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BTCC: Croft 2020 – In mehrfacher Hinsicht überraschend

von Sebastian Focks
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Bei den BTCC-Läufen in Croft am vorletzten Wochenende legte Josh Cook im BTC-Honda mit zwei Siegen einen nahezu perfekten Tag hin. Auch Jake Hill im älteren Civic von MB Motorsport überraschte mit zwei starken Podiumsplatzierungen während sich Tom Ingram mit einem Sieg im dritten Lauf in den Kampf um die Meisterschaft zurückmeldet. Colin Turkington musste dagegen ausgerechnet auf der Strecke, auf er in seiner Karriere so viele BTCC-Rennen gewonnen hat, wie auf keiner anderen zwei Nullnummern hinnehmen und verliert dadurch Boden in der Meisterschaft auf Ash Sutton. Engster Verfolger des Infiniti-Piloten ist nun Dan Cammish.

Die drei BTCC-Läufe in Croft boten einige überraschende Ergebnisse. Auf der üblicherweise heckgetriebenen Autos besonders gut liegenden Strecke im Norden Yorkshires, war in diesem Jahr das beste Ergebnis eines Hecktrieblers ein einziger dritter Platz – alle weiteren Podiumsplätze holten sich frontangetriebene Autos.

Colin Turkington (GBR) – Team BMW BMW 330i M Sport

Mitverantwortlich dafür war ein herbstlicher Regenschauer, der sich vor der Qualifikation über den Norden Yorkshires ergoss. Nachdem Colin Turkington im BMW zuvor noch standesgemäß die beiden freien Trainings angeführt hatte konnten die Hecktriebler bei der Jagd um die Pole Position ihre Stärken auf der nassen Strecke nicht wie gewohnt ausspielen. Am Renntag kam dann auch noch Pech bei den beiden heckgetriebenen Favoriten Turkington und Sutton hinzu, so dass zum ersten Mal seit 2012 Zeit kein einziger Croft-Sieg an ein heckgetriebenes Auto ging.

Lauf 1

Da die Strecke, wie bereits gesagt, zum Qualifying nass war, ergab sich eine leicht ungewöhnliche Startaufstellung, die die beiden Hondas von Josh Cook und Jake Hill in der ersten Startreihe sah. Erst dahinter, in Reihe zwei, fanden sich die favorisierten BMWs von Colin Turkington und Tom Oliphant gefolgt vom überraschend schnellen Bobby Thompson, der im Audi S3 von AmD Tuning sein bislang bestes Qualifying-Ergebnis hinlegte.

 

Der Meisterschaftsführenden Ash Sutton, dank des Heckantriebs an seinem Infiniti ebenfalls eigentlich ein heißer Kandidat für die die erste Reihe, fand sich dagegen „nur” auf Startplatz sechs wieder. Sutton war im Qualifying einer seiner seltenen Fehler unterlaufen als er sein Auto in Clervaux in die Reifenstapel beförderte – ebenso wie wenige Minuten zuvor sein Teamkollege Aiden Moffat an exakt der gleichen Stelle. Sutton bekam deswegen zum einen seine schnellste Zeit aberkannt, weil er eine Unterbrechung der Session verursacht hatte, zum anderen konnte er nicht mehr in den finalen Run um die Pole Position eingreifen.

Rory Butcher und Dan Cammish, ebenfalls noch mit Hoffnungen auf den diesjährigen Meisterschaftstitel, fanden sich noch weiter hinten auf den Positionen 10 und 14 ein – Cammish hatte seine schnellste Zeit wegen Überfahren der Streckenbegrenzung verloren. Noch schlechter lief es für den fünften Akteur im Meisterschaftskampf, Tom Ingram. Der Toyota-Pilot hatte in der Qualifikation eigentlich die schnellste Runde hingelegt, wurde aber ebenso wie Senna Proctor, der die drittschnellste Zeit gefahren hatte, wegen zu niedriger Fahrzeughöhe disqualifiziert und musste somit den ersten Lauf aus der letzten Startreihe in Angriff nehmen.

Beim Start konnte Josh Cook seine Führung erfolgreich verteidigen, während sich Jake Hill und Colin Turkington um den zweiten Platz duellierten – letzten Endes mit dem besseren Ende für Hill. Ash Sutton hatte sich derweil im Verlauf der ersten Runde schon auf den vierten Platz hinter Colin Turkington vorgearbeitet, wurde dann aber von Tom Oliphant umgedreht, der wiederum einen Schubser von Rory Butcher bekommen hatte. Durch den anschließenden unvermeidbaren Dreher verlor Sutton zunächst mehrere Positionen und musste sich wieder nach vorne kämpfen.

