Colin Turkington, Ashley Sutton und Tom Ingram holten sich bei den BTCC-Läufen in Snetterton nicht nur die drei Laufsiege, sondern übernahmen auch die ersten drei Positionen in der Meisterschaft. Ingrams Sieg war zugleich der erste Sieg eines Hyundai in der BTCC.
Die erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder an der Strecke zugelassen Zuschauer erlebten im ersten Lauf bei bestem Sommerwetter einen souveränen Start-Ziel-Sieg von Colin Turkington. Von der Pole gestartet, musste sich der BMW-Pilot lediglich in der ersten Runde gegen den attackierenden Tom Ingram zur Wehr setzen, fuhr am Ende aber mühelos seinen ersten Saisonsieg ein und drehte dabei auch die schnellste Rennrunde. In einem an der Spitze relativ ereignisarmen Rennen begnügte sich Hyundai-Pilot Ingram dahinter mit Platz zwei vor Rory Butcher im Toyota.
Dahinter ging dann allerdings deutlich enger zur Sache: Ford-Pilot Ollie Jackson hatte es beim Start zunächst überraschend geschafft, die beiden BMWs von Stephen Jelley und Adam Morgan zu überholen und damit vom sechsten auf den vierten Platz nach vorne zu fahren. Im Gegensatz zu allen anderen Fahrern in den Top Ten hatten sich Jackson und sein von Platz sieben gestarteter Teamkollege Jake Hill nicht für den weicheren Optionsreifen im ersten Lauf entschieden, sondern zogen den härteren Medium-Reifen auf. Erstmals seit der Saison 2019 kamen in Snetterton wieder zwei Reifenmischungen zum Einsatz, verbunden mit der Verpflichtung, dass jeder Fahrer in einem der drei Läufe, den weicheren Optionsreifen verwenden muss. Anders als bisher musste die Reifenwahl aber nicht schon vor Beginn der Quali getroffen werden, sondern konnte am Renntag spontan erfolgen.
Die Wahl, im ersten Lauf den härteren Reifen zu fahren, war im Fall von Hill relativ alternativlos, da er als Tabellenführer mit 75 Kilo Zusatzgewicht in den ersten Lauf gehen musste und es mehr als zweifelhaft war, ob die weicheren Reifen bei dem sonnigen Wetter und über 30 Grad Asphalttemperatur durchgehalten hätten. Die gleiche Entscheidung trafen übrigens auch Josh Cook, Jason Plato und Ash Sutton, die in der Meisterschaft auf den Plätzen hinter Hill platziert waren und ebenfalls relativ viel Gewicht an Bord hatten. Bei Jackson war die Reifenwahl hingegen ein klarer Poker darauf, dass die Soft-bereiften Konkurrenten auch ohne viel Zusatzgewicht ihre Reifen nicht über die Distanz bringen würden und Jackson somit gegen Rennende die besseren Chancen haben könnte.
Allerdings zeigten sich die weichen Pneus deutlich langlebiger (und logischerweise zugleich auch schneller) als viele angenommen hatten. Jackson fehlte deutlich die Pace der Spitze, deren Reifen problemlos durchhielten und er hatte das gesamte Rennen über Jelley, Morgan und Vauxhall-Pilot Dan Lloyd an der Heckstoßstange kleben. In der achten Runde musste er sich schließlich Jelley geschlagen geben, konnte sich aber den weiteren Attacken von Lloyd und Morgan, die dabei ihrerseits mehrfach die Positionen tauschten, erwehren und am Ende einen sehr guten fünften Platz einfahren.
