Mit drei Monaten Verspätung startet Europas inoffizielle GT3-Europameisterschaft in ihre neue Saison. Trotz der anhaltenden COVID-19-Pandemie sind die Felder überraschend gut und der Kalender liest sich so vielfältig wie lange nicht mehr. Das müsst Ihr vor dem Saisonstart wissen.
Teilnehmer aus der ganzen Welt, Partner aus stark betroffenen Gebieten und schmerzhafte wirtschaftliche Auswirkungen – für die SRO Motorsports Group, der Organisator hinter der GT World Challenge Europe (GTWCE), ist der Ausbruch der Pandemie der absolute Worst Case gewesen. Während andere, vor allem nationale Serien mit smarten Hygiene-Konzepten schon früher zurückkommen durften, musste das Team von Stéphane Ratel reichlich Extra-Vorarbeit leisten. So galt es, durchdachte Paddock-Strukturen zu entwickeln, enge Absprachen mit allen (internationalen) Beteiligten zu führen und einen möglichst stabilen Kalender zu entwerfen.
Diese Sisyphusarbeit ist nun erledigt, und am Sonntag beginnt endlich die neue Saison – traditionell mit einem dreistündigen Lauf in Italien. Dort musste man allerdings den Schauplatz wechseln und fährt nun auf dem traditionsreichen Autodromo Enzo e Dino Ferrari in Imola. Obwohl das Gastspiel in Monza samt Turn-1-Gebolze durchaus beliebt ist, sollte Imola eine spannende neue Herausforderung darstellen. Die Strecke ist in Sachen GT3 zwar nicht wirklich in Erscheinung und Erinnerung getreten, aber 46 Autos versprechen viel Action – vor allem in den Schikanen.
Der restliche Kalender ist ein Mix aus bekannten Strecken und Rückkehrern, die situationsbedingt zu völlig anderen Zeiten im Jahr gefahren werden. Das bekannteste Beispiel dafür sind die 24, pardon, 25 Stunden von Spa-Francorchamps Ende Oktober. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die vermutlich stark abweichenden Temperaturen bei einigen Läufen auswirken.
Traditionell ist die GTWCE wieder in einen Sprint Cup und in einen Endurance Cup aufgegliedert. Um auf eine gewisse Anzahl von Sprint-Rennen zu kommen, hat man die Wochenenden sogar aufgebohrt. Beim ersten Sprint-Meeting in Misano gibt es zum Beispiel zwei Rennen am Samstag und eines am Sonntag. In Barcelona kommt dieses Prinzip ebenfalls zum Einsatz.
Kalender
Neuerungen und Basics
Im Gegensatz zu anderen Jahren hat sich, abseits der strengen Hygiene-Protokolle mit klaren Aufteilungen und Personenbegrenzungen, nur wenig geändert. Besonders auffällig ist sicher der Wegfall des Titelsponsors Blancpain, der schon fast ein Synonym für die Meisterschaft gewesen ist. So bezogen und beziehen sich immer wieder Kommentatoren auf die „Blancpain-Serien der SRO“. Während der ersten Rennen wird dies wahrscheinlich noch recht gewöhnungsbedürftig sein. Dafür kommt mit Rebellion aber ein altbekannter Name als Timingpartner in die Serie, die zudem eine Partnerschaft mit Amazon Web Services geschlossen hat.
Wie in den letzten Jahren bestehen die Felder aus vier Klassen: Pro, Pro-Am Cup, Silver Cup und Am Cup. Die Divisionen ergeben sich durch Einstufungsvorgaben namens Driver Ratings (absteigend: Platin, Gold, Silber und Bronze) bei den obligatorischen zwei bzw. drei Piloten. Ebenfalls reguliert sind die Vorgänge in der Boxengasse und die Fahrzeiten sowie weitere Details, die man im Laufe der Rennen schnell versteht. Und genau hier liegt eine der großen Stärken des dank Balance of Performance eh schon engen Racings der SRO-Serien: Teams können zwar mit Detailarbeit wertvolle und verdiente Sekunden herausarbeiten, die Klassen bleiben parallel trotzdem sportlich sehr dicht – und das ohne Gimmicks. Wer schon einmal GT3-Motorsport gesehen hat, dürfte also keine Probleme damit haben, sich in das sportliche Geschehen der GTWCE einzuarbeiten.
Die Felder
Am 08. Juli hat die SRO die Vollzeit-Starter für beide Cups vorgestellt. In der Sprint-Variante treten heuer 23 Nennungen bei jedem Rennen an, im Endurance Cup sind es 42 Fahrzeuge. Das kann in den aktuellen Zeiten zweifelsohne als großer Erfolg verbucht werden.
Sprint Cup
Endurance Cup
Besonders aus deutscher Sicht haben die Nennlisten einige positive Überraschungen zu bieten. So tritt der informelle Nachfolger der Pro-Abteilung von Black Falcon, Haupt Racing Team, genauso an wie das aus der GT Masters bekannte TokSport WRT (nur Sprint). Im Endurance Cup gibt es außerdem Gaststarts des neu firmierten deutschen Teams JP Motorsport und von GetSpeed.
