Mercedes vorne, Ferrari abgeschlagen und vielleicht sogar hinter Racing Point? So einfach ist das nicht.
Die erste Testwoche der Formel Eins war vor allem eines: sehr interessant. Was die Teams an Innovationen an die Strecke brachten, war schon beeindruckend. Den Vogel abgeschossen haben dabei die Mercedes, die mit ihrem neuen Lenksystem die Konkurrenz aufgeschreckt. Das „Dual Asis Steering“ System, kurz DAS abgekürzt, ist eine absolute Neuheit in der Formel Eins. Die Funktionsweise lässt sich relativ leicht erklären. Aber hier erst mal das System im Einsatz
Was macht DAS?
Wie man sehen kann, verändert sich die Vorspur der Vorderreifen. Wird das Lenkrad zum Piloten gezogen, drehen sich die Vorderräder leicht nach innen. Wird das Lenkrad zurückgeschoben, gehen die Räder wieder in ihre normale Position.
Was ist eine Vorspur?
Die Spureinstellung der Räder ist für verschiedene Dinge wichtig, vor allem aber für die Straßenlage. In der Formel Eins ist die Spur der Vorderräder leicht nach außen gestellt, ungefähr ein bis eineinhalb Grad. Das heißt, die Räder schielen ein bisschen nach Außen. Der Vorteil: Das Auto stabiler in den Kurven und ist auf der Geraden auch stabiler im Geradeauslauf. Der Nachteil: Die Räder verschleißen auf der Innenkante etwas schneller, gerade auf den langen Geraden. Ein weiterer Nachteil ist, dass der Topspeed wegen der erhöhten Reibung und der etwas schlechteren Aerodynamik runtergeht.
DAS ändert die Vorspur – Aber was bringt das?
Wie man sich vorstellen kann, ist der Einstellung der Vorspur immer ein Kompromiss. Einerseits will man viel Vorspur, weil man damit mehr Grip in den Kurven hat, andererseits verliert man auf den Geraden und hat mehr Verschleiß. Mit dem Mercedes-System muss man keinen Kompromiss eingehen. Man kann also sowohl eine ideale Vorspur für die Kurven fahren, andererseits aber auch auf den Geraden. Wie groß der zeitliche Vorteil dann auf der Strecke sein kann, ist schwer zu sagen. Die Prognosen reichen von einem bis fünf Zehntel.
DAS bringt allerdings noch weitere Vorteile. Eine veränderte Vorspur sorgt auch dafür, dass sich die Reifen schneller aufwärmen lassen. Das kann ein sehr großer Vorteil in verschiedenen Situationen sein. Zum Beispiel um die Vorderreifen in kalten Bedingungen vor einer Quali-Runde oder hinter dem Safety Car vor dem Restart.
Das System lässt sich natürlich kopieren, ein großes Geheimnis ist die Funktionsweise nicht. Aber dafür muss man vermutlich das gesamte Lenksystem umbauen, was nicht leicht ist. Vermutlich wird es bis zu den Rennen im Sommer dauern.
Mercedes war in den ersten drei Testaten zumindest auf dem Papier das deutlich schnellste Team. Aber das sollte man gelassen sehen. Ferrari war ganz offensichtlich mit vollen Tanks unterwegs, man wird über den Winter kaum 2.4 Sekunden verloren haben. Auch bei Red Bull gab es nur Tests mit vollem Tank, zumindest sagte das auch Max Verstappen. Ob Red Bull allerdings nun vor oder hinter Ferrari liegt, ist schwer zu sagen.
Ferrari blieb die ganze Woche unter dem Radar. Man fuhr Longruns mit vollem Tank und arbeitete am Basis-Setup. Ungewöhnlich ist das nicht, man muss sich also noch keine Sorgen machen. Ferrari scheint das komplette Testprogramm umgestellt zu haben, nachdem man im letzten Jahr mit zu viel Zuversicht in die Saison gestartet ist. Aber wie gut der SF1000 nun ist, lässt nach den drei Tagen nicht sagen.
In einem bemerkenswerten Artikel auf der Webseite vom Mercedes-Team gibt es einen Einblick in die Frage, wie die Ingenieure die Leistungen der Konkurrenz ausrechnen. Mercedes selber rechnet damit, dass die Top-Drei enger zusammen liegen, als im letzten Jahr. Allerdings lief bei Mercedes auch nicht alles rund. Bottas hatte einen Schaden am ERS, bei Williams gab es ebenfalls einen Schaden am Motor.
Im Mittelfeld dürfte es Verschiebungen geben. Der Racing Point, eine klare Kopie des letztjährigen Mercedes, ist sehr schnell unterwegs gewesen. Die Konkurrenz ist nicht gerade glücklich, aber verboten ist so eine Kopie natürlich nicht. Der Ärger entzündet sich auch nicht an der Kopie selber. Ein Aero-Teil zu kopieren ist eine Sache, aber man muss verstehen, wie das Gesamtkonzept des Autos funktioniert. RP und Mercedes haben seit Jahren ein enges Verhältnis und die anderen Teams haben den Verdacht, dass der Fluß an Informationen zwischen beiden Teams die erlaubten Regeln überschreitet. Nun gibt es aber auch keine Regel, die besagt, dass sich ein Mercedes Ingenieur mit einem Racing Point Kollegen beim Abendessen über Aero-Konzepte austauscht.