Jacksons Teamkollege Jake Hill erlebte mit seinen Reifen dasselbe Schicksal und musste sich in den ersten Runden gegen eine ganze Karawane an Verfolgern zur Wehr setzen. Letzten Endes schaffte es nur BMW-Pilot Tom Oliphant am Ford vorbei, während sich die anderen Konkurrenten dahinter aufrieben. Hinter Hill kreuzte Hyundai-Pilot Chris Smiley die Ziellinie auf Platz neun, dicht gefolgt von Ash Sutton, Dan Rowbottom und Jack Goff. Sutton, der nach Motorproblemen in der Quali nur von Startplatz 16 in den ersten Lauf gegangen war, holte mit Platz zehn immerhin ein paar Punkte, schaffte aber trotz frisch gewechseltem Motor zunächst keine der für ihn sonst so typischen Aufholjagden. Noch größeres Pech als Sutton hatte BTCC-Rückkehrer Gordon Shedden in der Qualifikation: Der Honda-Pilot hatte sich eigentlich die Pole Position gesichert, wurde aber wegen einer irregulären Heckflügeleinstellung disqualifiziert und musste den ersten Lauf aus der letzten Reihe angehen. Im Rennen schaffte Shedden es dann „nur“ bis auf den 15.Platz nach vorne zu fahren.
Die Aufholjagd, die viele im ersten Lauf von ihm vermisst hatten, holte Ash Sutton dann im zweiten Lauf nach: Bereits nach der ersten Runde lag der Infiniti-Pilot, der sich für die schnelleren Soft-Reifen entschieden hatte, auf Platz sieben und ging in den folgenden Runden souverän an den mit mehr Zusatzgewicht beladenen Konkurrenten vorbei. Drei Runden vor Schluss hatte Sutton schließlich nur noch Spitzenreiter Colin Turkington vor sich, den er in der Agostinis-Hairpin ebenfalls mühelos passieren konnte. Der amtierende Champion holte sich somit seinen zweiten Saisonsieg vor Turkington und – etwas überraschend – Ollie Jackson. Der Ford-Pilot hatte sich nach den Erfahrungen aus dem ersten Lauf auch nun auch für den weicheren Optionsreifen entscheiden und sich gleich beim Start hinter den führenden Colin Turkington katapultiert. Im Rennverlauf musste Jackson sich dann zwar mehrmals gegen Tom Ingram zur Wehr setzen, der ebenso wie Turkington trotz der Kombination aus Medium-Reifen und viel Zusatzgewicht flott unterwegs war, blieb dabei aber letzten Endes erfolgreich und konnte sogar eine zunächst gelungene Attacke des Hyundai-Piloten sehr gut kontern.
Für Ingram blieb damit ein nichtsdestotrotz sehr guter vierter Platz vor dem mit einigem Abstand folgenden Rory Butcher. Der Toyota-Pilot musste sich vor allem in den letzten Runden gegen die über die Distanz deutlich besser mit ihren Reifen klarkommende Heck-getrieben Konkurrenz in Person von Tom Oliphant, Stephen Jelley, Aiden Moffat und Adam Morgan zur Wehr setzen. Innerhalb der Verfolgergruppe schaffte Moffat es in der letzten Runde sogar noch an Jelley vorbeizugehen, was im Nachhinein – mit dem Wissen um die spätere Auslosung für die Startplätze des letzten Laufs – sogar die Pole Position für das dritte Rennen bedeutet hätte. Weil Moffat beim Start jedoch nicht korrekt in seiner Startbox stand, wurde er mit einer Fünf-Sekunden-Strafe belegt, die ihn letzten Endes nicht nur hinter Jelley und Morgan, sondern auch hinter Cupra-Pilot Jack Goff auf den zehnten Platz zurückwarf.
Moffat landete damit knapp vor seinem schottischen Landsmann Gordon Shedden, dem es in diesem Lauf mit den Medium-Reifen erneut nicht gelang, nennenswert Boden nach vorne gut zu machen. Ähnlich schlecht lief es für den zweifachen Rennsieger aus Thruxton, Josh Cook, der nach dem 16. Platz im ersten Lauf auch im zweiten Lauf nicht gut zurechtkam und nur 14. wurde – und das trotz des mittlerweile ausgeladenen Zusatzgewichts, das der Honda-Pilot als Tabellenzweiter noch in der Quali und im ersten Lauf mitschleppen musste. Noch schlechter lief derweil für den bisherigen Meisterschaftsführenden Jake Hill, der – nun ebenfalls weich bereift – seine Goodyears im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Jackson nicht über die Distanz bringen konnte und die Ziellinie mit völlig abgefahrenen Vorderreifen nur als 24. kreuzte.