Aus Gründen des Umfangs basiert die folgende kurze Feld- und Markenvorstellung auf der Starterliste der 3 Stunden von Imola (PDF-Nennliste).
Our final entry list for the weekend has been confirmed.
4⃣6⃣ cars
1⃣0⃣ brands
3⃣ hours of racing➡ https://t.co/vnZOz14aqE pic.twitter.com/9tzKDJhEPu
— GT World Challenge Europe (@GTWorldChEu) July 24, 2020
Aston Martin
Die wichtigste Nachricht zuerst: R-Motorsport wird heuer alle GT-Programme ruhen lassen. Diese Entscheidung hat die Aston-Martin-Armada auf zwei Vantage GT3 von Garage 59 heruntergekürzt. Ein Fahrzeug startet im 2020 gut aufgestellten Silver Cup, das zweite im noch etwas größeren Pro-Am Cup.
Audi
Sieben Audi R8 LMS GT3 der Teams Saintéloc Racing (jeweils Pro und Pro-Am), Belgian Audi Club Team WRT (zweimal Pro und einmal Silver) und Attempto Racing (einmal Pro und einmal Silber) bevölkern aktuell die Boxengasse von Imola. Angesichts des erfahrenen Werkskaders von Audi sollte man die Profi-Nennungen sowohl im Endurance Cup als auch bei den Sprint-Läufen auf dem Radar haben. Besonders spannend ist der #31 Belgian Audi Club Team WRT R8 mit den Endurance-Piloten Kelvin van der Linde, Mirko Bortolotti und Matthieu Vaxivière.
That's two out of two: Mirko Bortolotti tops our second test session for Belgian Audi Club Team WRT.
Consider that a serious statement of intent. #GTWorldChEu pic.twitter.com/bCmgtndfhW
— GT World Challenge Europe (@GTWorldChEu) July 24, 2020
Bentley
Während der „Corona-Pause“ gab Bentley bekannt, die Werks-M-Sport-Boliden aus der Intercontinental GT Challenge zurückzuziehen. Stattdessen verschoben die Briten den Fokus auf die Kundenprogramme. Gleich drei davon gibt es am Wochenende zu sehen. Die Amerikaner von K-Pax Racing, Einsatzteam ist Flying Lizard Motorsports, haben ihre zwei Profi-Boliden nach Europa gebracht und setzen auf den gewohnten Mix aus Werkspiloten und werksverbundenen Fahrern. Einen Pro-Continental-GT3 und ein Am-Schwesterauto (das einzige Am-Auto Stand Freitagabend) setzen außerdem die Franzosen von CMR ein, die bis auf Seb Morris allerdings schwächer besetzt sind. Abgerundet wird das Trio vom bekannten Bentley Team Parker Racing im Silver Cup.
It’s back to business for K-PAX Racing, which is set to make its official @GTWorldChEu Endurance Cup debut this weekend at @autodromoimola. Follow along for the ride, and get to know the No. 9 team of @alvaroparente, @ASoucek and @jordanpepper46: pic.twitter.com/vAb6g2USYJ
— K-PAX Racing (@KPAXracing) July 24, 2020
BMW
Laut der aktuellen Nennliste wird ein einsamer Boutsen Ginion Racing BMW M6 GT3 im Pro-Am Cup antreten. Hier ist sicher ein Anzeichen dafür zu sehen, dass der neue M4 GT3 nicht schnell genug kommen kann.
Ferrari
Immerhin fünf Ferrari 488 GT3 Evo werden auf dem „Namensvetter-Kurs“ antreten. Besonders spannend ist hier, dass darunter zwei Profi-Nennungen sind. Der Kurs der Italiener basierte vorher auf dem Split Werkssport in der GTE und Kundensport in der GT3. Im ersten Pro-Auto von AF Corse werden Alessandro Pier Guidi, Nicklas Nielsen und James Calado Platz nehmen. Im von SMP Racing unterstützten zweiten Pro-488-GT3-Evo treten Miguel Molina, Davide Rigon und Sergey Sirotkin an. Dazu kommt noch ein Pro-Am-Auto von AF Corse. Ebenfalls in der Pro-Am gibt es einzelne Einsätze von SKY Tempesta Racing und Rinaldi Racing zu sehen.
