COVID-bedingt gibt am Wochenende ein neuer ePrix-Austragungsort sein Debut: das Autodromo Miguel E. Abed bei Puebla in Mexiko. Mit einer engen Spitzengruppe in der Fahrerwertung geht es in den nächsten Doubleheader.
Das bekannte Autodromo Hermanos Rodriguez innerhalb von Mexico City, F1- und ePrix-Austragungsort der letzten Jahre, ist aktuell nicht verfügbar, da dort ein Behelfs-Hospital errichtet wurde. Aus diesem Grund weicht die Formula E ins nur etwa 100 Kilometer entfernte Puebla aus. Der Ballungsraum Puebla ist der viertgrößte des Landes. Die Stadt wurde erst in der Kolonialzeit von den Spaniern gegründet und ist inzwischen UNESCO-Welterbe aufgrund seiner vielen Bauten mit europäischen Renaissance- und Barock-Einflüssen. Aber gefahren wird nicht in der Stadt, sondern vor ihren Toren, auf dem Autodromo Miguel E. Abed.
In Europa dürfte diese Anlage vor allem Fans der früheren WTCC bekannt sein, die dort zwischen 2005 und 2009 mehrfach Rennen austrug. Es handelt sich ursprünglich um ein ca. 2 km langes Oval mit flachen Kurven, dem nachträglich Infield-Bestandteile hinzugefügt wurden, die man unterschiedlich zu einem sogenannten „Roval“ kombinieren kann. Das kennen wir ja so auch vom ePrix in Mexico City, wo ebenfalls nur das kurze Oval, ergänzt um Schikanen und einen Schlenker durchs Stadion, genutzt wurde, nicht der lange F1-Kurs.
Ob dieser Kurs für die Formula E funktionieren wird, werden wir am Wochenende in zwei Läufen sehen. Ich befürchte, dass die Strecke suboptimal für die Elektro-Boliden ist, weil es – wie in Valencia – wenig harte Bremszonen gibt, dafür aber viele mittelschnelle, halbwegs flüssige Kurven. Das heißt, die Piloten werden sich möglicherweise auch hier wieder schwer tun, ausreichend Energie zu rekuperieren, um das Rennen gut zu Ende zu bringen. Die Strecke ist mit knapp 3 km auch nur wenig kürzer als in Valencia (3,38 km), was bedeutet, dass die Teams sauber kalkulieren müssen, um nicht am Ende wieder keine verfügbare Energie für die letzte Runde zu haben.
Es gibt nur eine lange Vollgaspassage mit harter Bremszone, das ist die Start/Ziel-Gerade mit der vorhergehenden Oval-Kurve. Die Gerade mündet in eine 90°-Links, die auch die beste Überholmöglichkeit sein dürfte. Der Umweg für die Attack Mode-Aktivierungszone ist diesmal etwas weiter als sonst, weil sie nicht nur von der Ideallinie der Strecke wegführt, sondern in Kurve 8 die längere Variante der in zwei Ausführungen befahrbaren Spitzkehre nutzt. Der Zeitverlust dürfte aufgrund des doch etwas längeren Weges größer sein als auf anderen Strecken, aber da die Anzahl der Attack Mode-Nutzungen fest vorgeschrieben ist, ist das immerhin für alle Piloten gleich.
Rückblick auf den Monaco ePrix
Das letzte Rennen der Formula E war der Monaco ePrix Anfang Mai, und es war ein sehr gelungenes (Highlights hier). Gerade gegenüber dem in diesem Jahr eher weniger spannenden Grand Prix konnte die FE bei ihrem ersten Versuch auf dem vollen Stadtkurs überzeugen. Auch die Streckenlänge, die in etwa der des Valencia-FE-Kurses entspricht, machte sich nicht negativ bemerkbar. Die Teams hatten dazu gelernt und es rollten nicht reihenweise Autos in der letzten Runde aus – ein gutes Zeichen für Puebla. Der Attack Mode sorgte für Abwechslung und es war ständig Bewegung im Feld.