An der Spitze entwickelte sich der erste Lauf derweil zu einer klaren Angelegenheit für Josh Cook. Der BTC-Racing-Pilot stand zwar das gesamte Rennen über unter großem Druck von Markenkollege Hill, dem aber letzten Endes die Pace für eine erfolgsversprechende Attacke fehlte. Gegen Rennende konnten sich die beiden Hondas sogar ein wenig von Colin Turkington absetzen, der schließlich den dritten Platz belegte.

Dahinter fuhr Rory Butcher ein relativ einsames Rennen auf dem vierten Platz, während es ab Position fünf aufwärts etwas munterer daher ging. An die Kampfgruppe Tom Chilton, Bobby Thompson, Matt Neal und Adam Morgan hatte sich bereits in der achten Runde Ash Sutton herangearbeitet. Bis zur 13. Runde, als Sutton in Tower Bend an Chilton vorbeiging, hatte er dann auch die zuvor genannte Gruppe hinter sich und lag beim Fallen der Zielflagge schließlich auf dem fünften Platz hinter Rory Butcher.

„Wie praktisch“ dachten sich da die Rennkommissare und belegten Butcher wegen der Kollision mit Oliphant, die wiederum Sutton in den Dreher geschickt hatte, nachträglich mit einer minimalen Zeitstrafe, die Sutton auf den vierten Platz nach vorne brachte und Butcher eine Position zurückwarf. Ansichtssache sage ich mal, da man Butcher bei dem Kontakt eigentlich keine Absicht unterstellen konnte und der Ford-Pilot im engen Feld auch keine echte Möglichkeit zum Vermeiden der Kollision gehabt hatte.

Hinter Sutton und Butcher komplettierten Tom Chilton, Matt Neal, Bobby Thompson, Adam Morgan und der in diesem Lauf eher enttäuschend fahrende Dan Cammish die Top Ten. Für den aus der letzten Reihe gestarteten Tom Ingram reichte es immerhin für den 13. Platz hinter dem ebenfalls schwach fahrenden Tom Oliphant und Chris Smiley.

Lauf 2

Nach dem ersten Lauf führte Sutton mit gerade einmal einem Punkt vor Colin Turkington in der Meisterschaft, während die anderen, im ersten Lauf allesamt mehr oder weniger strauchelnden Kontrahenten deutlich an Boden verloren hatten. Aber drohender Eintönigkeit (man kann an dieser Stelle berechtigterweise darüber debattieren, ob ein enger Meisterschaftskampf zwischen Sutton und Turkington wirklich eintönig wäre) begegnet das BTCC-Karma ja so gut wie immer zuverlässig mit neu entstehenden Situationen, die das Spannungsbarometer wieder hoch fahren lassen – so dann auch unmittelbar im zweiten Lauf des Tages.

Während Josh Cook erneut seine Führung behaupten konnte, verabschiedetet sich dahinter Colin Turkington beim Versuch, Jake Hill in der ersten Kurve auszubremsen in den Reifenstapel und beendete sein Rennen damit vorzeitig. Keine Punkte für Turkington bedeuteten damit zunächst einen klaren Vorteil für Ash Sutton, der sich dann auch direkt auf dem dritten Platz hinter Jake Hill eingefunden hatte. Hill, an diesem Wochenende glänzend aufgelegt, verteidigte seine Position aber erfolgreich über mehrere Runden und erst in der sechsten Runde schaffte es Sutton, in der Hairpin vor Start-Ziel eine Attacke zu setzen.

Dabei berührten sich der Honda und der Infiniti und Sutton zog sich dadurch in der Folge einen Plattfuss vorne rechts zu. Statt einem möglichen Sieg gingen die Kontrahenten nun reihenweise an Sutton vorbei, während dieser seinen humpelnden Infiniti zurück zur Box schleppte. Auch wenn Sutton das Rennen noch mal aufnehmen konnte, sollte er mit einer Runde Rückstand fernab der Punkteränge bleiben. Damit war der Vorteil nun plötzlich bei den übrigen Verfolgern in Sachen Meisterschaft Dan Cammish und Tom Ingram.

