Mit dem Double Header in Saudi-Arabien ist die Formel E in ihre sechste Saison gestartet. Die Rennserie hat nichts von ihrer Unvorhersehbarkeit verloren, jedoch leider auch alte Probleme wie das Qualifying Format oder nachträgliche Strafenfestivals beibehalten.
Rennen 1 – Freitag – 22.11.19
Das Qualifying bleibt zur letzten Saison unverändert (vier Gruppen mit je sechs Fahrern). In Gruppe 1 durften die besten sechs Piloten des vergangenen Klassements ihre Runde setzen. Der Zeitnachteil in Diriyah wurde durch den Wüstensand auf der Strecke sogar nach verstärkt und betrug in etwa eine Sekunde. Folglich hatten Jean-Eric Vergne, Sebastian Buemi, Lucas di Grassi und Co. nichts mit der Superpole zu tun. Stattdessen durften Sam Bird, Formel 2 Meister Nyck de Vries, Stoffel Vandoorne, Edoardo Mortara, Alexander Sims sowie Jerome d’Ambrosio die Pole Position unter sich ausmachen. Sims holte sich Startplatz 1 vor den beiden Mercedes von Vandoorne und de Vries. Mortara, Bird und d’Ambrosio folgten auf den Positionen 4 bis 6.
Beim Rennstart reihten sich nach der ersten Schikane, die ohne Kollision überstanden wurde, alle Formel E Fahrzeuge hintereinander ein. Tatsächlich gab es unter den ersten zehn Fahrern keine Positionsveränderung. Auch das weitere Rennen verlief ohne spektakuläre Zwischenfälle. Für die Formel E trotz der kurzen 45 Minuten Rennen keine Selbstverständlichkeit. Nach den ersten zwölf Minuten kam der Attack Mode ins Spiel. Die Aktivierungszone befand sich außen in Kurve 19 nach der langen Geraden. Die Fahrer verloren also einiges an Zeit, um die Zusatzenergie von 35 kW zu aktivieren. Wie aus der letzten Saison gewohnt musste der Attack Mode zweimal für je vier Minuten benutzt werden. Die zusätzlichen PS machten sich auf der Strecke deutlich bemerkbar.
Mithilfe des Attack Modes ging es auf der Geraden doch relativ leicht an der Konkurrenz vorbei. So kam es doch zu einigen Positionsverschiebungen. Besonders Bird und Lotterer machten einige Plätze gut. Der Brite attackierte auf Platz 3 liegend Vandoorne. Dieser vor Kurve 18 sehr spät und veränderte dadurch die Linie des Führenden Alexander Sims‘. Vandoorne lag plötzlich auf P1 und auch Bird konnte sich am BMW auf die zweite Position vorbeidrücken. Für Polesitter Sims ging es in der Folge sogar noch weiter zurück. Aufgrund von Kommunikationsproblemen hatte er das Energie Management nicht mehr im Griff und wurde am Ende Achter. Sam Bird überholte zehn Minuten vor Rennende Stoffel Vandoorne sogar ohne die Zusatz Energie des Attack Modes. Der Belgier hatte sich seinen zweiten Attack Mode aufgespart, nutzte diesen jedoch im ungünstigsten Zeitpunkt. Im hinteren Mittelfeld war Daniel Abt gecrasht und direkt nachdem der Mercedes Pilot durch die Attack Zone gefahren war, wurde das Safety-Car auf die Strecke gerufen. Vandoorne verlor durch den Umweg auch noch den zweiten Platz an Andre Lotterer.
Nachdem der Audi von Abt weggeräumt war, wurden noch zwei Runden gefahren. In diesen passierte vorne im Feld aber nichts mehr. So gewann Sam Bird vor Andre Lotterer und Stoffel Vandoorne. Porsche und Mercedes konnten somit beide im Debütrennen eine Podestplatzierung einfahren. Da Robin Frijns (Startplatz 12) nach einem starken Rennen hinter Oliver Rowland auf P5 ins Ziel kam, stand Envision Virgin Racing mit 36 Punkten in der Teamwertung ganz oben.
Rennen 2 – Samstag – 23.11.19
Die besten sechs Fahrer des Freitagsrennens mussten die Qualifying Session in der benachteiligten Gruppe 1 starten. Sam Bird konnte an die hervorragende Leistung des Vortages anknüpfen und verpasste die Superpole auf P7 wahrlich knapp. Im Shootout konnte sich dann abermals Alexander Sims durchsetzen und im zweiten Rennen die zweite Pole klarmachen. Auch im letzten Rennen der fünften Saison stand der Brite auf dem ersten Startplatz! Die Ex-Champions Buemi und di Grassi folgten auf den Plätzen zwei und drei, vor d’Ambrosio, da Costa und Evans.
