Der dritte Lauf der Formula E-Saison 2019-20 hat uns einen Debut-Sieger gebracht: Maximilian Günther hat mit einer starken Performance in Santiago den nächsten Sieg für BMW i Andretti geholt.
Nun geht es von Südamerika weiter nach Mittelamerika: Mexico City ist der Austragungsort des nächsten ePrix. Die Stadt ist wohlbekannt, aber der Kurs wurde im Vergleich zu den Vorjahren verändert. Bekanntlich wird nicht die lange – und von Hermann Tilke wiederbelebte – F1-Variante gefahren, sondern das Oval mit ein paar Haken nach links und rechts. Ein Haken ist jetzt neu dazugekommen, zwei andere sind weggefallen.
Nach dem Startcrash in Bern letzte Saison will man auf enge Schikanen nach Möglichkeit verzichten und so wurden in Mexico City die Schikanen nach der ersten und mitten in der zweiten Ovalkurve (also zwischen den Turns 3 und 4 in Ovalmotorsport-Sprech) gestrichen. Die waren beide in den letzten Jahren tatsächlich auch Schauplatz einiger Unfälle oder Kontakt-Zweikämpfe, sodass das durchaus nicht unsinnig ist und der Strecke gut tun dürfte. Sie wird dadurch nicht nur etwas weniger Mickey-Mausig, sondern gewinnt wieder an historischer Größe, denn die zweite Ovalkurve, zu früheren F1-Zeiten als Peraltada bekannt, wird nun wieder an einem Stück durchfahren. Zwar ist die Eingangsgeschwindigkeit gering, weil die Autos aus dem Stadion-Komplex erst wieder kurz vor der Kurve auf die Oval-Bahn einbiegen, aber durch die Kurve kann nun durchgehend beschleunigt werden und die Fahrzeuge kommen mit mehr Speed auf Start/Ziel an. Wenn das so gut funktioniert, wie der lange Vollgas-Abschnitt in Santiago, dürften wir das ein oder andere zusätzliche Überholmanöver in Kurve 1 erleben.
Der neu hinzugekommene Streckenteil folgt ein paar Meter weiter. Turn 1 ist der verengte Eingang in die erste Ovalkurve, Turn 2 hier die langgezogene Oval-Rechts. Danach geht es nun nicht mehr in die Rechts-Links-Schikane, sondern scharf nach rechts entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung auf die F1-Strecke – jedenfalls mehr oder weniger. Denn man wird hier ein Stück entgegen der Fahrtrichtung fahren, rechts herum in den letzten Teil der Esses hinein, und dann geht es 180° rechts herum und parallel wieder zurück und geradewegs aufs Stadion zu. Hier werden also auch die asphaltierten Auslaufzonen mit einbezogen werden müssen, damit man die zwei parallelen Fahrbahnen unterkriegt. Die Anfahrt auf die Rechtskurve ins Stadion hinein verlängert sich so und bietet hoffentlich eine weitere gute Überholmöglichkeit.
Die Saison bisher
An Überholmanövern und spannenden Rennen war die Saison bislang nicht arm. Im Vorjahr war auch der Mexico City ePrix bis zur letzten Sekunde spannend, denn – wir erinnern uns – Pascal Wehlein führte das Feld in seinem dritten FE-Lauf bis kurz vor Schluss an, doch dann ging ihm ausgangs der Peraltada die Energie aus, der Wagen verlangsamte automatisch und Lucas di Grassi fuhr an ihm vorbei und als erster über die Linie – nur als Sechster wurde Wehrlein gewertet. Er hat mit dieser Bahn also noch eine Rechnung offen. Und der vierte Rang in Santiago zeigt, dass man Wehrlein im Mahindra auch in dieser Saison nicht abschreiben darf.