Eigentlich hätte dazu auch Rory Butcher gehört, aber der Motorbase-Pilot hatte sich bereits in der ersten Runde aus dem Rennen verabschiedet, als er ausgangs der schnellen Schikane vor der Gegengeraden am Heck getroffen wurde und sich in einen Highspeed-Dreher in Richtung Auslaufzone Wiese Gestrüpp Sumpf verabschiedete. Tom Ingram und Dan Cammish nutzen dagegen ihre Chance und arbeiteten sich während des Rennens Position um Position nach vorne und schafften es am Ende auf den Positionen vier und fünf die Zielflagge zu sehen.

An der Spitze hatte derweil fast das gesamte Rennen über Josh Cook seine Führung behauptet, geriet dann aber in den letzten beiden Runden unter Druck von Altmeister Matt Neal, der zuvor an Jake Hill vorbeigegangen war. In der letzten Runde probierte Neal dann eine (typische Matt Neal-)Attacke in der schnellen Sunny In-Rechtskurve und stach innen neben Cooks Honda in eine Lücke. Leider war diese Lücke aber deutlich schmaler als ein handelsüblicher Honda Civic in BTCC-Spezifikation und Neal rempelte in die Flanke von Cook, der daraufhin in einen sehenswerten Slide geriet, einen Dreher aber knapp verhindern konnte.

Neal kreuzte die Zielflagge zwar als Führender, wurde aber erwartungsgemäß nach dem Rennen mit einer Zeitstrafe belegt, die ihn wieder hinter Cook auf den zweiten Platz zurückwarf. Cook durfte sich somit über seinen zweiten Sieg an diesem Wochenende freuen, während Jake Hill mit Platz drei seine zweite Podiumsplatzierung holte. Hinter den schon genannten Tom Ingram und Dan Cammish auf den Plätzen vier und fünf komplettierten dieses Mal Tom Chilton, Tom Oliphant, Bobby Thompson, Senna Proctor und Stephen Jelley die Top Ten.

Lauf 3

Mit dem im zweiten Lauf sechstplatzierten Tom Chilton auf der Pole Position ergab sich eine nur minimal umgedrehte Startaufstellung für den dritten und letzten Lauf des Tages – und damit allerbeste Chancen für die von den Startplätzen zwei und drei startenden Dan Cammish und Tom Ingram weiter auf die am Ende der Startaufstellung stehenden Sutton und Turkington aufzuholen. Ingram, wegen der aberkannten Pole Position vom Vortag noch immer leicht angefressen, nutze seine Chance dann auch gleich beim Start und ging noch vor der ersten Kurve an Cammish und wenig später in den Jim Clark-Esses auch an am führenden Tom Chilton vorbei.

Während sich der Toyota-Pilot in den nächsten Runden einige Wagenlängen absetzen konnte, fand Cammish erst in der 13. Runde mit bei einsetzender Dämmerung wunderschön glühenden Bremsscheiben einen Weg an Chilton vorbei. Bis zur Zielflagge schafft er dann sogar noch den Lückenschluss zum enteilten Ingram, hatte aber keine Chance mehr, ein Wörtchen, um den Sieg mitzureden. Ingram holte für sich und die Toyota-Mannschaft von Speedworks somit den dritten Saisonsieg und schaffte nach der Enttäuschung über die verlorene Pole Position das maximal mögliche, um doch noch eine Rolle im Titelkampf zu spielen.

Tom Chilton, mit der Hoffnung in das Rennen gestartet auf die beiden Siege seines Teamkollegen einen dritten Sieg für BTC Racing einzufahren, belegte am Ende den dritten Platz vor Matt Neal, der das gesamte Rennen über ein nicht zu überwindender Engpass für die weiteren, teilweise schnelleren Verfolger gewesen war. Dahinter folgte bereits Ash Sutton, der sich ohne Zusatzgewicht an Bord von ganz hinten Position um Position durch das Feld gearbeitet hatte.

Sutton hatte damit so gut es ging Schadenbegrenzung betrieben und sich genug Punkte gesichert, um die Führung in der Meisterschaft zu behalten. In die Karten spielte ihm dabei auch, dass Colin Turkington das Pech true blieb und bereits in der zweiten Runde einen Reifenschaden erlitt. Der BMW-Pilot holte somit zum zweiten Mal an diesem Tag keine Punkte, was sich natürlich auch auf die Meisterschaft auswirkt. Die weiteren Positionen hinter Sutton belegten Tom Oliphant, Jake Hill, Josh Cook, Senna Proctor und Aiden Moffat.

