Es war ein besonderes/einmaliges/historisches/denkwürdiges…und so weiter. Ihr kennt die immer gleichen Einstiege der Jahresrückblicke aktuell. Und mal abgesehen davon, dass jedes Jahr einmalig, historisch etc. ist, sind auch die Formate an sich heuer noch oller als sonst. Oder? Deswegen möchte ich auf das Rennjahr 2020 anders zurückblicken. Ganz anders:
Plötzlich war sie wieder da – fast aus dem Nichts. Gute zwei Monate Funkstille sind es zu diesem Zeitpunkt bereits gewesen, es hätten auch zwei Jahre sein können. Wer weiß das noch so genau? In diesen seltsamen Tagen zwischen Google News und exzessivem Händewaschen wirkte sie häufig endlos fern, manchmal auch unerträglich nah. Am Ende war sie nichts davon.
In schwächeren Momenten wollte ich sie verdrängen, und habe mich postwendend dafür verflucht. Sie existierte vor mir, und wird auch lange nach mir noch da sein, herrschte ich mich an. Das wird schon wieder. Irgendwie. Die Tage verstrichen wie schlechte Butter-Wortspiele von Rappern.
Dann erhellte sich – wie so häufig bei großen Nachrichten– in einem achtlosen Moment mein Handy-Bildschirm. Endlich. Keine Werbung diesmal, nein. Und auch keine neue, noch perfidere Datenschutzerklärung, die ich doch bitte, bitte zur Kenntnis nehmen möchte. Es war sie. Unbeschwert, fast so, als wäre nichts geschehen. Es wurde Zeit.
Rückkehr oder Neustart?
Anfangs wusste ich nicht wirklich, was ich davon halten sollte. Kann es wieder so wie früher werden? Schließlich ist es auf einem Höhepunkt geendet: die absurde Monsunnacht am Persischen Golf, die wundersamen Wochen in Florida oder auch die Bergtour in Australien. Das war denkwürdig! Nicht irgendwelche schlecht gecutteten Drei-Stunden-Sendungen auf RTL und Co. Über die bitteren Streitereien in Melbourne schweige ich übrigens lieber. Ihr wisst warum.
Offiziell ging es groß weiter. Darlington, Fort Worth oder auch die Steiermark! Sie ist wieder da, ich auch. Inoffiziell bemühte sie sich aber schon vorher in kleinen, recht verlassenen Käffern Amerikas um eine Aussprache. Ich begann da bereits, ihr zu glauben. Oder ließ mir die Hoffnung von blechernen, mit Lehm bedeckten Lautsprechern eintrichtern.
Der Sommer war dann vollgepackt, es ging Schlag auf Schlag. Wir holten auf, was wir verpasst hatten, und sprangen durch die Welt. Mal die Eifel, mal am Fuße des Fujisan, mal Iowa. Aus den langen Sommertagen der Vorjahre wurden lange Halbjahrestage. Doch selbst mit den Zeichen der Zeit fühlte es sich von Startampel zu Startampel normaler an.
Die härteste Herausforderung waren die großen, zeitlosen Tage. Puh, war ich nervös. Wie sollte das bei der Vorgeschichte und den Umständen nur gut gehen? Doch irgendwie war es so wie immer, nur halt anders. Da war die kurze französische Frühsommernacht eben diesmal ein Vorbote des Herbstes an der Sarthe. Oder der Monat Mai ein Drittel-August. Hauptsache, sie waren da, diese Tage, für die wir ja auch irgendwie leben.
In den letzten zwei Monaten des Jahres ist es mir oft zu viel gewesen. Nicht falsch verstehen: Lieber zu viel als nichts. Aber die Non-stop-Saison hetzte ihrem verdienten Ende entgegen. Eine wirkliche Pause gab und gibt es nicht. Langsam kehrten die Zweifel an ihr zurück, die in den letzten Jahren öfter wie Steinchen im Schuh drückten. War das zweite Halbjahr nur eine Ablenkung?
Mitten in diese Momente brachen dann die mehr als guten Nachrichten aus Ingolstadt und Zuffenhausen. Es gibt neue Projekte, erzählten sie offiziell. Die Zukunft sieht rosig aus, sagten sie damit eigentlich. Schlussendlich steckt in ihnen eine ganze Menge Hoffnung. Ähnliches deuten auch andere einige Monate vorher an. Ich sah den Kontext nur noch nicht in seiner Gänze. Wie konnte ich nur an ihr zweifeln? Danke, dass du wieder da bist, Rennsport-Leidenschaft!
Wer an dieser Stelle einen ambitionierten Jahresrückblick erwartet hat, sei auf unseren Jahresend-Podcast in Überlänge verwiesen. Da wurde zwar nicht alles, aber das meiste zu den vergangenen zwölf Monaten gesagt – sei es das Ende der alten neuen DTM, der Stand oder auch die Zukunft des Rennsports an sich. Ich wünsche Euch einen guten Start in das Jahr 2021 und vor allem beste Gesundheit. Wie könnt Ihr auch sonst meine miserablen Witze im Chat ertragen?
Bilderquelle/Copyright: British GT/IGTC (SRO)
2 Kommentare
Mahlzeit Phil,
danke für den etwas „ungewöhnlichen“ Jahresrückblick; hat mir echt gut gefallen! In vielen Sätzen hast Du mir echt „aus der Seele“ gesprochen…
Ich wünsche Dir (und allen Anderen) einen guten Rutsch ins neue Jahr; bleib(t) gesund – ich freue mich schon auf Deine (nicht miserablen) Witze im Chat ;-)
Mahlzeit Reinhard,
vielen Dank für Deinen Kommentar und die sehr netten Worte! Ich hoffe, Du bist wie Dale Earnhardt in seinen besten Rennen ins neue Jahr hineingerutscht. Dir und Deiner Stichwort gebenden, besseren Hälfte ein gesundes und schönes 2021!
Comments are closed.