The @GTWorldChEu hits the @autodromoimola tarmac 🙌🏻
Cloudy skies, but the sound of thunder was no match for the roar of the #Ferrari488GT3Evo2020 engines during test laps today 😉#FerrariCompetizioniGT #FerrariRaces pic.twitter.com/v6U7fl042N— Ferrari Races (@FerrariRaces) July 24, 2020
Lamborghini
Ganze acht Lamborghini Huracán GT3 Evo wollen zumindest im Endurance Cup an die sehr erfolgreiche Saison 2019 anschließen. Die Speerspitze bildet die dominante Meistertruppe des Orange 1 FFF Racing Team. Neben dem weiterhin im Einsatz befindlichen Pro-Am-Renner und einer Vertretung im Silver Cup setzt man in der Pro das Trio Dennis Lind, Andrea Caldarelli und Marco Mapelli ein. Ebenfalls in der Pro feiert Emil Frey Racing sein großes SRO-Comeback. Die Schweizer haben zum einen Ricardo Feller, Norbert Siedler und Mikäel Grenier in der Nummer 14, zum anderen setzt sich die Nummer 163 aus Franck Perera, Giacomo Altoè und Albert Costa zusammen. Einen schwächeren Pro-Lambo stellt zudem Imperiale Racing. In den unteren Klassen treiben sich abschließend auch die treuen Kunden von Barwell Motorsport wieder mit zwei Boliden herum.
First Morning session is go! 🚦@BlackBullWhisky @LamborghiniSC pic.twitter.com/yHoY4U945S
— Barwell Motorsport (@BarwellMotorSpt) July 24, 2020
Lexus
Wie bei BMW findet sich auch hier nur ein Fahrzeug auf der Nennliste. Die Franzosen von Tech 1 Racing werden um Silver-Cup-Ehren kämpfen.
McLaren
Zwei McLaren 720S GT3 bringen dafür Ema Group / 59 Racing und das erfahrene British-GT-Team Optimum Motorsport an den Start – jeweils etwas überraschend in der Pro-Wertung. Das Fahrerpersonal ist zwar bei beiden Nennungen sehr erfahren und McLaren-affin, jedoch dürfte es auf der großen Europa-Bühne schwer werden.
Optimum at Imola
Second placed and just grazing the GT4 championship trophy on our last visit to Imola back in July 2017.
Stepping up to GT3 for 2020 💪#GTWorldChEu #24HSERIES pic.twitter.com/MPXQxjAter
— Optimum Motorsport (@OptimumMSport) July 22, 2020
Mercedes
Haupt Racing Team (Pro und Silver Cup), SPS Automotive Performance (Pro-Am Cup), Ram Racing (Pro-Am Cup), AKKA ASP (Pro, Pro-Am Cup und Silver Cup), Madpanda Motorsport (Silver Cup) und GetSpeed (Pro) – die Stuttgarter beziehungsweise Affalterbacher gehen mit einer sehr ausgeglichenen und in der Pro siegfähigen Mischung an den Start. In der Pro-Klasse sollte man unbedingt auf den Boliden des Haupt Racing Team achten, der die Starfahrer von Black Falcon in sich tragen wird.
The @GTWorldChEu kicks off the season this weekend at the @autodromoimola. Nine #AMGGT3 by @AKKAASPTEAM, @Getspeed2, #HauptRacingTeam, @Madpanda_Msport, @RamRacingCom and SPS automotive performance enter the 3-hour race on Sunday. Stay tuned! #MercedesAMGMotorsport pic.twitter.com/74s02Dvepw
— Mercedes-AMG (@MercedesAMG) July 24, 2020
Porsche
Die wahrscheinlich bestbesetzte Marke wird in diesem Jahr Porsche sein. So hat man zwei Autos von GPX Racing, einen Porsche 911 GT3-R (991.II) von Dinamic Motorsport und wieder einen Renner von ROWE Racing geradezu mit Werkspiloten bombardiert. Hinzu kommen eine Silver-Cup- und eine Pro-Am-Nennung von Dinamic Motorsport. In der Saisonnennliste des Sprint Cups findet sich hingegen kein einziger Porsche. Die Zuffenhausener setzen damit wie in der jüngeren Vergangengeut ein deutliches Zeichen pro Langstrecken-Support.
Looks like the winning hand! GPX Racing's 2020 playing card livery design pays homage to the 50 year old Gulf colors racing in Targa Florio. Back in the days the Porsche 908/3s scored double. ♠️♣️♦️ These two want to replicate that in Imola. #PorscheCustomerRacing #GTWorldChEu pic.twitter.com/4TCc8A2P6S
— Porsche.CustomerRacing (@Customer_Racing) July 24, 2020
Übertragung
Am einfachsten kann man die Rennen der Saison 2020 über die Online-Vertretungen der SRO und allen voran YouTube verfolgen. Dort sollte man die gewohnt gute Qualität bei Kommentar und Bild erwarten dürfen, die man schon über Jahre gewohnt ist. „Dank“ der strengen Hygiene-Regeln wird die Übertragung heuer zudem noch umfangreicher ausfallen.
Die Zeiten für die einzelnen Sitzungen und damit auch die Zeitpläne samt des meist sehr guten Rahmenprogramms findet Ihr in den TV/Stream-Zeiten. Am Wochenende könnt Ihr Euch zum Beispiel auf Support-Läufe der leicht geschwächten GT4 European Series und des Formula Renault Eurocup freuen. Der fliegende Start der GT World Challenge steht am Sonntag um 13:30 Uhr an. Endlich.
Bilderquelle/Copyright: SRO Motorsports Group