McLaren scheint ebenfalls auf aufgestellt. Teamchef Andreas Seidel gab unumwunden zu, dass man in der ersten Woche eine „Basis-Version“ mitgebracht habe. In der nächsten Testwoche wolle man dann die Upgrades aufs Auto bringen und schauen, wie mit der Basis funktionieren. Der MCL35 macht grundsätzlich einen recht komplexen Eindruck, jedenfalls deutlich mehr, als zum Beispiel der HaasF1 oder der Williams.
Sorgenfalten gab es schon bei Renault. Von allen Top-Teams erreicht man die schlechteste Kilometerzahl. Der RS20 ist, wie schon beschrieben, komplett neu und vor allem im Vorderbau ist man einen etwas anderen Weg gegangen, als die anderen Teams. Die Gesichter in der Box sahen eher leicht frustriert aus und die Aussagen der Fahrer waren auch nicht gerade enthusiastisch. Am zweiten Tag verhedderte man sich mit dem Setup wie Ocon berichtete. Generell machte der Renault vor allem im Heck einen instabilen Eindruck, die Fahrer mussten im Cockpit deutlich mehr arbeiten. Und jede Korrektur am Lenkrad kostet Zeit.
Dahin bin ich mir nicht sicher, aber die Alfa und der Alpha Tauri nicht sogar noch vor dem Renault liegen. Beide Teams hinterließen einen gemischten Eindruck. Der AT war konstant im Mittelfeld, ohne groß aufzufallen. Kimi Räikkönen legte am zweiten Tag eine sehr schnelle Zeit hin, ansonsten fielen die Alfa aber auch nicht groß auf. Die Longruns waren stabil, aber nicht sonderlich schnell.
Hinten stehen die Haas und Williams. Haas hatte ein sehr zähes Testprogramm, welches immer wieder unterbrochen wurde. Zusammen mit Williams hatte man auch die geringste Zahl an Testrunden am Ende der Woche. Der große Schritt scheint das bei Haas nicht zu sein. Bei Williams war man durchaus zufrieden. Das neue Auto absolvierte schon am ersten Testtag mehr Kilometer, als im gesamten Wintertest im letzten Jahr. Auch die ersten Zeiten am ersten Tag waren durchaus vielversprechend, was das Mittelfeld angeht. Allerdings gab es in der Woche dann keine weitere Steigerung der Zeiten, was dann wieder etwas schlecht war. Aber dürfte meiner Einschätzung nach tatsächlich deutlich näher am Mittelfeld dran sein.
Die zweite Testwoche (ab Mittwoch) dürfte interessanter werden. Zum einen kommen die ersten Updates, zum anderen dürfte die Arbeit am Setup auch irgendwann Richtung Quali gehen. Die Zeiten dürften deutlich nach unten gehen. Danach wissen wir dann etwas mehr.
Bilder: Daimler AG, Ferrari, Racing Point, McLaren F1, Alfa, Renault Sport, HaasF1, Williams F1
Anmerkung: Warum gibt es keine Bilder von Red Bull oder Alpha Tauri?
Die Teams stellen die PR-Bilder normalerweise zur Verwendung für Presseberichte mit einer speziellen Lizenz zur Verfügung. Diese ist zeitlich nicht limitiert und gilt weltweit. Red Bull hat sich entschlossen, Bilder nur noch für 6 Monate zu lizenzieren. Das bedeutet, dass wir die Bilder nach sechs Monaten löschen müssten, um nicht Gefahr zu laufen, eine Abmahnung, Rechnung etc. zu bekommen. Der Aufwand dafür ist nicht gerechtfertigt. Wir werden also in Zukunft leider keine Bilder mehr von Red Bull verwenden. Dies gilt auch für Bilder von Alpha Tauri, da sie über die gleiche Plattform vermarktet werden.
1 Kommentare
Spur, Vorspur, Nachspur, ggf. nochmal einlesen und den Teil im Artikel korrigieren. Vorspur, Räder stehen in Fahrtrichtung vorne näher zusammen, Nachspur, Räder stehen in Fahrtrichtung vorne weiter auseinander. In der F1 fährt man grundsätzlich Nachspur. Ob DAS nun die Räder aus der Nachspur zu Spur 0 zieht oder tatsächlich in eine Vorspur, weiß niemand außer Mercedes. Entsprechend ist auch so gar nicht klar, ob man eigentlich nur Spur 0 zieht um Topspeed zu gewinnen und Reifentemperatur zu vermeiden, die sonst durch schräges abrubbeln entsteht oder durch eine Vorspur „anders“ Temperatur erzielen möchte als durch die Nachspur, in der Ausgangslage.
Comments are closed.