Zwar gewann mit BMW wieder ein deutsches Antriebsfabrikat, aber die Podiumsplätze von DS Techeetah und Jaguar machen Hoffnung, dass die Saison nicht allein deutsch-dominiert wird. Mercedes lieferte nach zwei Podiumsplätze in Ad Diriyah in Santiago mit den Plätzen 5 und 6 wieder solide ab. Nicht unerwähnt bleiben soll auch Lucas di Grassi im Abt-Audi, der von Startplatz 22 auf Rang 8 durchs Feld fuhr. Bei den heißen Temperaturen in Santiago, wo man stets auf seine Batterie-Temperatur achten muss, ist so eine Fahrt durchs Feld besonders beeindruckend. Porsche erwischte dagegen ein Grauben-Wochenende: Lotterer wurde wegen zu hohen Energie-Abrufs disqualifiziert, Jani fiel aus und blieb zum dritten Mal ohne Punkte.
In der Fahrerwertung führt ein Mercedes-Pilot: Stoffel Vandoorne ist zwar noch sieglos, aber bislang als einziger Pilot in der Saison bei allen drei Läufen in die Punkte gefahren und kommt damit auf 38 Zähler. 35 Punkte hat Alexander Sims (BMW i Andretti), 28 Sam Bird (Envision Virgin) und die 25 aus seinem ersten Sieg Maxi Günther. Noch ist es also eng und abwechslungsreich an der Tabellenspitze, wie im Vorjahr. Bei den Teams haben sich BMW i Andretti (60 Punkte) und Mercedes-Benz (56) leicht vom Rest abgesetzt (Envision Virgin hat 38 Punkte), aber das ist zum jetzigen Zeitpunkt auch höchstens ein Indiz für den weiteren Saisonverlauf, noch keine Entscheidung.
Die Fragen für den Mexico City ePrix sind also: Gelingt Mercedes der erste Saisonsieg – und wenn ja, mit Vandoorne oder de Vries? Beide scheinen ähnlich stark, auch wenn de Vries in die Punkten deutlich zurück liegt. Sehen wir wieder einen oder beide BMW auf dem Podium? Oder kann jemand anderes wie z.B. ein Pascal Wehrlein im Mahindra dazwischenfunken? Und wird Porsche seine Pechsträhne beenden und wieder an den vielversprechenden zweiten Platz von Andre Lotterer beim Saisonauftakt anknüpfen können?
Das Rennen findet am Samstag um 16 Uhr Ortszeit statt, das ist 23 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Eurosport geht diesmal erst knapp vorher live drauf, hat dafür aber auch ab 18:35 Uhr die Qualifikation live im Programm. Das ZDF zeigt das Rennen ab 22:30 im Livestream auf zdfsport.de.
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Ansonsten bleibt noch darauf hinzuweisen, dass der ePrix im chinesischen Sanya, der für den 21. März angesetzt war, wegen der Coronavirus-Epidemie zunächst mal abgesagt worden ist. Ein Ersatztermin wurde noch nicht festgelegt, hier gilt es zunächst mal abzuwarten. Sollte kein Ersatztermin zustande kommen, ist wohl auch denkbar, dass ein anderes Event zum Doubleheader aufgewertet wird. Somit ergibt sich jedenfalls nach dem Marrakesh ePrix Ende Februar eine längere Pause von ca. fünf Wochen, bevor die Europa-Saison beginnt.
Um mit einer positiveren Nachricht abzuschließen, sei noch darauf hingewiesen, dass die Evo-Variante des aktuellen Chassis für die kommende Saison zwischenzeitlich auch bereits präsentiert worden ist. Offensichtlich sind zunächst folgende Änderungen: der Frontflügel ist an seinem oberen Ende nun nicht nochmal mit der Nase verbunden, dadurch sollen die Piloten stärker von Rempeleien abgehalten werden, weil die aktuelle Konstruktion zu stabil ist.
Am Heck ist nun eine Sharkfin auf die Motorenabdeckung hinzugekommen, und die beiden kleinen Heckflügel zeigen nun nach innen statt nach außen. Ob das aerodynamische Hintergründe hat, wurde nicht erklärt, aber das Material bleibt ohnehin für alle gleich. Das Heck wirkt jetzt jedenfalls kompakter und schnittiger (und die futuristische Optik war wohl eh das oberste Ziel bei der Entwicklung des Gen2-Chassis). Ab der kommenden Saison wird die Formula E als offizielle FIA-Weltmeisterschaft ausgetragen.
(Bilder: Formula E Media)