Für Jerome d’Ambrosio endete der EPrix bevor er begann. In der Einführungsrunde bewegte sich sein Mahindra nicht von der Stelle und wurde später von der Strecke geschoben. Beim Start gab es ähnlich wie schon am Freitag kaum Positionsveränderungen. Sims konnte früh einen kleinen Vorsprung herausfahren. Nach zehn Minuten ging Da Costa an di Grassi vorbei und Bird überholte Evans. Da Costa zeigte weiterhin eine gute Pace und attackierte kurz darauf Buemi auf Platz 2. Dieser wollte sich den Attack Mode holen, wofür er die Kurve 18 langsamer und auf einer etwas anderen Linie anfahren musste, als gewohnt. Da Costa, der dicht hinter dem Nissan unterwegs war, hatte damit nicht gerechnet. Es kam zu einer leichten Berührung und Buemi drehte sich. Für beide war der EPrix damit quasi gelaufen. Da Costa bekam eine Durchfahrtsstrafe, Buemi fiel weit zurück und erhielt zudem eine 10 Sekunden Strafe, da er beim Zurückfahren auf die Strecke die Spur der nachfolgenden Fahrer gekreuzt hatte.
Nur wenige Minuten später traf es die nächsten zwei Piloten der Führungsgruppe. Evans hatte in eine kleine Lücke neben Bird gestochen, doch die Strecke verengte sich und die beiden Fahrzeuge kollidierten. Bird wurde infolgedessen in die Mauer gedreht und Evans musste an die Box um seinen Jaguar zu reparieren. Später bekam er auch die Schuld am Unfall zugesprochen und musste eine Durchfahrtsstrafe antreten. Das Safety-Car wurde eingesetzt, damit das Auto von Sam Bird von der Strecke geräumt werden konnte. Der folgende Re-Start 20 Minuten vor Rennende war kurios und zugleich rennentscheidend. Sims startete als Führender erneut das Rennen vor Kurve 18. Bis zur Ziellinie drei Kurven später durfte aber nicht überholt werden. Die meisten Fahrer nutzten diese Regel, um ohne Risiko den Attack Mode (außen in Kurve 18) zünden zu können. Günther, Frijns, Lotterer und de Vries kannten die Regel offensichtlich nicht und überholten ihre Konkurrenten, während diese den längeren Weg durch die Attack Zone nahmen. Für alle vier Fahrer wurde deshalb nach dem Rennen eine Durchfahrtsstrafe ausgesprochen, die in eine 24 Sekunden Zeitstrafe umgerechnet wurde.
Nachdem Frijns sich ohne Fremdeinwirkung auf der Strecke gedreht hatte kam das Safety-Car zum zweiten Mal am heutigen Tag zum Einsatz. Nach dem Restart sieben Minuten vor Ende konnte Sims den Sieg sicher nach Hause fahren. Das lag zum Teil auch daran, dass sein Teamkollege Maxi Günther ihn auf Platz 2 von der Konkurrenz abschirmen konnte. Di Grassi konnte den Deutschen nicht mehr überholen. Die FIA sprach die Strafen erst einige Stunden nach dem Rennen aus, was die Platzierungen deutlich durcheinander würfelte und etwas an die chaotische fünfte FE Saison erinnerte. Die Rennleitung schien teilweise etwas überfordert. Zwischendurch wurde sogar eine Safety-Car Phase beendet, obwohl der Abschleppkran mit dem Auto von Frijns noch auf der Strecke stand, was glücklicherweise sofort eine Full-Course-Yellow zur Folge hatte! Letztendlich wurden Sims, di Grassi und Vandoorne auf den Rängen 1 bis 3 gewertet. Mortara, Rowland und Abt folgten auf den nächsten drei Plätzen. Selbst die beiden Techeetah Piloten kamen trotz Durchfahrtsstrafe (da Costa) und Stop-and-Go Strafe (Vergne) noch in die Punkte.
Nach diesem turbulenten Saisonauftakt führt Sims (35) die Fahrerwertung vor Vandoorne (30) und Bird (26) an. Bester Deutscher ist Daniel Abt auf P10. Nach starken Leistungen besonders von Vandoorne, liegt Mercedes (38) in der Teamwertung vorne. Envision Virgin (36) und BMW (35) folgen jedoch direkt dahinter. Weiter geht es erst im nächsten Jahr. Am 18.01. steigt der Chile EPrix in Santiago.
(Bilder: Formula E Media)