt ein endloses Kurvengeschlängel, das auch topographisch und von der Kulisse her interessant ist. Überholen kann man dort nicht, aber Fehler machen durchaus. Die letzte Kurve ist eine mittelschnelle Rechts, die zurück auf die längste Gerade führt. Eine Runde mit Sam Bird sieht so aus, beginnend bei der vorletzten Kurve:

Es handelt sich um einen Doubleheader, aber man verzichtet auf Rennaction am Sonntag. Das heißt: Lauf 1 findet bereits heute – am Freitag! –  statt, Lauf 2 am Samstag. Beide Rennen starten um 13 Uhr deutscher Zeit, die Qualifikation findet jeweils um 9 Uhr morgens MEZ statt. Eurosport zeigt beide Rennen live im Free TV, das ZDF streamt sie jeweils live in seiner Mediathek.  Eurosport hat darüber hinaus auch an beiden Tagen die Quali live im Programm.

Bilder: Formula E Media

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