Nach dem dritten und letzten Lauf des sommerlich-sonnigen Renntages in Snetterton stellte sich dann die Frage, ob der inoffizielle Titel für den Fahrer des Tages an Tom Ingram oder doch Gordon Shedden geht: Während Ingram nach rundenlanger Verfolgung und mehreren Versuchen in der fünften Runde an Pole Sitter Stephen Jelley vorbeigehen und den ersten BTCC-Sieg für Hyundai und das noch junge Exclr8-Team holen konnte, schaffte es Shedden in einem sehenswerten Rennen bis auf den dritten Platz nach vorne zu fahren.
Letzten Endes wird man sich bei der Fahrer-des-Tages-Wahl wohl doch für Ingram entscheiden, denn was der langjährige Toyota-Pilot nach seinem Wechsel zu Hyundai in dieser Saison bislang gezeigt hat, ist kurz gesagt phänomenal. Dass diese gute Leistung nun schon so früh in der Saison durch einen Sieg gekrönt werden konnte, zeigt zum einen, dass der Hyundai mittlerweile zu den Spitzenfahrzeugen gehört, es zeigt zum anderen aber auch – und dieser Punkt dürfte bei der Einschätzung überwiegen – was für ein kompetenter und kompletter Tourenwagen-Pilot Ingram mittlerweile ist. Zusammen mit seinem ebenfalls zum neuen Team gewechselten langjährigen Ingenieur hat Ingram den Hyundai in kürzester Zeit nicht nur besser fahrbar, sondern auch schneller gemacht. Obwohl es ein Sieg in einem dritten Lauf war, bei dem ja üblicherweise öfter mal die Underdogs zum Zuge kommen, war dieser Sieg höchstverdient und aus eigener Kraft eingefahren.
Sheddens Leistung soll aber natürlich keinesfalls unterschätzt werden. Im Gegensatz zu allen Fahrern, die in der Startaufstellung vor ihm standen, hatte der Schotte noch die weicheren Optionsreifen zur Verfügung, die, wie mittlerweile allen klar war, nicht nur schneller waren, sondern auch problemlos die Renndistanz überstehen konnten. Shedden galt somit trotz des elften Startplatzes als Geheimfavorit auf den Sieg. Und dass er nach einer sehenswerten Fahrt Position um Position nach vorne dann doch nicht den Sieg holen konnte und sich letzten Endes mit einem immer noch guten dritten Platz begnügen musste, lag einzig und allein an einem bärenstarken Ashley Sutton.
Sutton war in der zweiten Runde als Profiteur eines Tete-a-Tete zwischen den bis dato führenden BMW-Teamkollegen Stephen Jelley und Tom Oliphant und einem anschließenden Dreher Oliphants durch Kollision mit Ollie Jackson auf den dritten Platz nach vorne gekommen und konnte kurz nach Ingrams erfolgreicher Attacke auf Jelley ebenfalls an diesem vorbeigehen. Um Ingram einzuholen, reichte es für Sutton zwar nicht, aber der amtierende Meister konnte den eigentlich deutlich schnelleren Shedden in den letzten Runden erfolgreich hinter sich halten. Trotz besserer Reifen und komplett ohne Zusatzgewicht an Bord gelang es Shedden einfach nicht am Infiniti, der wegen Suttons Sieg im vorherigen Lauf und dem ohnehin vorhandenen Kompensationsgewicht, das Hecktriebler zuladen müssen, rund 100 Kilo schwerer war als der Honda, vorbeizugehen.