Glück im Unglück hatte derweil Bobby Thompson. An seinem bis dato besten BTCC-Wochenende mit zwei starken Resultaten in den Top Ten, sorgte der Audi-Pilot in der zweiten Runde des dritten Laufs für den Schreckmoment des Tages, als er sein Auto beim Anbremsen der schnellen Jim Clark Esses aus der Kontrolle verlor, am abrupten Übergang von der neben der Strecke befindlichen Wiese zu so etwas wie einem Acker (aka Auslaufzone …) ausgehebelt wurde und sich anschließend mehrfach überschlug. Thompson konnte dem auf der Seite liegengeblieben Audi glücklicherweise unverletzt entsteigen.

Hier die Übersicht über die kompletten Ergebnisse der drei Läufe aus Croft:

Und hier eine Übersicht der Saison-Ergebnisse:

Meisterschaft und Ausblick

Auch wenn Ash Sutton trotz des punktelosen zweiten Laufs weiterhin die Meisterschaft anführt, hat sich insgesamt doch einiges im Titelkampf getan. Engster Verfolger von Sutton ist wegen der beiden Nullnummern von Turkington nun Dan Cammish mit sieben Punkten Rückstand. Turkington, der „King of Croft“, hat ausgerechnet auf der in seiner BTCC-Karriere erfolgreichsten Strecke viel Boden verloren und nun zwölf Punkte Rückstand auf die Spitze (vor Croft waren es nur vier). Auf Platz vier liegt Tom Ingram, der als einer der größten Gewinner aus Croft abreist und seinen Rückstand von 42 auf 29 Punkte verkürzen konnte.

Mit 52 Punkten Rückstand und nur noch sechs ausstehenden Rennen ist Rory Butcher dagegen höchstwahrscheinlich leider raus aus dem Meisterschaftskampf. Die größte Punkteausbeute holte sich mit zwei Siegen logischerweise Josh Cook. Leider spielt der Honda-Pilot, der zu Beginn der Saison viel Pech hatte, aber keine Rolle mehr in der Meisterschaft, in der er mit 115 Punkten Rückstand nun auf dem zehnten Platz liegt. Hier ein Überblick über die gesamten Stände in der Meisterschaft:

In der Independent-Wertung führt weiterhin Ash Sutton vor Rory Butcher. Die gesamten Meisterschaftsstände inklusive Team- und Hersteller-Wertung können wie üblich bei TSL Timing abgerufen werden (PDF).

Für die vorletzte Saisonstation geht es am kommenden Wochenende nach Norfolk auf den Snetterton-Circuit. Im Vorjahr, als im Rahmen eines kleinen Reglement-Experiments erstmals drei verschiedene Reifenmischungen in jedem der drei Läufe eingesetzt werden mussten, gewannen hier Tom Chilton, Colin Turkington und Rory Butcher. Im Gegensatz zum Vorjahr finden die Rennen in Snetterton in diesem Jahr aber nicht im Hochsommer, sondern im englischen Herbst statt und es müssen auch nicht verschiedene Reifenmischungen gefahren werden. Zum Einsatz kommt wie bei allen Rennen in diesem Jahr ausschließlich die Medium-Mischung von Reifenlieferant Goodyear. Sich auf einen oder mehrere Favoriten festzulegen ist daher nicht leicht, aber ich würde neben Ash Sutton vor allem Tom Ingram auf der Rechnung haben, da der der ebene Snetterton Circuit dem Toyota eigentlich sehr gut liegen sollte.

Die Startzeiten für die drei Läufe am kommenden Wochenende könnt ihr wie gewohnt unserem TV-Planer entnehmen.

Bilder: btcc.net

Jack Butel - Carlube Triple R Racing with Lucas & Mac Tools Mercedes-Benz A-Class
Chris Smiley (GBR) - Excelr8 Motorsport Hyundai i30 Fastback N Performance
Dan Cammish (GBR) Halfords Yuasa Racing Honda Civic Type R
Ashley Sutton (GBR) - Laser Tools Racing Infiniti Q50
Croft Circuit

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BTCC: Snetterton 2020 – Bereit für den Showdown – Racingblog 7 November, 2020 - 15:30

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