Lange stritten sich Robin Frijns, Mitch Evans und Antonio Felix da Costa um die ersten drei Plätze, mehrfach wurden die Plätze getauscht. Evans im Jaguar schien das Rennen nach einem mutigen Attack Mode-Überholmanöver auf der Bergauf-Passage von Beau Rivage (!) gewinnen zu können. Doch er war mit seiner Energie ein klein wenig zu freigiebig gewesen und musste in der letzten Runde ausgangs des Tunnels Antonio Felix da Costa passieren lassen. Gegen die weiteren Verfolger wehrte er sich mit Hände und Füßen, doch auf der Zielgeraden ging ihm der Saft aus und auch Robin Frijns konnte ihn gerade noch vor der Linie passieren.
Jean-Eric Vergne gelang das knapp nicht mehr, er wurde Vierter. Maximilian Günther im BMW holte sich in einer schwierigen Saison einen schönen fünften Platz in Monaco. Bemerkenswert – und meisterschaftsrelevant – war noch der Ausfall beider Mercedes-Piloten. Nyck de Vries musste von hinten starten und bekam noch eine Zeitstrafe, weil vor dem Rennen Komponenten des Antriebsstranges ausgetauscht werden mussten. Ein technischer Defekt beendete dann sein Rennen vorzeitig. Stoffel Vandoorne startete von Platz 15, musste das Auto aber nach einem Zweikampf-Kontakt abstellen. Die Quali-Reihenfolge erfüllt also den beabsichtigten Zweck und schickt die Top-Teams gerne mal weiter nach hinten in der Startaufstellung.
Stand der Meisterschaft
Wir haben Saisonhalbzeit, einschließlich Puebla stehen noch vier Doubleheader-Events an, und ich gehe davon aus, dass zumindest New York und Berlin im Juli und August auch weitgehend unbeeinflusst von Corona werden stattfinden können. Ob die sich in Großbritannien ausbreitende Delta-Variante den London ePrix im Juli gefährdet, ist aktuell noch nicht absehbar. Immerhin soll dort auch auf einem abgrenzbaren Messegelände gefahren werden, nicht auf öffentlichen Straßen.
Nach sieben von 15 Rennen ist die Meisterschaft an der Spitze noch eng, es sind mehrere Piloten im Spiel. Vorn liegen zwei Niederländer: der bisher noch sieglose Robin Frijns (Virgin-Audi) führt mit 62 vor Landsmann Nyck de Vries (Mercedes, 57 Punkte, 2 Siege). In knapper Folge sind auch noch Mitch Evans (Jaguar, 54 Punkte), da Costa (DS Techeetah, 52), Bird (Jaguar, 49), Vandoorne (Mercedes, 48) und Vergne (DS Techeetah, 46) voll im Spiel.
Mercedes und Jaguar sind die stärksten Teams und führen auch die entsprechende Wertung an. Sie haben über die bisherigen Rennen die konstanteste Pace gezeigt, musste aber beide schon viele Punkte aufgrund von Ausfällen oder Disqualifikationen liegen lassen. Dadurch ist DS Techeetah noch eng dran und Virgin zumindest mit Robin Frijns. BMW, Audi, Porsche und Nissan sind die großen Namen, die in dieser Saison nicht das Potential ausnutzen können, was man bei diesen Konzernen vermuten darf. In Valencia hat BMW immerhin mit Jake Dennis einmal gewinnen können, Das Audi-Werksteam konnte dort vierfach punkten. Nimmt man diese Strecke als Maßstab für Puebla, könnte also was drin sein für diese gebeutelten Werksteams.
Puebla ePrix: Wann und wo?
In Puebla werden zwei Rennen ausgetragen, eines am Samstag, eines am Sonntag. Start ist jeweils um 23 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit. Sat 1 überträgt ab 22:30 (SA) bzw. 22:35 (SO) live mit Vorberichten; Eurosport 2 startet seine Übertragungen jeweils um 22 Uhr mit dem Nachliefern der Qualifikation bzw. der Super Pole.
(Bilder: Formula E Media)