Hinter den Podestplätzen schaffte Josh Cook eine ähnlich gute Aufholjagd wie Shedden, womit die Honda-Ehre an diesem Tag zumindest noch ein wenig gerettet werden konnte. Cook profitierte ebenso wie Shedden von der Kombination aus den weichen Optionsreifen und keinem Zusatzgewicht und arbeitete sich ebenso wie sein Markenkollege Position um Position nach vorne. Für den zeitweiligen Führenden Stephen Jelley reichte es dahinter nur für den fünften Rang, womit er sich aber immerhin gegenüber Rory Butcher und Teamkollege Colin Turkington behaupten konnte. Adam Morgan, Jack Goff und Dan Rowbottom komplettierten die Top Ten und beschlossen damit jeder für sich einen für alle drei Fahrer erfolgreichen Renntag mit konstanten Punkteergebnissen. Gleiches gilt für Chris Smiley auf dem elften Platz, der aber durch den Hyundai-Debütsieg seines Teamkollegen deutlich in den Schatten gestellt wurde. Hinter Smiley schaffte es Jake Hill nach seiner Nullnummer im zweiten Lauf immerhin noch ein paar Punkte zu holen.
Kleine, aber feine Randnotiz: Hinter den nachfolgenden Dan Lloyd und Áron Taylor-Smith konnte Jade Edwards ihren ersten Punkt in der BTCC zu holen. Gleiches gelang Jessica Hawkins, der an diesem Wochenende zweiten Frau im Feld, trotz einer sehr guten Quali-Leistung mit Startplatz 17 leider nicht. Hawkins hatte in Snetterton kurzfristig den Motorbase-Ford von Andy Neate übernommen, der sich nach teils heftiger Kritik, die ihm nach dem Startunfall in Thruxton in den sozialen Medien entgegengeschlagen war, dazu entschieden, die Läufe in Snetterton freiwillig auszulassen.
Mit ihrem 15. Platz gelang es Jade Edwards u.a. die BTCC-Sieger Tom Oliphant, Aiden Moffat und Jason Plato hinter sich zu lassen. Apropos Plato: Der Vauxhall-Pilot erlebte nach seinem starken Auftritt zum Saisonstart in Thruxton ein unerklärlich schwaches Wochenende in Snetterton, bei dem er beständig außerhalb der Punkteränge unterwegs war und zudem klar von seinem Teamkollegen Dan Lloyd geschlagen wurde.
Die einzelnen Resultate der drei Läufe aus Snetterton können auf der Website von TSL Timing noch mal genauer studiert werden. Dort findet sich ebenfalls der Meisterschaftsstand (PDF), der sich gegenüber Thruxton deutlich verändert hat. Die Gesamtwertung wird nun hauchdünn mit zwei Punkten Vorsprung von Ash Sutton vor Tom Ingram angeführt. Dahinter liegt mit gerade einmal fünf Punkten Rückstand Colin Turkington. Die bisherigen Tabellenführer Jake Hill und Josh Cook rutschen dagegen auf den fünften bzw. vierten Platz ab und haben 20 bzw. 23 Punkte Rückstand. Auf Platz sechs mit 33 Punkten Rückstand liegt Rory Butcher, der sich nach den zwei Ausfällen in Thruxton mit drei soliden Resultaten mehrere Plätze in der Meisterschaft nach vorne gefahren hat.
Die nächsten BTCC-Rennen finden am nächsten Wochenende (26./27.6.) statt. Gefahren wird dann auf dem Indy Circuit von Brands Hatch, der ja eigentlich immer für gute Unterhaltung bekannt ist. Im Vorjahr fand hier bei kaltem November-Wetter das Saisonfinale statt. Die drei Laufsiege gingen dabei an Dan Cammish im Dynamics-Honda, Ash Sutton im Infiniti und Rory Butcher im Motorbase-Ford. Vor allem die Fords sahen letztes Jahr sowohl auf dem Indy- als auch auf dem Grand Prix-Kurs sehr gut aus und Ford-Speerspitze Jake Hill darf sich durchaus Hoffnungen machen, die mittelmäßige Punkteausbeute aus Snetterton wieder wett machen zu können. Überraschend schwach waren im Vorjahr die BMWs, was aber auch an den vergleichsweise niedrigen Temperaturen gelegen haben könnte, die jetzt im Juni sicherlich nicht zu erwarten sind. Im Gegensatz zu Snetterton kommt in Brands Hatch wieder nur eine einzige Reifenmischung zum Einsatz.
Bilder: btcc.net